Augsburger Allgemeine (Land West)
Junge Familie verliert ihr Zuhause
Unwetter Nach der Geburt ihres Kindes freut sich Julia Scherdi auf die ersten ruhigen Tage mit ihrem Baby daheim. Doch es kommt alles anders. Das Haus steht unter Wasser. Zahlt die Versicherung?
Pürgen Es war ein schönes Wochenende für Julia Scherdi und ihren Mann Mathias. Ihre Tochter Ellena kam am Samstag zur Welt. Mutter und Tochter konnten das Krankenhaus am Montag verlassen und zurückkehren nach Pürgen im Landkreis Landsberg. Zurück in den Schutz und die Ruhe der eigenen vier Wände. Doch mit der Geborgenheit war es schnell wieder vorbei.
Grund war das Unwetter, das, wie berichtet, am Montagabend mit Hagelkörnern, so groß wie Tischtennisbälle, über den Süden des Landkreises Landsberg zog. Bei der jungen Familie drang so viel Wasser in die Wohnung ein, dass sie unbewohnbar wurde. Und das jetzt – wo die Eltern mit dem Neugeborenen alle Hände voll zu tun haben.
In mehreren Regionen des Freistaats hatte es am Montag so heftig geregnet, gestürmt und gehagelt, dass massive Schäden entstanden sind. Vor allem in Oberbayern gab es eine Schneise der Verwüstung: Autoscheiben und Gebäudefassaden wurden zertrümmert, Bäume knickten um, Straßen wurden überflutet, zudem gab es mehrere Verletzte. Wie groß der entstandene Schaden ist – und wie teuer – das kann noch niemand genau sagen.
Mit einem immensen Schaden hat auch Familie Scherdi zu kämpfen. „Uns ist zum Verhängnis geworden, dass wir die Haustür zunächst offen stehengelassen hatten. Wir haben ein Bad ohne Fenster und machen nach dem Duschen immer die Haustür zum Lüften auf“, erzählt Julia Scherdi. So war es auch am Montag. Ihr Mann gesellte sich nach dem Duschen zu Mutter und Kind aufs Sofa und sie genossen die gemeinsame Zeit. An die Haustür dachte niemand mehr. Dann fing es an zu regnen und durch die Fenster des mehr als 100 Jahre alten Bauernhauses, in dem die Familie seit fünfeinhalb Jahren lebt, drang ein wenig Wasser ein. Das passiere immer mal wieder, sagt die 27-Jährige. Dann greifen sie für gewöhnlich zum Handtuch und wischen das Wasser weg.
Das war auch diesmal der Plan, doch als Mathias Scherdi die Tür des Wohnzimmers öffnete, kamen ihm die Wassermassen entgegen. Das Wasser hatte sich seinen Weg bereits von der Haustür zur Küche gebahnt, im Flur lagen Hagelkörner. „Wir konnten dabei zusehen, wie die Feuchtigkeit in die Wände und Möbel zog und das Wasser langsam im Dielenboden versickerte.“Die Wohnungstür konnte die junge Familie wieder schließen, davor staute sich das Wasser anschließend auf einer Höhe von rund 30 Zentimetern.
Dass auf dem früheren Bauernhof das Wasser steht, ist nichts Ungewöhnliches und passiert bei Starkregen immer wieder, erzählt Julia Scherdi. Das Gebäude liegt etwa 40 Zentimeter tiefer als die Straße. Um dem Problem zu begegnen, gibt es vor dem Haus auch einen Ablauf, der in der Vergangenheit „gut funktioniert“habe. Diesmal seien jedoch die Blätter durch den massiven Hagel von den Bäumen gefallen und hätten den Ablauf verstopft.
Familienmitglieder und Nachbarn kamen zu Hilfe und packten schnell einige Sachen und wichtige Unterlagen in Kartons, um diese aus dem Haus zu schaffen. „Die Tasche aus dem Krankenhaus hatte ich noch gar nicht ausgepackt. Die habe ich genommen und bin mit Ellena raus“, sagt Julia Scherdi. Die erste Nacht verbrachten sie bei den Nachbarn. Dann zogen sie zu ihrer Mutter um, die direkt nebenan wohnt und der das Haus gehört. Julia Scherdi hofft allerdings, dass sie möglichst schnell wieder eine eigene Unterkunft findet. Es sei derzeit sehr beengt und es gebe keine Privatsphäre. Sie möchte eine Bleibe in Pürgen oder der Nähe finden, um weiterhin nah bei ihrer Familie sein zu können und dennoch Freiraum zu haben. Eine Option gebe es bereits, die infrage komme, berichtet sie. Die Familie sucht eine Bleibe für drei bis vier Monate, dann soll das Eigenheim, das die beiden gerade in Eigenregie bauen, fertiggestellt sein. Ihr Ehemann ist Maurermeister.
Das Haus, in dem das Paar bislang gelebt hat, zu renovieren, lohne sich angesichts der Bausubstanz des Hauses und des Schadens „wohl nicht“, sagt Scherdi. Und auf den Kosten, die durch das Unwetter an ihrer Einrichtung und den Böden entstanden sind, bleibt die Familie unter Umständen sitzen. „Die Versicherungen sagen, wir hätten grob fahrlässig gehandelt, weil die Haustür offen stand. Wir werden wohl Abstriche bei der Einrichtung unseres Hauses machen, beispielsweise gebrauchte Möbel kaufen, um den entstandenen finanziellen Schaden aufzufangen“, sagt Julia Scherdi.