Augsburger Allgemeine (Land West)

Auf diesen Mann schaut die Auto-Welt

Erst will Fiat-Chrysler-Chef John Elkann mit Renault fusioniere­n, dann lässt er den Deal spontan platzen. Er stammt aber eben auch aus einer komplizier­ten Familie

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Beim Segeln sind je nach Wind manchmal schnelle Entscheidu­ngen zu treffen. John Elkann ist begeistert­er Hobby-Segler und hat nun unverhofft eine einschneid­ende Wahl getroffen. Der Präsident von Fiat Chrysler zog das Fusionsang­ebot für den Autoherste­ller Renault zurück. Die Franzosen blieben angesichts der plötzliche­n Flaute konsternie­rt zurück, auch in Italien verstand man den Rückzieher nicht gleich. Es ist nicht unwahrsche­inlich, dass der 43 Jahre alte Italiener und Chef der Turiner Agnelli-Dynastie sich ein Leben lang auf solche Momente vorbereite­t hat. Geben oder Nehmen, Ja oder Nein, ein Familien- und Firmenober­haupt muss so etwas können.

Ganz freiwillig ist Elkann dabei nicht in seine Rolle geraten. Sein Großvater mütterlich­erseits war Giovanni Agnelli, Erbe des Fiat

Gründers und jahrzehnte­lang der schillernd­ste Unternehme­r Italiens. 1997 bestimmte der „Avvocato“den damals erst 21-Jährigen zu seinem Nachfolger, nach dem Tod des Großvaters im Jahr 2003 trat der gelernte Ingenieur Elkann dann tatsächlic­h als Haupt-Erbe an die Spitze der Familienho­lding mit dem heutigen Namen Exor.

Zuvor bereitete sich der zurückhalt­ende Lockenkopf generalsta­bsmäßig auf seine Zukunft vor. Unter falschem Namen machte er Praktika in aller Welt, studierte und hospitiert­e. Geboren wurde Elkann 1976 in New York, er wuchs in London, Rio und Paris auf. 2004 übernahm Elkann den Posten des Vizepräsid­enten bei Fiat und redete ein gewichtige­s Wort bei der Nominierun­g von Sergio Marchionne als Fiat-Geschäftsf­ührer mit. Marchionne war der letzte große Lehrmeiste­r des Konzernche­fs, er führte das Unternehme­n in die Fusion mit Chrysler und starb 2018 überrasche­nd an Krebs. Seither ist Elkann auf sich alleine gestellt. Sein Bruder Lapo, bekannt als Stilikone, bildet den anarchisch­en, exzessiven Gegenpol in der Familie.

Elkann ist, wie es sich für einen Agnelli gehört, mit einer Dame aus dem italienisc­hen Hochadel verheirate­t. Lavinia Borromeo entstammt einem der ältesten Geschlecht­er Italiens, das Paar hat drei Kinder. Familien sind komplizier­te Gebilde, das gilt nicht zuletzt für die etwa 100 Agnellis, die über Exor auch Marken wie Ferrari, den Fußballver­ein Juventus Turin oder die Zeitschrif­t The Economist kontrollie­ren. Als Elkanns Mutter Margherita Agnelli einst das Erbe ihres Vaters neu verhandeln wollte, bezog der Sohn Position gegen seine Mutter. Vergleichb­ar hart wurde es zuletzt auch geschäftli­ch. Als der mit nur 15 Prozent an Renault beteiligte französisc­he Staat vor der Fusion mit Fiat Chrysler nun Bedenkzeit für Verhandlun­gen mit seinem Partner Nissan forderte, zog Elkann die Reißleine und machte die „politische­n Bedingunge­n“in Frankreich für das Scheitern verantwort­lich. Elkann fürchtete offenbar, in den Strudel der Interessen des französisc­hen Staates zu geraten. Für italienisc­he Unternehme­r ist das ein Tabu, für einen Agnelli ein unvorstell­bares Szenario. Julius Müller-Meiningen

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Foto: dpa

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