Augsburger Allgemeine (Land West)
„AKK“legt nach
Regeln für Umgang in sozialen Netzwerken
Berlin Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat ihre Forderung nach Regeln für den Umgang in sozialen Netzwerken konkretisiert. „Ich bin für Meinungsfreiheit. Aber ich möchte über den Umgang miteinander im Netz reden“, sagte sie der Bild am Sonntag mit dem Hinweis auf Hass und Häme im Internet. Ein „dramatisches Beispiel“sei für sie der Mord am hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU). Sie sei fassungslos, dass dessen Familie jetzt nicht nur damit leben müsse, dass der Ehemann und Vater ermordet wurde, sondern auch damit, „dass dieser Tod im Netz mit Hass, Häme und unverhohlener Freude kommentiert wird“.
Dies sei „ein Anschlag auf die Grundregeln des Zusammenlebens“, sagte die CDU-Vorsitzende: „Das kann uns doch nicht kalt lassen. Wir müssen darüber reden, ob im Netz alles erlaubt sein darf. Oder ob wir nicht eine strengere Netiquette brauchen. Ich möchte wissen, wer hinter solchen Kommentaren steckt.“
Widerspruch erntete die Politikerin von dem Politikwissenschaftler und Internet-Experten Thorsten Benner. „Kramp-Karrenbauer will darüber reden, ob im Netz alles erlaubt sein darf. Das ist Unsinn, weil Gesetze online wie offline gleich gelten“, sagte Benner, der Mitbegründer und Direktor des Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin ist, un- serer Redaktion. Für ihn stelle sich nur die Frage, wie der Staat intelligent für die Durchsetzung der Gesetze online sorgen kann. Da solle die CDU-Chefin Vorschläge auf den Tisch legen, die über die „unselige Logik des von CDU/CSU und SPD verabschiedeten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes hinausgehen“würden. „Es gilt darum, rechtsstaatliche Kapazitäten zu stärken und nicht Verantwortung für schwierige rechtliche Abwägungsentscheidungen an Unternehmen wie Facebook und Google zu übertragen.“
Auch die von Kramp-Karrenbauer und zuvor von ihrem Parteikollegen Wolfgang Schäuble ins Spiel gebrachte Forderung, die Anonymität im Netz zu überdenken, ist für Benner nicht stichhaltig. Der Politologe moniert, dass sich die Kritiker nicht mit „der geltenden Rechtsauffassung auseinandergesetzt“hätten. So habe der Bundesgerichtshof 2009 geurteilt, dass die „anonyme Nutzung dem Internet immanent“sei. „Eine allgemeine Klarnamenpflicht würde also in Karlsruhe kaum Bestand haben.“Zudem sei es schon jetzt möglich, die Autoren von „strafrechtlich relevanten Äußerungen in Kooperation mit den Anbietern ausfindig zu machen“. Es gelte viel eher, die Fähigkeit der Behörden, diese Tatbestände auch zu verfolgen, zu stärken.
Kramp-Karrenbauer räumte jetzt ein, auf das Anti-CDU-Video von Rezo falsch reagiert zu haben. Der größte Fehler sei gewesen, vier Tage für eine Reaktion auf den Clip zu brauchen. Nach der Veröffentlichung des Rezo-Videos „Die Zerstörung der CDU“hatte Kramp-Karrenbauer Regeln für „Meinungsmache“von Social-Media-Akteuren gefordert. Daraufhin wurde ihr vorgeworfen, die Meinungsfreiheit einschränken zu wollen.
Für Thorsten Brunner gehen diese Vorwürfe „zu weit“. Allerdings müsse sich die CDU-Chefin den Vorwurf gefallen lassen, durch „ungelenke Formulierungen für solche Interpretationen Tor und Tür geöffnet zu haben“.