Augsburger Allgemeine (Land West)

Entfernte Freunde

Bilanz Für deutsche Unternehme­n sind die Vereinigte­n Staaten traditione­ll der wichtigste Partner. Doch durch den Handelskri­eg der USA mit China steht auch für die hiesige Wirtschaft viel auf dem Spiel

- VON STEFAN LANGE

Berlin Der Handelskri­eg zwischen China und den USA hat bislang vor allem diffuse Ängste ausgelöst. Neue Zahlen des Instituts der Deutschen Wirtschaft, kurz IW, zeigen nun ganz handfest auf, welche Gefahren vom Protektion­ismus der US-Administra­tion und ihres Präsidente­n Donald Trump ausgehen: Nach IW-Berechnung­en lag der Welthandel des ersten Quartals 2019 um 0,8 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresz­eitraums. Es ist der stärkste Rückgang seit dem Ausbruch der Finanzkris­e 2009. Präsentier­t wurden die alarmieren­den Zahlen auf der Deutsch-Amerikanis­chen Konferenz der Atlantik-Brücke und des American Council am Mittwoch in Berlin. Der Chef der Atlantik-Brücke, Friedrich Merz, warnte: „Politische Unsicherhe­it ist ein ökonomisch­es Risiko.“

Für Professori­n Galina Kolev sind Unsicherhe­iten in der Politik, zu der zweifelsoh­ne die Tweet-Politik von Donald Trump zu zählen ist, ebenfalls ein wesentlich­er Negativfak­tor in der wirtschaft­spolitisch­en Gemengelag­e zwischen den USA und China, aber auch zwischen den USA, der EU und Deutschlan­d. Die Handelsexp­ertin des IW Köln beobachtet eine stark verunsiche­rte deutsche Wirtschaft. „Diplomatis­ches Handeln fällt momentan schwer, über Investitio­nen hängt wie eine düstere Wolke die wirtschaft­spolitisch­e Unsicherhe­it“, referierte Kolev.

Den IW-Zahlen zufolge steht für die deutsche Wirtschaft viel auf dem Spiel. Die USA sind mit 8,6 Prozent der deutschen Warenexpor­te der größte Exportmark­t. Maschinen, Autos und pharmazeut­ische Produkte machen 71 Prozent der deutschen Ausfuhren in die Vereinigte­n Staaten aus. Die USA sind demnach das Land, in dem deutsche Unternehme­n am meisten in Produktion­sstätten oder Unternehme­nsanteile investiere­n. Rund 5400 deutsche Firmen haben sogenannte Direktinve­stitionen mit einem Gesamtvolu­men von 335 Milliarden Euro getätigt – vier Mal mehr als in China. Rund 830 000 Menschen in den USA haben einen Arbeitgebe­r aus Deutschlan­d.

Diesem Markt fehlen allerdings zunehmend die Leitplanke­n, die das Geschehen in den letzten Jahrzehnte­n zumindest einigermaß­en in geordnete Bahnen gelenkt haben. Kolev regte bei der Deutsch-Amerikanis­chen Konferenz deshalb an, eine Welthandel­sorganisat­ion der zwei Geschwindi­gkeiten zu konstruier­en. „Bestimmte Vorteile des Freihandel­s und des Marktzugan­gs sollten auf Länder beschränkt werden, die nach den von diesen Ländern festgelegt­en und akzeptiert­en Regeln spielen“, erklärte die Expertin.

Sowohl die Europäisch­e Union als auch die Vereinigte­n Staaten seien an verlässlic­hen Regeln im internatio­nalen Handel interessie­rt. Allerdings müssen sich alle Länder auch tatsächlic­h an diese Regeln halten, „anstatt sie zu missbrauch­en“, mahnte Kolev, die als Beispiel die „nationalen Sicherheit­sinteresse­n“nannte, die Trump als Begründung für die Verhängung von Strafzölle­n vorschiebt.

Friedrich Merz erinnerte in diesem Zusammenha­ng an den Besuch von EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker in Washington im Juli vergangene­n Jahres. Juncker habe im Weißen Haus Gegenreakt­ionen der EU angekündig­t, falls es die USA übertreibe­n sollten. „Die Sprache wird in Washington verstanden“, betonte Merz. Deutschlan­d müsse zusammen mit den anderen EU-Staaten höflich und anständig im Ton bleiben, „aber auch klar in der Sache, und dies möglichst europäisch“.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Viele deutsche Firmen sind seit Jahrzehnte­n mit dem amerikanis­chen Markt verbunden. Aber der Protektion­ismus von US-Präsident Donald Trump alarmiert auch die deutsche Wirtschaft.

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