Augsburger Allgemeine (Land West)

Deutschlan­ds Erdgas-Pläne in großer Gefahr

Die Bundesrepu­blik und Russland wollen gerne die Pipeline Nord Stream 2 bauen. Der frühere Kanzler Gerhard Schröder schwärmt geradezu für das Projekt. Doch dieses kommt schwer unter Druck

- VON CHRISTIAN GRIMM

Sankt Petersburg Natürlich Gerhard Schröder. Wenn es um die Gasröhre Nord Stream 2 unter der Ostsee geht, ist der Altkanzler nicht weit. Auf dem Sankt Petersburg­er Wirtschaft­sforum, dem Davos des Ostens, erfüllt sein kehliges Lachen am Freitagmor­gen den Raum. Schröder ist der Star unter den Gästen aus Deutschlan­d, wird geherzt, getätschel­t und geehrt, obwohl er vor anderthalb Jahrzehnte­n in Politikren­te ging. Der 75-Jährige hat sich der Pipeline zwischen Deutschlan­d und Russland verschrieb­en und wird dafür fürstlich entlohnt.

Sein Einsatz für das umstritten­e Projekt wird derzeit schwer gebraucht. Denn auf ihren letzten Metern könnte die Leitung noch scheitern. Eigentlich könnte alles gut sein. Trotz erhebliche­n Widerstand­s der USA, vieler europäisch­er Partnerlän­der und der Ukraine sind über 1000 Kilometer der zwei Stränge von jeweils 1200 Kilometer Länge verlegt. Können die Arbeiter auf den Verlegesch­iffen das Tempo halten, sind sie Ende des Jahres fertig. Zwei Entwicklun­gen torpediere­n den Strang aus Stahl.

Dänemark hat als einziges von fünf betroffene­n Ostsee-Ländern noch keine Baugenehmi­gung erteilt. „Das hat zu tun mit politische­m Druck aus den USA“, beklagte Schröder beim „Nord-StreamFrüh­stück“auf dem Wirtschaft­skongress. Die USA lehnen Nord Stream 2 ab und bearbeiten das kleine skandinavi­sche Land nach Kräften. US-Präsident Donald Trump will gleichzeit­ig Russland schwächen und den Europäern eigenes verflüssig­tes Erdgas (LNG) verkaufen. Wie sich die neue Regierung nach den Wahlen in Dänemark zur Röhre verhalten wird, ist völlig offen.

Ungemach droht auch aus der Ukraine. Die Ukrainer haben vor kurzem ebenfalls gewählt und den alten Präsidente­n aus dem Amt befördert. Davon wird das deutsche Nord-Stream-Konzept massiv infrage gestellt. Kanzlerin Angela Merkel und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (beide CDU) haben Kiew zugesagt, dass das Land weiter russisches Gas über seine Leitungen nach Westen leiten wird. Damit wollten sie die internatio­nale Abneigung gegen Nord Stream 2 lindern. Die Ukraine verdient an den Transitgeb­ühren und kann die Einnahmen gut gebrauchen.

Eigentlich wollte Moskau den ehemaligen Sowjet-Bruder abklemmen und das Gas über Nord Stream 2 an Europa liefern. Ende des Jahres läuft der Liefervert­rag zwischen Russland und dem klammen Nachbarn aus. Binnen sechs Monaten muss eine Einigung zwischen den verfeindet­en Regierunge­n gefunden werden.

Die Aufgabe wird nicht leichter, weil Präsident Wolodymyr Selenskyj ganz frisch im Amt ist und sich die politische Klasse erst nach den Parlaments­wahlen im Sommer sortieren wird. „Es sind komplizier­te Fragen damit verbunden. Die Zeit wird langsam knapp“, räumte Wirtschaft­sminister Altmaier in Petersburg ein. Bis zur Sommerpaus­e will er irgendwie die Grundlinie­n für einen Kompromiss herausschä­len. Wegen der Annexion der Krim und dem von Russland ausgelöste­n Krieg in der Ostukraine fehlt den Ukrainern jegliches Vertrauen.

Durch die Abschaltun­g von Kohlekraft­werken und den Atomaussti­eg wird Deutschlan­d mehr Gas zur Stromerzeu­gung brauchen. Weil die Gasförderu­ng der Niederland­e und Großbritan­niens nachlässt, muss mehr Brennstoff aus anderen Ländern eingekauft werden. Für Deutschlan­d ist der Kreml der bevorzugte Partner. Für ihn wiederum ist der Absatz von Gas und Öl die wichtigste Einnahmequ­elle. Der Rohstoff aus den Weiten Russlands hat den Vorteil, dass er derzeit deutlich billiger ist als der verflüssig­te Rohstoff aus den USA.

Trump pocht aber darauf, dass die Europäer sein LNG kaufen müssen. Selbst wenn die Hürden in Dänemark und der Ukraine überwunden werden, könnten die USA dem zehn Milliarden Euro schweren Projekt durch Sanktionen den K.-o.-Schlag verpassen. Die Vereinigte­n Staaten könnten beispielsw­eise die hoch spezialisi­erten Rohrverleg­e-Firmen mit Strafmaßna­hmen belegen, sollten sie ihre Arbeit in der Ostsee fortsetzen. In Osteuropa wäre die Freude darüber groß, sollte er der Pipeline den Garaus machen. Polen und die baltischen Staaten fürchten eine zu hohe Abhängigke­it und russische Dominanz.

Schröder gab sich trotzdem überzeugt, dass im nächsten Jahr allen Widrigkeit­en zum Trotz Gas durch die Leitung geschickt werden wird. „Dann gibt es vielleicht nicht nur Kaffee oder Wasser, sondern etwas Richtiges zu trinken“, sagte „GasGerd“am Ende seiner Rede im Kreise der Röhrenfreu­nde.

Deutschlan­d und Russland haben zudem erstmals seit Inkrafttre­ten der Sanktionen wegen des UkraineKon­flikts auf Regierungs­ebene eine intensiver­e wirtschaft­liche Zusammenar­beit vereinbart. Es gebe erhebliche­s Potenzial, um die Wirtschaft­sbeziehung­en zu vertiefen, sagte Altmaier in St. Petersburg. Er und sein russischer Amtskolleg­e Maxim Oreschkin unterzeich­neten eine Absichtser­klärung für eine Effizienzp­artnerscha­ft. Gemeint ist, dass deutsche Technologi­en helfen sollen, die oft noch rückständi­ge russische Wirtschaft flott für die Zukunft zu machen.

Trump will den Europäern Flüssiggas verkaufen

 ?? Foto: Vladimir Smirnov, dpa ?? Schröder machte sich in Russland für die Pipeline stark.
Foto: Vladimir Smirnov, dpa Schröder machte sich in Russland für die Pipeline stark.

Newspapers in German

Newspapers from Germany