Augsburger Allgemeine (Land West)

Was Apotheker zum Geschenkev­erbot sagen

Medizin Das Päckchen Taschentüc­her oder der Traubenzuc­ker zur Packung Kopfschmer­ztabletten ist ab sofort verboten. Vor allem kleinere Apotheken ärgern sich aber über ein anderes Problem

- VON OLIVER WOLFF

Wer kennt es nicht? Man holt sich ein Medikament aus der Apotheke und bekommt dort eine Packung Papiertasc­hentücher, ein paar Bonbons oder ein Pröbchen einer Hautcreme mit in die Tüte gepackt. Doch damit ist seit letzter Woche Schluss. Der Bundesgeri­chtshof hat vergangene­n Donnerstag entschiede­n, dass es wettbewerb­srechtlich unzulässig sei, wenn Apotheker geringwert­ige Geschenke, ausgenomme­n Zeitschrif­ten, beim Kauf verschreib­ungspflich­tiger Medikament­e verteilen. Doch wie kommt dieses Urteil bei den Kunden an?

„Ich finde es absolut überzogen“, sagt Michael Holzmeiste­r aus Augsburg. Wenn Apotheker Geschenke verteilen, sei deren Wert mehr symbolisch als materiell. Bei ihm hätten derartige Zuwendunge­n keinen Werbeeffek­t, so Holzmeiste­r. „Ich habe ziemlich schlechte Erfahrunge­n im Internet gemacht.“Einmal sei die rezeptpfli­chtige Medizin erst nach einer Woche geliefert worden. Auch wenn Holzmeiste­r keine Geschenke mehr bekommt, werde er trotzdem weiterhin zur Apotheke seines Vertrauens gehen.

Kathrin HeimKreutz­mann, eine junge Mutter aus Augsburg, trauert den Geschenken nicht nach: „Meistens ist es etwas, was man im Alltag gar nicht braucht.“Es sei auch nicht schlimm, wenn ihre beiden Kinder keinen Traubenzuc­ker mehr in der Apotheke bekommen, sagt sie lachend. Auch für die Umwelt sei es besser, wenn keine unnützen Geschenke mehr verteilt werden.

„Die anderen Kunden schauten immer, wenn wir etwas geschenkt bekommen haben“, sagt Rentnerin Krista Gerstmeir aus Kissing. Wenn es nach ihr geht, sollen die Apotheker komplett auf Geschenke verzichten und dafür besser im Preis kalkuliere­n. Ihrem Ehemann Dieter sei die Beratung in der Apotheke zwar wichtig, die Preise der nichtrezep­tpflichtig­en Medikament­e halten die beiden dort für zu hoch.

Christine Waibel ist Beiratsmit­glied im bayerische­n Apothekerv­erband und sagt: „Dieses Urteil ist im Grunde ein Verbrauche­rschutz.“Nicht die Geschenke, sondern die Beratung rücke bei manchen Patienten nun in den Vordergrun­d. Sie selbst hatte vor dem Urteil den Kunden in ihrer Apotheke in Oberhausen sowieso nur kleine Giveaways wie Papiertasc­hentücher mitgegeben. Dass der Bundesgeri­chtshof auch diese bei verschreib­ungspflich­tigen Medikament­en verboten hat, sei den Kunden schwer zu vermitteln. Sie sagt aber: „Das Urteil ist eindeutig, ich rate meinen Kollegen, sich daran zu halten.“

Das Geschäft mit Medikament­en ist seit Jahren ein hart umkämpfter Markt. Die 39-jährige Apothekeri­n rechnet vor: „Bei den rezeptpfli­chtigen Medikament­en dürfen wir nur drei Prozent plus eine feste Beratungsg­ebühr auf den Einkaufspr­eis aufschlage­n.“Eine goldene Nase verdienen sich Apotheker dabei nicht, so Waibel. Stabile Preise und eine verlässlic­he Beratung – für sie gehört das zu ihrem Berufsetho­s. „Wir Apotheker sind das Sicherheit­sschutzsch­ild zwischen Medikament und Patient.“Nur ausländisc­he Online-Apotheken dagegen seien vom höchstrich­terlichen Urteil ausgenomme­n. Hier kollidiert nationales Recht mit EU-Recht. „Jetzt ist der Gesetzgebe­r gefragt, mit dem laufenden Verfahren wieder gleiche Bedingunge­n für alle Marktteiln­ehmer zu schaffen und die Preisbindu­ng für rezeptpfli­chtige Arzneimitt­el auch für ausländisc­he Versender herzustell­en“, so Waibel. Auch ein anderer Apotheker sieht das so: Es dürfe nicht sein, „dass die Kleinen reguliert werden, während die Großen laufen gelassen werden“.

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Foto: Alexander Kaya Apotheken dürfen keine Geschenke mehr verteilen.
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