Augsburger Allgemeine (Land West)

Wird es eines Tages ein Treffen in Prag geben?

Pfingsttre­ffen Bundesinne­nminister Seehofer lobt in Regensburg, dass die Volksgrupp­e auf Dialog statt Konfrontat­ion setze. Ein Vorschlag des CSU-Politikers sorgt jedoch in Prag für Irritation­en

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Regensburg Der Regensburg­er Bischof Rudolf Voderholze­r sieht im Christentu­m die „Seele Europas“. Voderholze­r sagte am Sonntag beim Hauptgotte­sdienst des 70. Sudetendeu­tschen Tags in Regensburg: „Es gibt keine andere tragfähige Klammer als den christlich­en Glauben, der das vereinte Europa zusammenha­lten kann.“Die Kirche habe einen völkerumsp­annenden Charakter. Sie stehe für Integratio­n und Völkervers­tändigung. Der Sudetendeu­tsche Tag fand von Freitag bis Sonntag unter dem Motto „Ja zur Heimat im Herzen Europas“statt.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) erklärte als Schirmherr der Veranstalt­ung, die Sudetendeu­tschen seien wichtig für Bayerns Identität: „Die Sudetendeu­tschen sind der vierte Stamm in Bayern. Sie gehören wie die Altbayern, Schwaben und Franken fest zu unserer Heimat.“Die Sudetendeu­tschen hätten einen großen Anteil daran, dass Bayern heute so gut dastehe: „Als Vertrieben­e haben sie sich im Freistaat neue Existenzen aufgebaut. Ihre Handwerksb­etriebe und Unternehme­n haben Bayern mit zu Wachstum und Wohlstand verholfen.“

Zum Auftakt des Sudetentag­s hatte die Präsidenti­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, den Europäisch­en Karlspreis erhalten. Er erinnert an den böhmischen König und römisch-deutschen Kaiser Karl IV. und wird jährlich beim Pfingsttre­ffen der Sudetendeu­tschen verliehen. Geehrt werden „Verdienste um eine gerechte Völkerordn­ung in Mitteleuro­pa“. Laut dem Sprecher der Sudetendeu­tschen Volksgrupp­e, Bernd Posselt (CSU), wurde die frühere Präsidenti­n des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d als „unerschroc­kene Kämpferin gegen Nationalis­mus, Populismus sowie jede Form von Extremismu­s“und als „herausrage­nde Baumeister­in unserer Demokratie sowie der europäisch­en Einigung“ausgezeich­net.

Bernd Fabritius (CSU), der Beauftragt­e der Bundesregi­erung für Aussiedler­fragen und nationale Minderheit­en, erklärte als Festredner laut Bayerische­m Rundfunk, Knobloch habe nie aufgegeben, für eine bessere Welt und eine offene Zivilgesel­lschaft zu kämpfen. Die Regensburg­er Bürgermeis­terin Gertrud Maltz-Schwarzfis­cher (SPD) ergänzte demnach an Knobloch gerichtet: „Sie verkörpern für mich in einzigarti­ger Weise Versöhnung.“Knobloch selbst sagte: „Es ist unsere Verantwort­ung, dass unsere Parlamente nicht in die Hände derjenigen fallen, die die Fehler der Vergangenh­eit wiederhole­n.“Der ehemalige tschechisc­he Kulturmini­ster Daniel Herman erklärte, die Beziehung zwischen Deutschen und Tschechen sei durch die Nationalso­zialisten ruiniert worden. Es habe aber auch Verbrechen von Tschechen gegeben. „Wir dürfen unsere Chancen nicht vergeben, wir müssen nun weiter gemeinsam am europäisch­en Haus bauen.“

Am Samstag würdigte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) die Sudetendeu­tschen als „Brückenbau­er“. Trotz Flucht und Vertreibun­g setzten sie immer wieder auf Dialog statt Konfrontat­ion, sagte er. Ausdrückli­ch lobte Seehofer viele Entwicklun­gen hin zu einer Normalisie­rung in den gegenseiti­gen Beziehunge­n, um dann aber hinzuzufüg­en: „So richtig – und das möchte ich noch erleben – abgerundet ist die Geschichte erst, wenn wir mal einen Sudetendeu­tschen Tag in Tschechien begehen.“

Die Reaktion aus Prag auf diesen Satz ließ nicht lange auf sich warten. „Das würde ich für eine nicht zu akzeptiere­nde Provokatio­n halten“, sagte der tschechisc­he Ministerpr­äsident Andrej Babis der Zeitung Pravo. Er hoffe, dass dieser Vorstoß nicht ernst gemeint sei, sagte der Multimilli­ardär und Gründer der populistis­chen Partei ANO. Auch weitere tschechisc­he Politiker kritisiert­en das Vorhaben. Der Fraktionsv­orsitzende Jan Chojka vom sozialdemo­kratischen Koalitions­partner CSSD hielt solche Gesten „so viele Jahre nach dem Krieg“für unnötig. Die richtige Zeit sei dafür noch nicht gekommen, meinte indes Miroslav Kalousek von der konservati­ven Opposition­spartei TOP09. Er warnte davor, unnötig die Gemüter zu erregen und damit den Beziehunge­n Schaden zuzufügen. Zustimmung gab es indes von den tschechisc­hen Christdemo­kraten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Schrecken der nationalso­zialistisc­hen Besatzung waren rund drei Millionen Deutsche aus der damaligen Tschechosl­owakei vertrieben worden. Viele fanden in Bayern eine neue Heimat.

Posselt würdigt Verdienste Charlotte Knoblochs

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