Augsburger Allgemeine (Land West)
Was Apotheker zum Geschenkeverbot sagen
Medizin Das Päckchen Taschentücher oder der Traubenzucker zur Packung Kopfschmerztabletten ist ab sofort verboten. Vor allem kleinere Apotheken ärgern sich aber über ein anderes Problem
Wer kennt es nicht? Man holt sich ein Medikament aus der Apotheke und bekommt dort eine Packung Papiertaschentücher, ein paar Bonbons oder ein Pröbchen einer Hautcreme mit in die Tüte gepackt. Doch damit ist seit letzter Woche Schluss. Der Bundesgerichtshof hat vergangenen Donnerstag entschieden, dass es wettbewerbsrechtlich unzulässig sei, wenn Apotheker geringwertige Geschenke, ausgenommen Zeitschriften, beim Kauf verschreibungspflichtiger Medikamente verteilen. Doch wie kommt dieses Urteil bei den Kunden an?
„Ich finde es absolut überzogen“, sagt Michael Holzmeister aus Augsburg. Wenn Apotheker Geschenke verteilen, sei deren Wert mehr symbolisch als materiell. Bei ihm hätten derartige Zuwendungen keinen Werbeeffekt, so Holzmeister. „Ich habe ziemlich schlechte Erfahrungen im Internet gemacht.“Einmal sei die rezeptpflichtige Medizin erst nach einer Woche geliefert worden. Auch wenn Holzmeister keine Geschenke mehr bekommt, werde er trotzdem weiterhin zur Apotheke seines Vertrauens gehen.
Kathrin HeimKreutzmann, eine junge Mutter aus Augsburg, trauert den Geschenken nicht nach: „Meistens ist es etwas, was man im Alltag gar nicht braucht.“Es sei auch nicht schlimm, wenn ihre beiden Kinder keinen Traubenzucker mehr in der Apotheke bekommen, sagt sie lachend. Auch für die Umwelt sei es besser, wenn keine unnützen Geschenke mehr verteilt werden.
„Die anderen Kunden schauten immer, wenn wir etwas geschenkt bekommen haben“, sagt Rentnerin Krista Gerstmeir aus Kissing. Wenn es nach ihr geht, sollen die Apotheker komplett auf Geschenke verzichten und dafür besser im Preis kalkulieren. Ihrem Ehemann Dieter sei die Beratung in der Apotheke zwar wichtig, die Preise der nichtrezeptpflichtigen Medikamente halten die beiden dort für zu hoch.
Christine Waibel ist Beiratsmitglied im bayerischen Apothekerverband und sagt: „Dieses Urteil ist im Grunde ein Verbraucherschutz.“Nicht die Geschenke, sondern die Beratung rücke bei manchen Patienten nun in den Vordergrund. Sie selbst hatte vor dem Urteil den Kunden in ihrer Apotheke in Oberhausen sowieso nur kleine Giveaways wie Papiertaschentücher mitgegeben. Dass der Bundesgerichtshof auch diese bei verschreibungspflichtigen Medikamenten verboten hat, sei den Kunden schwer zu vermitteln. Sie sagt aber: „Das Urteil ist eindeutig, ich rate meinen Kollegen, sich daran zu halten.“
Das Geschäft mit Medikamenten ist seit Jahren ein hart umkämpfter Markt. Die 39-jährige Apothekerin rechnet vor: „Bei den rezeptpflichtigen Medikamenten dürfen wir nur drei Prozent plus eine feste Beratungsgebühr auf den Einkaufspreis aufschlagen.“Eine goldene Nase verdienen sich Apotheker dabei nicht, so Waibel. Stabile Preise und eine verlässliche Beratung – für sie gehört das zu ihrem Berufsethos. „Wir Apotheker sind das Sicherheitsschutzschild zwischen Medikament und Patient.“Nur ausländische Online-Apotheken dagegen seien vom höchstrichterlichen Urteil ausgenommen. Hier kollidiert nationales Recht mit EU-Recht. „Jetzt ist der Gesetzgeber gefragt, mit dem laufenden Verfahren wieder gleiche Bedingungen für alle Marktteilnehmer zu schaffen und die Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel auch für ausländische Versender herzustellen“, so Waibel. Auch ein anderer Apotheker sieht das so: Es dürfe nicht sein, „dass die Kleinen reguliert werden, während die Großen laufen gelassen werden“.