Augsburger Allgemeine (Land West)
Mit allen Sinnen und Motivation von innen
Serie Die Sportart Parkour kennt man eigentlich nur aus dem Fernsehen oder aus dem Internet. Aber nicht nur Top-Athleten können die Sportart betreiben. Parkour ist eigentlich für jeden, der sich an „Spots“versuchen will
Glaubt man dem Wetterbericht, dann soll jetzt pünktlich zum Frühlingsanfang der Frühling kommen. Raus in die freie Natur lautet daher das Motto in dieser Folge unserer Serie „Fit wie ein Turnschuh“. Im Selbstversuch testen wir seit einigen Wochen verschiedene Möglichkeiten, wie man sich fit halten kann. Anhand unserer gesammelten Erfahrungen geben wir Tipps für eine aktive Freizeitgestaltung. Anregungen zu sportlichen Kostproben nehmen wir gerne entgegen unter der E-MailAdresse sportredaktion.landbote @augsburger-allgemeine.de Augsburg/Emersacker Die Sportart Parkour ist in der jüngeren Generation eigentlich jedem ein Begriff. Ob im Fernsehen oder im Internet, überall kursieren spektakuläre Videos. Aus diesem Grund denkt man vor allem an gewagte Manöver und Sprünge – manchmal auch in atemberaubender Höhe. Das ist auch alles, was ich kenne, bevor ich die Sportart in Augsburg ausprobieren darf. Im Roten-Tor-Park in Augsburg treffe ich eine Gruppe der Sportschule Parkour-One. Florian Bach aus Emersacker ist einer der Coaches. Zusammen mit Gründer Michael Thümmler unterrichtet er die Gruppe.
Bevor es ans Aufwärmen geht, stellen die beiden Coaches sich selbst, Parkour-One und ihre Philosophie vor. Thümmler schickt voraus: „Ich kann Parkour so trainieren, dass ich nach zwei Jahren Knieprobleme habe, oder so, dass ich es 40 Jahre lang machen kann.“
Über 80 Trainer beschäftigt die Schule in unterschiedlichen Städten in Deutschland und der Schweiz. Zusammen mit Pädagogen und Wissenschaftlern hat Parkour-One ein sportliches Vermittlungskonzept erarbeitet. Als Basis dienen drei Bildungsziele: die Persönlichkeitsbildung, die Gesundheitsförderung und sechs Werte.
Diese können die Trainer an einer Hand abzählen: Der Daumen steht dabei für die Konkurrenzfreiheit. Beim Parkour gebe es keinen Wettbewerb, erklären die Coaches. Der Zeigefinger symbolisiert Vorsicht. Verletzungen wollen die Sportler in jedem Fall vermeiden. Der Mittelfinger steht für den Respekt vor der Umwelt und seinen Mitmenschen. Wichtig ist das, da Parkour eigentlich immer draußen und auf öffentlichen Flächen stattfindet. Der Ringfinger steht für Vertrauen, der kleine Finger für Bescheidenheit. Die Faust zeigt den Mut, den es braucht, um eigenen Ziele zu erreichen. Diese Werte sollen nicht nur im Sport, sondern auch im Alltag gelebt werden.
Nach dieser einführenden Phase geht es los: Wir joggen ein wenig durch den Park, dann folgen einige Kraft- und Stabilisationsübungen zum Aufwärmen. Wir befinden uns jetzt in der „einleitenden Phase“der Trainingseinheit. Teil dieser Phase sind auch Vertrauensübungen, bei denen man sich auf einen unbekannten Partner verlassen muss.
Nach der einleitenden Phase folgt der Hauptteil. Als Erstes dürfen wir Teilnehmer kreativ werden und uns an zwei Bänken und an Treppenstufen austoben. „Ihr könnt beim Parkour nichts falsch machen, solange ihr euch bewegt und dabei nicht verletzt“, erklären die Coaches. Diejenigen, die länger dabei sind, wissen sofort, was sie trainieren wollen. Einer der jüngeren Teilnehmer springt behände auf eine Bank und schwingt sich dann, ohne zu zögern, um eine nebenstehende Laterne. Bei mir sehen die Bewegungen noch weniger flüssig aus. Ein paarmal springe ich über die Treppenstufen oder auf eine der Bänke, dann gehen mir die Ideen aus. Michael Thümmler empfiehlt: „Wenn man groß ist, muss man vor allem trainieren, den Körpermittelpunkt tief und so nahe wie möglich ans Hindernis zu bringen.“Er zeigt mir auch gleich, wie ich das an einer Bank trainieren kann.
Im zweiten Teil trainieren wir den „Katzensprung“, eine der wichtigsten Bewegungen im Parkour. Dabei legt man beide Hände auf das Hindernis und zieht die Beine im Sprung darüber hinweg. Wir starten mit Trockenübungen an liegenden Baumstämmen. Später geht es über ein kleines Mäuerchen. Die drei Schüler, die mit mir als Anfänger dabei sind, haben sichtlich Spaß. Wie ich spüren sie aber die Angst, mit den Füßen hängen zu bleiben. Das sei normal, sagt Florian Bach, Training helfe die Angst zu überwinden.
Beim Parkour gibt es keinen Wettbewerb
Zum Abschluss nach dem Hauptteil folgt eine Fitnessrunde mit mehreren unterschiedlichen Übungen. Dabei kann ich mich richtig auspowern, und auch die anderen geben alles. „Denkt daran, es gibt keinen Wettbewerb“, sagen die Coaches, „aber versucht trotzdem, euch zu fordern.“Danach dehnen wir uns und stellen uns zu einer letzten Feedbackrunde zusammen. Es fühlt sich gut an, so richtig ausgepowert zu sein, ich spüre alle Muskeln in meinem Körper.
Nach dem Training wechsle ich noch ein paar Worte mit den beiden Trainern. Bach ist immer wieder auch in Emersacker unterwegs auf der Suche nach „Spots“für seine Sportart. Thümmler tobt sich eher in der Stadt aus. Der 35-Jährige hat 2006 mit Parkour angefangen und 2011 die Schule in Augsburg gegründet. Bach war von Anfang an dabei. Was den beiden an Parkour so gefällt? Bach betont die Konkurrenzlosigkeit. „Wenn Motivation von innen kommt, ist sie viel stärker“, erklärt der 23-Jährige. Thümmler liebt „eigentlich 1000 Dinge am Parkour“.
Am wichtigsten ist ihm allerdings „das Lebendige, das Reale, das Rohe. Ich fasse die Elemente und Strukturen an, spüre meinen Körper, lerne ständig etwas Neues, auch über mich selbst.“