Augsburger Allgemeine (Land West)
Mehr als nur schön anzusehen
Serie Duftende Heilpflanze, Gourmetgemüse und Lieblinge der Fledermäuse – die Nachtkerze
Landkreis Augsburg Von den einen wird sie geschätzt, andere halten sie für Unkraut: die Nachtkerze. Von Juni bis August kann man die Oenothera biennis, wie sie im Fachbegriff heißt, wunderbar aussäen, sich aber erst im zweiten Jahr auf ihre Blüten freuen.
Ihre großen leuchtend gelben Blüten duften, wenn sie sich bei Abenddämmerung urplötzlich aufklappen. Die Nachtkerze hält den mitteleuropäischen Rekord im Blütenöffnen. Normalerweise kennen wir das aus Zeitrafferaufnahmen, wie sich Blüten öffnen, bei der Nachtkerze kann man selbst zusehen. Es ist ein wahres Naturschauspiel, und wenn der Mond hell scheint, reflektieren die Blüten das Mondlicht so stark, dass man leicht versteht, warum diese Pflanze Nachtkerze heißt. Der süße, intensive Duft lockt viele Falter und Fledermäuse an. Daher wird sie von Naturschutzverbänden für fledermausfreundliche Gärten empfohlen.
In Apothekergärten ist sie heute ebenso anzutreffen wie im Gemüsegarten und Duftgarten. Schon bei den Indianern galt sie als Heilpflanze. Bei uns wurde sie Anfang des 17. Jahrhunderts zuerst nur wegen ihres Aussehens als Zierpflanze von Nordamerika mit nach Europa gebracht.
Aber schnell wurde entdeckt, wie nützlich sie ist. Man sagte früher, dass ein Pfund Nachtkerzenwurzel so viel Kraft gibt wie ein Zentner Ochsenfleisch. Vielleicht wird sie deshalb auch Schinkenwurz genannt. Denn ihre Pfahlwurzel ist fleischig, und man kann sie wie Schwarzwurzeln kochen. Im Geschmack kommen sie diesen sehr nahe. Selbst Goethe legte seiner Frau in einem Brief Nachtkerzensamen bei, damit diese sie anpflanzte. Seinerzeit galt die Rapontika sogar als echtes Gourmet-Gemüse. Man muss sich allerdings entscheiden, ob man sie lieber als Gemüse haben möchte oder als Blumen. Denn wenn sie im zweiten Jahr blüht, ist mit der Wurzel nichts mehr anzufangen. Man sagt der Nachtkerze außerdem heilende Wirkung bei Bluthochdruck und bei Beschwerden in den Wechseljahren nach. Sie soll blutreinigend, entzündungshemmend und beruhigend wirken.
Weitere Namen der Pflanze sind: Abendlicht, Nachtrose oder gelber Nachtschatten. Einmal im Garten vermehrt sie sich von selbst. Kein Wunder, denn ein Haupttrieb hat bis zu 120 Blüten. Sie ist anspruchslos und liebt die Sonne. Bei idealem Standort wird sie sogar bis zu zwei Meter hoch. Der Boden sollte mager und mit etwas Sand vermischt sein. Bei Ansaat in etwa zwei Zentimeter tiefen Furchen die Samen mit frischer Erde locker bedecken und gut feucht halten. Die Nachtrose gilt als winterhart, mag es im Winter aber nicht feucht.
Wer die Rapontika einfach nur der Blüten wegen im Garten hat, kann die Samen auch den Vögeln überlassen, denn die wissen die Leckerbissen auch zu schätzen.