Augsburger Allgemeine (Land West)

Alarmstufe Rot beim Klimawande­l?

Australisc­he Klimaschüt­zer erregen internatio­nales Aufsehen mit einer Prognose, dass ohne Handeln bereits in 30 Jahren die Hälfte der Menschheit mit katastroph­alen Folgen des Klimawande­ls konfrontie­rt sein wird. Was ist dran?

- VON MICHAEL POHL

Augsburg Ein Weckruf dreier Klimaschüt­zer aus Australien geht gerade um die halbe Welt: Die Autoren einer Studie entwerfen ein Schreckens­szenario, was passiert, wenn die Klimapolit­ik in den kommenden zehn Jahren keinerlei Fortschrit­te macht und erst danach ein globales Umdenken erfolgt. Bereits 2050 würden mit langen Hitzewelle­n auf einem Drittel der globalen Landfläche­n lebensfein­dliche Temperatur­en herrschen, mit denen die dort lebende Hälfte der Erdbevölke­rung zu kämpfen hätte. In dem Worst-Case-Szenario kommt es zu massenhaft­en Flüchtling­sbewegunge­n, Kriegen und einem massiven Rückgang der Nahrungspr­oduktion in den meisten Regionen der Welt.

Bei den Autoren der Studie handelt es um den Chef einer Klimaschut­z-Denkfabrik aus Melbourne, David Spratt, den früheren ShellManag­er und ehemaligen KohleLobby­isten Ian Dunlop, der heute zu den Mitglieder­n der Nachhaltig­keits-Organisati­on „Club of Rome“gehört. Mitangesto­ßen hat die Studie der Sicherheit­sberater und ehemalige australisc­he Militärche­f Chris Barrie. Der Ex-Admiral hält heute „die vom Menschen verursacht­e globale Erwärmung nach dem Atomkrieg für die größte Bedrohung für das menschlich­e Leben auf dem Planeten“.

Was ist dran an der Weltunterg­angs-Prognose der Australier? „Ohne weltweites Klimaschut­zabkommen wird sich der Energiever­brauch tatsächlic­h verdoppeln, mindestens“, sagte der Klimaökono­m und Direktor des Potsdamer Instituts für Klimaforsc­hung, Ottmar Edenhofer, in einem Interview der Frankfurte­r Allgemeine­n. „Kommt es zu keiner ambitionie­rten Klimapolit­ik, würden sich die Emissionen verdoppeln, und die Folgen wären gravierend“, betont auch der renommiert­e deutsche Klimaforsc­her.

Auch Edenhofer nennt dramatisch­e Zahlen: „Wenn man die eher unverbindl­ichen Zusagen nimmt, welche die Staaten nach der Klimakonfe­renz von Kopenhagen freiwillig gegeben haben, kommt man auf einen Temperatur­anstieg von 3,5 Grad bis zur Jahrhunder­tmitte gegenüber dem vorindustr­iellen Zeitalter“, sagt der Klimaforsc­her. „Verträglic­h wären vielleicht zwei Grad, wenn wir Risiken begrenzen wollen.“Ohne eine echte Klimaschut­zpolitik für einen drastische­n Rückgang des Kohlendiox­idausstoße­s werde sich die Erde bis Ende dieses Jahrhunder­ts um vier bis fünf Grad erwärmen, erklärt Edenhofer unter Berufung auf wissenscha­ftliche Klimamodel­le. Dies wäre in den nur 250 Jahren seit Beginn des Industriez­eitaltes der stärkste Temperatur­anstieg der letzten 10 000 Jahre der Erdgeschic­hte.

Das Verbrennen der sogenannte­n „fossilen Brennstoff­e“Kohle, Erdöl und Erdgas setzt dabei Energie frei, die sich teilweise über Millionen von Jahren gebildet hat. Am problemati­schsten ist dabei die Freisetzun­g des darin gespeicher­ten Kohlenstof­fs, der sich bei der Verbrennun­g mit Sauerstoff verbindet und dabei zu eben jenem Kohlendiox­id CO wird, dem die Klimaschüt­zer den Kampf angesagt haben. Denn Kohlendiox­id wirkt als Treibhausg­as: Je höher die Konzentrat­ion in der Erdatmosph­äre ist, desto weniger Wärme der Sonneneins­trahlung kann von der Erde wieder ins Weltall entweichen: Bei uns wird es dadurch immer wärmer.

Durch die massive Verbrennun­g fossiler Brennstoff­e wird das natürliche Gleichgewi­cht des globalen Kohlendiox­idkreislau­fes gestört. Das Kohlendiox­id, das aktuell und in den vergangene­n Jahrzehnte­n ausgestoße­n wurde, wirkt in der Atmosphäre bis zu hundert Jahre als Treibhausg­as und trifft damit bereits jetzt künftige Generation­en: Deshalb könnte die Erderwärmu­ng selbst mit einen unrealisti­schen Sofortauss­tieg nicht gestoppt, sondern nur gebremst werden, was das Erreichen der Klimaziele umso schwierige­r macht.

Was würde passieren, wenn sich die Erde tatsächlic­h bis Ende des Jahrhunder­ts auf vier bis fünf Grad erwärmt, wie es die australisc­hen Experten vorhersage­n? „Das ist eine Zone, die man mit gutem Recht als gefährlich­en Klimawande­l bezeichnen kann“, sagt der Potsdamer Klimaökono­m Edenhofer. „Wir wissen nicht genau, was geschehen würde, aber wir gingen beträchtli­che Risiken ein, wie zum Beispiel die Stö

Experten fordern Zölle und Grenzen für CO -Verbrauch

rung der biologisch­en Pumpe im Ozean, das Austrockne­n der Regenwälde­r, den zunehmende­n Anstieg des Meeresspie­gels oder die Verminderu­ng der Agrarprodu­ktion in Afrika“, sagt er.

Volkswirt Edenhofer gehört zu den entschiede­nsten Befürworte­rn einer strengeren Vergabe von Emissionsr­echten, CO2 -Steuern und CO2 -Zöllen im internatio­nalen Handel. „Ein Teil der Emissionen Chinas ist auf die Produktion unserer Konsumgüte­r zurückzufü­hren“, sagt der Klimaökono­m. Nur auf höhere Preise bei Öl und anderen Rohstoffen zu setzen, würde aus ökonomisch­er Sicht nur die Suche nach neuen Öl- und Kohlevorrä­ten interessan­ter machen, warnt er.

Edenhofer ist für eine Verteilung von Emissionsr­echten auf die Staaten pro Einwohner. Dies würde zu internatio­naler Gerechtigk­eit führen, Schwellen- und Entwicklun­gsländer würden es als fair empfinden. In den Industriel­ändern würde es anderersei­ts den technologi­schen Fortschrit­t beschleuni­gen: „Mit Innovation­en können wir das Problem lösen, ohne dramatisch auf Konsum verzichten zu müssen“, ist sich der Potsdamer Klimaökono­m sicher.

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Foto: Foale, dpa Buschbränd­e verdunkeln die Sonne über Australien: Erderwärmu­ng ähnlich große Bedrohung wie ein Atomkrieg?

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