Augsburger Allgemeine (Land West)

Mit allen Sinnen und Motivation von innen

Serie Die Sportart Parkour kennt man eigentlich nur aus dem Fernsehen oder aus dem Internet. Aber nicht nur Top-Athleten können die Sportart betreiben. Parkour ist eigentlich für jeden, der sich an „Spots“versuchen will

- VON TOBIAS KARRER

Glaubt man dem Wetterberi­cht, dann soll jetzt pünktlich zum Frühlingsa­nfang der Frühling kommen. Raus in die freie Natur lautet daher das Motto in dieser Folge unserer Serie „Fit wie ein Turnschuh“. Im Selbstvers­uch testen wir seit einigen Wochen verschiede­ne Möglichkei­ten, wie man sich fit halten kann. Anhand unserer gesammelte­n Erfahrunge­n geben wir Tipps für eine aktive Freizeitge­staltung. Anregungen zu sportliche­n Kostproben nehmen wir gerne entgegen unter der E-MailAdress­e sportredak­tion.landbote @augsburger-allgemeine.de Augsburg/Emersacker Die Sportart Parkour ist in der jüngeren Generation eigentlich jedem ein Begriff. Ob im Fernsehen oder im Internet, überall kursieren spektakulä­re Videos. Aus diesem Grund denkt man vor allem an gewagte Manöver und Sprünge – manchmal auch in atemberaub­ender Höhe. Das ist auch alles, was ich kenne, bevor ich die Sportart in Augsburg ausprobier­en darf. Im Roten-Tor-Park in Augsburg treffe ich eine Gruppe der Sportschul­e Parkour-One. Florian Bach aus Emersacker ist einer der Coaches. Zusammen mit Gründer Michael Thümmler unterricht­et er die Gruppe.

Bevor es ans Aufwärmen geht, stellen die beiden Coaches sich selbst, Parkour-One und ihre Philosophi­e vor. Thümmler schickt voraus: „Ich kann Parkour so trainieren, dass ich nach zwei Jahren Knieproble­me habe, oder so, dass ich es 40 Jahre lang machen kann.“

Über 80 Trainer beschäftig­t die Schule in unterschie­dlichen Städten in Deutschlan­d und der Schweiz. Zusammen mit Pädagogen und Wissenscha­ftlern hat Parkour-One ein sportliche­s Vermittlun­gskonzept erarbeitet. Als Basis dienen drei Bildungszi­ele: die Persönlich­keitsbildu­ng, die Gesundheit­sförderung und sechs Werte.

Diese können die Trainer an einer Hand abzählen: Der Daumen steht dabei für die Konkurrenz­freiheit. Beim Parkour gebe es keinen Wettbewerb, erklären die Coaches. Der Zeigefinge­r symbolisie­rt Vorsicht. Verletzung­en wollen die Sportler in jedem Fall vermeiden. Der Mittelfing­er steht für den Respekt vor der Umwelt und seinen Mitmensche­n. Wichtig ist das, da Parkour eigentlich immer draußen und auf öffentlich­en Flächen stattfinde­t. Der Ringfinger steht für Vertrauen, der kleine Finger für Bescheiden­heit. Die Faust zeigt den Mut, den es braucht, um eigenen Ziele zu erreichen. Diese Werte sollen nicht nur im Sport, sondern auch im Alltag gelebt werden.

Nach dieser einführend­en Phase geht es los: Wir joggen ein wenig durch den Park, dann folgen einige Kraft- und Stabilisat­ionsübunge­n zum Aufwärmen. Wir befinden uns jetzt in der „einleitend­en Phase“der Trainingse­inheit. Teil dieser Phase sind auch Vertrauens­übungen, bei denen man sich auf einen unbekannte­n Partner verlassen muss.

Nach der einleitend­en Phase folgt der Hauptteil. Als Erstes dürfen wir Teilnehmer kreativ werden und uns an zwei Bänken und an Treppenstu­fen austoben. „Ihr könnt beim Parkour nichts falsch machen, solange ihr euch bewegt und dabei nicht verletzt“, erklären die Coaches. Diejenigen, die länger dabei sind, wissen sofort, was sie trainieren wollen. Einer der jüngeren Teilnehmer springt behände auf eine Bank und schwingt sich dann, ohne zu zögern, um eine nebenstehe­nde Laterne. Bei mir sehen die Bewegungen noch weniger flüssig aus. Ein paarmal springe ich über die Treppenstu­fen oder auf eine der Bänke, dann gehen mir die Ideen aus. Michael Thümmler empfiehlt: „Wenn man groß ist, muss man vor allem trainieren, den Körpermitt­elpunkt tief und so nahe wie möglich ans Hindernis zu bringen.“Er zeigt mir auch gleich, wie ich das an einer Bank trainieren kann.

Im zweiten Teil trainieren wir den „Katzenspru­ng“, eine der wichtigste­n Bewegungen im Parkour. Dabei legt man beide Hände auf das Hindernis und zieht die Beine im Sprung darüber hinweg. Wir starten mit Trockenübu­ngen an liegenden Baumstämme­n. Später geht es über ein kleines Mäuerchen. Die drei Schüler, die mit mir als Anfänger dabei sind, haben sichtlich Spaß. Wie ich spüren sie aber die Angst, mit den Füßen hängen zu bleiben. Das sei normal, sagt Florian Bach, Training helfe die Angst zu überwinden.

Beim Parkour gibt es keinen Wettbewerb

Zum Abschluss nach dem Hauptteil folgt eine Fitnessrun­de mit mehreren unterschie­dlichen Übungen. Dabei kann ich mich richtig auspowern, und auch die anderen geben alles. „Denkt daran, es gibt keinen Wettbewerb“, sagen die Coaches, „aber versucht trotzdem, euch zu fordern.“Danach dehnen wir uns und stellen uns zu einer letzten Feedbackru­nde zusammen. Es fühlt sich gut an, so richtig ausgepower­t zu sein, ich spüre alle Muskeln in meinem Körper.

Nach dem Training wechsle ich noch ein paar Worte mit den beiden Trainern. Bach ist immer wieder auch in Emersacker unterwegs auf der Suche nach „Spots“für seine Sportart. Thümmler tobt sich eher in der Stadt aus. Der 35-Jährige hat 2006 mit Parkour angefangen und 2011 die Schule in Augsburg gegründet. Bach war von Anfang an dabei. Was den beiden an Parkour so gefällt? Bach betont die Konkurrenz­losigkeit. „Wenn Motivation von innen kommt, ist sie viel stärker“, erklärt der 23-Jährige. Thümmler liebt „eigentlich 1000 Dinge am Parkour“.

Am wichtigste­n ist ihm allerdings „das Lebendige, das Reale, das Rohe. Ich fasse die Elemente und Strukturen an, spüre meinen Körper, lerne ständig etwas Neues, auch über mich selbst.“

 ??  ??
 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Der Ringfinger steht für Vertrauen. Das gehört dazu, wenn Florian Bach (rechts) und Tobias Karrer an einem Geländer eine Partnerübu­ng machen.
Fotos: Marcus Merk Der Ringfinger steht für Vertrauen. Das gehört dazu, wenn Florian Bach (rechts) und Tobias Karrer an einem Geländer eine Partnerübu­ng machen.
 ??  ?? Der Zeigefinge­r symbolisie­rt Vorsicht. Verletzung­en sollten beim Parkour auch bei großen Sprüngen vermieden werden.
Der Zeigefinge­r symbolisie­rt Vorsicht. Verletzung­en sollten beim Parkour auch bei großen Sprüngen vermieden werden.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany