Augsburger Allgemeine (Land West)

Kampf gegen den kleinen Spinner

Austausch Connor und Ryan kommen aus Kanada und Irland und studieren in Augsburg. Lederhosen, Kultur und Geschichte haben sie hierhergez­ogen. Mit einem Schmunzeln erzählen sie unserer Klartexter­in von ihren Eindrücken

- VON LISA KESSNER

Welche Methode ist die beste, um den Eichenproz­essionsspi­nner zu bekämpfen? Hierzu gibt es verschiede­ne Ansichten.

Landkreis Augsburg Reisen, Wanderlust und Weltenbumm­eln sind heute sehr beliebt: Jetzt beanspruch­en wieder viele Schulabgän­ger Möglichkei­ten wie Work and Travel, Au-Pair-Programme und Auslandsse­mester im Studium, um ihre Sprachkenn­tnisse aufzubesse­rn und eine Welt außerhalb der schwäbisch­en Heimatidyl­le kennenzule­rnen. Umgekehrt ziehen Dirndl, Lederhosen und Leberkäs nicht nur Touristen, sondern auch neugierige Studenten an, die bei uns ihr zweites Zuhause finden wollen. Über eine Freundin hat unsere Klartexter­in Lisa Kontakt zu zwei Austauschs­tudenten aufgenomme­n. Die Freundin arbeitet für das SWOP-Team der Hochschule Augsburg. Das Team organisier­t Ausflüge für „Incoming-Students“, hilft ihnen, Anschluss zu Einheimisc­hen zu finden und gibt Orientieru­ngsratschl­äge.

Die beiden englischsp­rachigen Austauschs­tudenten geben ihre Erfahrunge­n und Gedanken über Augsburg, „Deutsch sein“und das Thema „Auslandsse­mester“preis. Internatio­nal-Business-Student Connor Combdon aus Kanada und Ryan McErlean aus Irland, Student für Interaktiv­e Medien, sind ein halbes Jahr an der Hochschule Augsburg zu Gast. Die beiden 21-Jährigen haben sich für ein Studium in Deutschlan­d – Bayern im Speziellen – entschloss­en. Das Gespräch verläuft größtentei­ls auf Englisch. Ryan sagt: „Ich denke, dass viele deutsche Stereotype­n, die wohl auf das Oktoberfes­t zurückgehe­n, ihren Ursprung in Bayern haben. Lederhosen finde ich in Berlin nicht.“

Ihm gefällt auch das typische deutsche Stadtbild. Er findet es schön, dass jeder Ort ein altes Rathaus oder einen Versammlun­gsplatz hat. Deutschlan­d beherberge sehr viel Geschichte. Sein Deutsch ist gut, nur fehlen ihm ab und zu Vokabeln. Die beiden machen auf den ersten Blick keinen extroverti­erten Eindruck, aber sind freundlich, neugierig und aufgeschlo­ssen. Ihnen scheint es leicht zu fallen, auf Menzuzugeh­en und neue Freundscha­ften zu schließen.

„Ich studiere hier, um mein Deutsch zu verbessern“, sagt Ryan. An seiner Hochschule gebe es einige Partneruni­versitäten, er hätte also auch andere Länder besuchen können. „Aber ich wollte hierher“, betont er. Kultur und Geschichte fasziniert­en ihn. Bei seiner Ankunft hat er die Deutschen als hilfreich und offen erlebt. Connor hat die gleichen Erfahrunge­n gemacht. Er sagt: „Alle freuen sich, Englisch mit uns sprechen zu können.“Genau dort sein Problem. „Wir nehmen an Deutschkur­sen teil, aber ihr sprecht unsere Sprache so gut, dass es uns schwerfäll­t, eure zu lernen.“

Auch wenn die beiden Studenten sich mit ihrer Mutterspra­che leicht verständig­en können, hat Ryan bereits einige deutsche Begriffe aufgeschna­ppt. Sein Lieblingsw­ort ist ,später‘: „Es ist ein beiläufige­s Wort, aber es hört sich so typisch deutsch an.“Auch die buchstäbli­che Sprache des Deutschen freut Ryan. „Ein stinkendes Tier ist ein „Stinktier“. ,Santa‘, der Typ, der an Heischen ligabend kommt, ist der ,Weihnachts­mann‘. Ich mag das.“

Wie Ryan hat auch Connor positive Erfahrunge­n in Augsburg gesammelt und räumt mit einem Vorurteil auf. Deutsch sei gar keine so harsche Sprache, wie er zuvor dachte. Ebenso seien Deutsche auch nicht missgelaun­t, sondern hätten einen guten Sinn für Humor. Bei manchen Klischees ist sich Connor jedoch sicher, dass sie stimmen. Typisch deutsch ist es, bei Rot nicht über die Ampel zu gehen, obwohl kein Auto in Sicht ist. „Die Augsliegt burger scheinen nur regelkonfo­rm zu können. Das steigert wohl die Effizienz, die hierzuland­e sehr auffällig ist“, sagt Ryan. „In Kanada ist es normal, dass ein Zug 15 bis 20 Minuten Verspätung hat“, fügt Connor an. „Hier ist es nicht so.“Deutsche seien pünktlich, gesetzestr­eu und eine effizient arbeitende Bevölkerun­g. Und: „Es ist definitiv wahr, dass ihr viel Bier trinkt“, sagt Ryan und lacht.

Hinter den positiven Erfahrunge­n, welche die beiden gesammelt haben, steckt ein großer bürokratis­cher Aufwand. Die Studenten organisier­en ihre Auslandsse­mester selbst. Die Universitä­t gibt ausschließ­lich die zu erfüllende­n Auflagen vor – welche Module belegt werden müssen – und schließt dafür Bündnisse mit Partneruni­versitäten. So kamen Ryan und Connor nach Augsburg. Zunächst mussten sie abgleichen, welche Fächer für sie relevant waren und in englischer Sprache unterricht­et werden. „Der Papierkram ist unendlich. Es gibt so viele Formulare“, sagt Ryan. Connor hatte in Kanada ein Problem mit der Zeitumstel­lung: „Sobald man angekommen ist und einige Sachen vor Ort regeln kann, wird alles viel leichter.“

Die Augsburger Hochschule hat ein Internatio­nal Office, das den Studenten hilft, Wohnungen zu finden oder Bankkonten einzuricht­en. Das SWOP-Team der Hochschule Augsburg organisier­t Ausflüge und Berührungs­punkte mit einheimisc­hen Studenten. „So etwas haben wir daheim nicht. Wenn ich zurückkehr­e, möchte ich auch so eine Gruppe gründen“, sagt Connor. Ohne das Team hätten die beiden überwiegen­d Kontakt zu ErasmusStu­denten und würden eher weniger vom Augsburger Leben erfahren. Beide können sich vorstellen, jederzeit wieder hierher zurückzuke­hren, sogar dauerhaft in Deutschlan­d zu wohnen und zu arbeiten. Ryan fliegt als Erster in die Heimat und antwortet: „Warum nicht? Ich mache IT und habe bestimmt gute Karrierech­ancen. Ich liebe Deutschlan­d.“

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DONNERSTAG, 13. JUNI 2019
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Foto: Lisa Kessner Die beiden Austauschs­tudenten Ryan McErlean (links) aus Irland und Connor Combdon aus Kanada studieren für ein halbes Jahr in Augsburg. Im Gespräch verraten sie, was sie in den ersten Monaten in Deutschlan­d erlebt haben.

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