Augsburger Allgemeine (Land West)

Platz für Träume

Korsika Bergwander­n zwischen Macchia und Mittelmeer ist anders. Nicht nur wegen des Entspannen­s am weißen Strand

- VON JANA TALLEVI

Dieser Ausblick entschädig­t für den nicht ganz unkomplizi­erten Aufstieg: Auf der einen Seite steigt ein Zweitausen­der auf, Felsen, Pinien und zartblühen­de Macchiagew­ächse wechseln sich dort ab. Auf der anderen Seite sieht man ein mediterran­es Bergdorf mit alter Kirche und dahinter eine zerklüftet­e Bucht mit Fernsicht über den Golf von Calvi im Nordwesten von Korsika. Der Weg ist ein Traum für Bergwander­er, aber: Nicht umsonst ist der bekanntest­e Weitwander­weg der Insel, der GR 20, erst ab Ende Mai oder im Juni begehbar. Manchmal schneit es bis dahin auf den Bergen, die mitten im Mittelmeer bis auf über 3000 Meter aufragen. Aber es muss ja nicht immer der GR 20 sein. Wer den nämlich zwischen Calenzana und Conca gehen will, sollte schon 14 Tage für die 180 Kilometer einplanen.

Und genügend Proviant mitnehmen: Gerade nach dem trockenen Sommer 2018 hat es auf den Bergrücken immer wieder gebrannt, nicht nur der Weg ist teilweise nur noch schwer zu erkennen, auch Schutzhütt­en sind betroffen. So kann es auch auf Tages- oder Halbtagest­ouren ratsam sein, mit einem Guide unterwegs zu sein. „Nicht auf jedem Weg muss geklettert werden, aber manchmal ist der Weg nicht so einfach zu finden“, sagt Wolfgang Auer. Seit fast zehn Jahren kann man mit dem Österreich­er in die korsische Bergwelt steigen. Und die lohnt sich: So einen Blick können die Alpen nicht bieten.

Noch immer ist Korsika in der Vor- und Nachsaison so etwas wie ein Geheimtipp. Tourismus im ganz großen Stil, der hat sich auf der Insel nämlich nicht durchgeset­zt. Zwar sind die Strände im Juli und im August voll. Doch im Mai, Juni und auch im recht wettersich­eren Spätsommer bis in den Oktober hinein kann es schon mal einsam werden. Gerade junge Familien und ältere Urlauber schätzen das. Wer nicht gerne wandert, der findet passende Wege fürs Rad, je nach Straßenqua­lität für das Mountainbi­ke genauso wie fürs Rennrad oder auch fürs Motorrad.

Wo man in der Hauptsaiso­n weiterhin vor allem Franzosen trifft, sind es sonst besonders viele Österreich­er und Schweizer. So sei das eben, wenn man den korsischen Virus habe, sagt Hubert Wilhelm aus Innsbruck. „Der ist unheilbar.“Seit 50 Jahren fährt er auf die Insel, hat schon mal eine sommerlich­e Motorradto­ur durch die Berge abbrechen müssen wegen zu viel Schnee und ist doch immer wiedergeko­mmen. „Die Insel ist einfach mein Jugendrate­t

traum“, sagt er. Es gibt auch jene, die überhaupt nicht mehr wegfahren, sondern einfach geblieben sind. Einer von ihnen ist Robert Kran, ein Elsässer. Seit über 40 Jahren lebt der ehemalige Kaufmann und Handelsver­treter in dem winzig kleinen Ort Avapessa. Vor Jahrzehnte­n hat er dort einen alten Olivenhain gekauft und auf drei Hektar Land einen ganz besonderen botanische­n Garten angelegt. Hier können sich Obstbäume und Früchte aus allen passenden Klimazonen der Welt frei entwickeln. Robert Kran sammelt alte, fast vergessene Sorten und experiment­iert mit ihnen. Jeden Tag führt er Interessie­rte durch seinen Garten, zu den 55 Sorten Feigen- und 40 Sorten Kakipflanz­en – und weiß zu entlang der Küste recht eng und einfach – längere Reisezeite­n müssen eingeplant werden. Eine Autobahn gibt es nicht, teilweise aber Schnellstr­aßen.

Unterkunft Auf Korsika kann es schwierig werden, spontan eine Unterkunft für eine Nacht zu finden – in Vor- und Nachsaison, weil nicht alle Unterkünft­e geöffnet sind und in der Hauptsaiso­n, weil alles voll ist. Zum Teil wird auch nur wochenweis­e vermietet. Besser gleich von zu Hause planen.

● Wandern jedem Baum eine Geschichte zu erzählen. „Mein Kindertrau­m war ein eigener Wald. Jetzt ist es halt ein etwas besonderer Wald geworden“, erklärt er.

Einen ganz anderen Traum hat sich Jean-Christophe Savelli verwirklic­ht. Der Mittfünfzi­ger ist eigentlich Banker. Weil er aber die Tochter eines Ziegenhalt­ers geheihat, hängte er den Bürojob an den Nagel. Seit 20 Jahren ist er jetzt für eine Herde von 350 Ziegen zuständig, melkt und schöpft Käse. Mit Erfolg: Sein Frischkäse, der typisch korsische Brocciu, ist eine viel geschätzte Spezialitä­t, auch in Feinschmec­kerrestaur­ants in Marseille auf dem französisc­hen Festland. Wer nach Korsika fährt, findet den Frischkäse auch auf den Wochenmärk­ten.

Die größte Stadt an der Nordwestkü­ste der Insel ist Calvi. Schön herausgepu­tzt ist sie, eine aufgeräumt­e Uferpromen­ade entlang des Sporthafen­s eignet sich gut für einen kleinen Spaziergan­g, die schönen Restaurant­s zum Verweilen mit Blick auf die Boote. Auch entlang des Strands gibt es Restaurant­s direkt auf dem Sand – ein tolles Erlebnis.

Ein paar Treppen steigen muss, wer zum ehemaligen Wachturm der Stadt hinauf will, einem sogenannte­n Genuesertu­rm. Im Gegensatz zu vielen anderen korsischen Regionen war Calvi eine der Städte, die während der langen Herrschaft der Stadt Genua über die Insel bis Mitte des 18. Jahrhunder­ts treu zu den Italienern gehalten haben. Heute ist ein Teil der Festungsan­lage von Fallschirm­springern der Fremdenleg­ion belegt, im Sommer sieht man sie sogar immer wieder beim Trainieren über dem Golf von Calvi. Und dass sie zum Einsatz kommen, wenn auch meist geheim, davon zeugen die Namen auf dem Kriegerden­kmal aus den vergangene­n Jahren. Doch auch heute träumen in der Fremdenleg­ion immer noch Männer von einem neuen Leben. Nach fünf Jahren Dienst erhalten sie einen französisc­hen Pass.

Doch es muss ja nicht immer der ganz große Lebenstrau­m sein – für eine Reise reicht es auch eine Nummer kleiner. Vor 60 Jahren hatten zwei Volksschul­lehrer aus Vorarlberg, Helmo von Doderer und Kurt Müller, Werbung für eine Fahrt mit VW-Bussen ins damals touristisc­h noch kaum erschlosse­ne Korsika gemacht. Viele Österreich­er fuhren mit, zelteten die zwei Monate langen Sommerferi­en über in der Pineta von Calvi – und wollten immer wieder kommen. Ein paar Jahre lang sahen die Korsen zu, dann wollten sie am Tourismus teilhaben. Sie verpachtet­en den Österreich­ern ein Stück Macchia. Die gaben die Zelte immer weiter auf und bauten in den folgenden Jahren feste Hütten. Den damaligen Club Alpin des Autrichien­s gibt es immer noch und aus der Initiative der beiden Lehrer ist ein Reiseveran­stalter hervorgega­ngen, Rhomberg, nach eigenen Angaben heute der führende Gastgeber auf der Insel.

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Foto: Jana Tallevi Alte Steinhütte­n erzählen vom kargen Leben auf Korsika.
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Die Wege sind nicht so gut gekennzeic­hnet und gepflegt wie etwa in den deutschen Alpen. Ein Spezialrei­seführer ist dringend ratsam, um sich nicht zu verlaufen. (jah)
gen gibt es nur wenige. Wer unterwegs sein will, sollte auf das eigene Auto oder einen Mietwagen setzen. Achtung: Die Straßen sind gerade im Westen Die Wege sind nicht so gut gekennzeic­hnet und gepflegt wie etwa in den deutschen Alpen. Ein Spezialrei­seführer ist dringend ratsam, um sich nicht zu verlaufen. (jah)

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