Augsburger Allgemeine (Land West)

„AKK“legt nach

Regeln für Umgang in sozialen Netzwerken

- VON SIMON KAMINSKI

Berlin Die CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat ihre Forderung nach Regeln für den Umgang in sozialen Netzwerken konkretisi­ert. „Ich bin für Meinungsfr­eiheit. Aber ich möchte über den Umgang miteinande­r im Netz reden“, sagte sie der Bild am Sonntag mit dem Hinweis auf Hass und Häme im Internet. Ein „dramatisch­es Beispiel“sei für sie der Mord am hessischen Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke (CDU). Sie sei fassungslo­s, dass dessen Familie jetzt nicht nur damit leben müsse, dass der Ehemann und Vater ermordet wurde, sondern auch damit, „dass dieser Tod im Netz mit Hass, Häme und unverhohle­ner Freude kommentier­t wird“.

Dies sei „ein Anschlag auf die Grundregel­n des Zusammenle­bens“, sagte die CDU-Vorsitzend­e: „Das kann uns doch nicht kalt lassen. Wir müssen darüber reden, ob im Netz alles erlaubt sein darf. Oder ob wir nicht eine strengere Netiquette brauchen. Ich möchte wissen, wer hinter solchen Kommentare­n steckt.“

Widerspruc­h erntete die Politikeri­n von dem Politikwis­senschaftl­er und Internet-Experten Thorsten Benner. „Kramp-Karrenbaue­r will darüber reden, ob im Netz alles erlaubt sein darf. Das ist Unsinn, weil Gesetze online wie offline gleich gelten“, sagte Benner, der Mitbegründ­er und Direktor des Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin ist, un- serer Redaktion. Für ihn stelle sich nur die Frage, wie der Staat intelligen­t für die Durchsetzu­ng der Gesetze online sorgen kann. Da solle die CDU-Chefin Vorschläge auf den Tisch legen, die über die „unselige Logik des von CDU/CSU und SPD verabschie­deten Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetzes hinausgehe­n“würden. „Es gilt darum, rechtsstaa­tliche Kapazitäte­n zu stärken und nicht Verantwort­ung für schwierige rechtliche Abwägungse­ntscheidun­gen an Unternehme­n wie Facebook und Google zu übertragen.“

Auch die von Kramp-Karrenbaue­r und zuvor von ihrem Parteikoll­egen Wolfgang Schäuble ins Spiel gebrachte Forderung, die Anonymität im Netz zu überdenken, ist für Benner nicht stichhalti­g. Der Politologe moniert, dass sich die Kritiker nicht mit „der geltenden Rechtsauff­assung auseinande­rgesetzt“hätten. So habe der Bundesgeri­chtshof 2009 geurteilt, dass die „anonyme Nutzung dem Internet immanent“sei. „Eine allgemeine Klarnamenp­flicht würde also in Karlsruhe kaum Bestand haben.“Zudem sei es schon jetzt möglich, die Autoren von „strafrecht­lich relevanten Äußerungen in Kooperatio­n mit den Anbietern ausfindig zu machen“. Es gelte viel eher, die Fähigkeit der Behörden, diese Tatbeständ­e auch zu verfolgen, zu stärken.

Kramp-Karrenbaue­r räumte jetzt ein, auf das Anti-CDU-Video von Rezo falsch reagiert zu haben. Der größte Fehler sei gewesen, vier Tage für eine Reaktion auf den Clip zu brauchen. Nach der Veröffentl­ichung des Rezo-Videos „Die Zerstörung der CDU“hatte Kramp-Karrenbaue­r Regeln für „Meinungsma­che“von Social-Media-Akteuren gefordert. Daraufhin wurde ihr vorgeworfe­n, die Meinungsfr­eiheit einschränk­en zu wollen.

Für Thorsten Brunner gehen diese Vorwürfe „zu weit“. Allerdings müsse sich die CDU-Chefin den Vorwurf gefallen lassen, durch „ungelenke Formulieru­ngen für solche Interpreta­tionen Tor und Tür geöffnet zu haben“.

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