Augsburger Allgemeine (Land West)
Professioneller Dreh
Kaufberatung Wer beim Filmen nicht nur an ein kurzes Video denkt, kommt selbst im Smartphone-Zeitalter nicht an einem „richtigen“Camcorder vorbei. Was aktuelle Geräte zu bieten haben und worauf Käufer unbedingt achten sollten
Camcorder als Nachfolger von Super-8und analogen Videokameras scheinen vom Aussterben bedroht. Smartphones bieten immer bessere Kamera-Funktionen und das schließt immer häufiger die Möglichkeit ein, Videos in 4K-Auflösung aufzunehmen.
Die geringe Größe des Objektivs und der kleine Aufnahmechip von Smartphones liefern allerdings meist keine befriedigenden Ergebnisse. Spätestens auf einem großen Bildschirm zeigen sich Schwächen wie verwackelte Aufnahmen oder ein erhöhtes Bildrauschen.
Andererseits nutzen selbst Profis immer häufiger digitale Spiegelreflexkameras zum Filmen. Das hat den Vorteil, das Objektiv wechseln zu können – was der Kreativität dann kaum noch Grenzen setzt, aber letztlich eine recht teure Variante ist. Camcorder haben daher auch im Jahr 2019 ihre Daseinsberechtigung – nämlich immer dann, wenn wirklich das Filmen im Mittelpunkt steht. Allerdings: Auf einige Ausstattungsmerkmale sollten Anwender achten, damit am Ende ein (semi-)professionelles Ergebnis steht.
Das Objektiv
Ein ganz entscheidender Punkt ist das Objektiv. Dessen Qualität entscheidet darüber, ob ein Camcorder wirklich bessere Aufnahmen als ein Smartphone liefert und ob er mit einer Spiegelreflexkamera mit Wechselobjektiven mithalten kann.
Dazu sollte das Objektiv möglichst groß sein und einen Durchmesser von mindestens 40 Millimetern haben. Je größer der Wert, desto größer der Lichteinfall – und der ist einer der Schlüssel zum besseren Videobild. Der zweite wichtige Wert beim Objektiv ist die größtmögliche Blende. Auch sie entscheidet mit darüber, wie viel Licht eindringen kann. Hier allerdings gilt: je kleiner der Wert, desto größer die Blende. 1,8 ist also besser als 4,5.
Und schließlich ist der Zoombereich sehr wichtig. Je größer, umso besser – denn am Ende setzt der Zoom der eigenen Kreativität allzu oft Grenzen. Meist geben die Hersteller nur Werte wie „40-fach“oder „20-fach“an. Hier gilt: je größer die Zahl, umso größer der Zoombereich, umso besser. Allerdings ist Vorsicht geboten! Es muss sich um einen „optischen Zoom“handeln. Nur dann ist eine optimale Bildqualität gewährleistet. Oft werben Hersteller mit einem „100-fach digitalen Zoom“. Hier arbeitet der Camcorder mit einem digital vergrößerten Bild, das in der Praxis meist unbrauchbar ist.
Die tatsächliche Brennweite geben leider nicht alle Hersteller an – und wenn, dann meist mit Werten im Vergleich zu einer Fotokamera. Hier sollte das Zoomobjektiv mindestens den Bereich zwischen 35 und 400 abdecken, um sowohl Weitwinkel- als auch Teleaufnahmen zu ermöglichen. Oft reicht das Zoom über 600 oder 800 hinaus. Das suggeriert, dass sich auch weit entfernte Details formatfüllend aufnehmen lassen. Beispielsweise bei Tieraufnahmen ist das ein sehr reizvoller Gedanke. Allerdings ist dann ein Stativ unbedingt erforderlich – und je nach Witterung gelingen Aufnahmen dennoch nicht. Sehr hohe Zoomwerte sind also kein wirkliches Kaufargument.
Die Auflösung
Camcorder-Aufnahmen landen am Ende meist auf einem Fernseher. Da immer mehr TV-Geräte die 4K-Auflösung mit mindestens 3840 mal 2160 Bildpunkten unterstützen, sollte auch ein neu angeschaffter Camcorder diesen Standard beherrschen. Das bedeutet, dass ein Aufnahmechip integriert sein muss, der mindestens 8,2 Millionen Bildpunkte verarbeitet.
Mancher Hersteller wirbt zwar mit einer 4K-Auflösung – die Kamera hat aber einen Aufnahmechip mit nur vier oder gar zwei Millionen Bildpunkten. Hier errechnet die Kamera zwar das höher auflösende Bild und gibt ein 4K-Video aus. Doch „echtes“4K setzt voraus, dass jeder Bildpunkt auf dem Fernseher auch wirklich einem Bildpunkt entspricht, den die Kamera aufnimmt.
Für Full-HD-Aufnahmen reicht übrigens ein Aufnahmechip mit gut zwei Millionen Bildpunkten aus, denn hier liegt die Auflösung bei 1920 mal 1080 Bildpunkten. Doch wer heute einen Camcorder anschafft, sollte zukunftssicher auf den 4K-Standard setzen.
Der Speicherplatz
War bei früheren Generationen digitaler Camcorder der interne Speicherplatz ein entscheidendes Kriterium, so fehlt dieser bei heutigen Modellen meist komplett. Stattdessen kommen SD-Cards zum Einsatz. Hier gibt es unterschiedlichste Speicherkapazitäten – wobei eine SD-Card mit 1 TByte mit rund 500 Euro teurer ist als mancher Camcorder. Eine durchaus bezahlbare SDCard mit 64 GByte Speicherkapazität bietet selbst in der bestmöglichen Qualität die Möglichkeit, rund 20 Minuten in 4K-Auflösung aufzunehmen.
Allerdings ist zu beachten, dass neben der Kapazität vor allem die Schreibgeschwindigkeit der SDCard wichtig ist. Denn: Je höher die Auflösung, desto höher auch die Datenmenge, die in kurzer Zeit anfällt. Während für einfache Videoaufnahmen in Standardqualität (SD) eine einfache Karte mit einer Geschwindigkeit von 2 MByte pro Sekunde ausreichend ist, sollten es für HDoder 4K-Aufnahmen mit bis zu 30 Bildern pro Sekunde schon Speicherkarten sein, die mindestens 10 MByte pro Sekunde speichern können und damit den Class-10-Standard erfüllen. Für 4K-Aufnahmen mit 60 oder gar 120 Bildern pro Sekunde, sollte es eine UHS-Class3-Karte sein, die mit einer Geschwindigkeit von bis zu 30 MByte pro Sekunde arbeitet.
Die Zusatz-Ausstattung
Für die Bedienung des Camcorders kann ein Touchscreen sehr sinnvoll sein. Er ermöglicht eine intuitive Auswahl bei den Einstellungen. Andernfalls kommen mehr oder weniger kleine Tasten zum Einsatz.
Auf dem Berührbildschirm erfolgt auch die Darstellung des Kontrollbildes während der Aufnahme. Ein zusätzlicher Sucher kann insbesondere bei starkem Sonnenlicht sehr sinnvoll sein, fehlt aber bei vielen Modellen.
Immer häufiger steckt dafür ein WLAN-Modul im Camcorder. Es ermöglicht die schnurlose Übertragung des Videos an einen Computer oder ein Smartphone. Gelegentlich gibt es auch Modelle, die NFC (Near Field Communication) unterstützen. Hier reicht das Annähern eines ebenfalls mit NFC ausgestatteten Gerätes und die Übertragung kann ohne weitere Einstellungen erfolgen. WLAN und NFC sind zwar komfortabel, aber kein Muss. Viele Anwender setzen ohnehin auf die gute, alte Verkabelung.