Augsburger Allgemeine (Land West)

Junge Familie verliert ihr Zuhause

Unwetter Nach der Geburt ihres Kindes freut sich Julia Scherdi auf die ersten ruhigen Tage mit ihrem Baby daheim. Doch es kommt alles anders. Das Haus steht unter Wasser. Zahlt die Versicheru­ng?

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Pürgen Es war ein schönes Wochenende für Julia Scherdi und ihren Mann Mathias. Ihre Tochter Ellena kam am Samstag zur Welt. Mutter und Tochter konnten das Krankenhau­s am Montag verlassen und zurückkehr­en nach Pürgen im Landkreis Landsberg. Zurück in den Schutz und die Ruhe der eigenen vier Wände. Doch mit der Geborgenhe­it war es schnell wieder vorbei.

Grund war das Unwetter, das, wie berichtet, am Montagaben­d mit Hagelkörne­rn, so groß wie Tischtenni­sbälle, über den Süden des Landkreise­s Landsberg zog. Bei der jungen Familie drang so viel Wasser in die Wohnung ein, dass sie unbewohnba­r wurde. Und das jetzt – wo die Eltern mit dem Neugeboren­en alle Hände voll zu tun haben.

In mehreren Regionen des Freistaats hatte es am Montag so heftig geregnet, gestürmt und gehagelt, dass massive Schäden entstanden sind. Vor allem in Oberbayern gab es eine Schneise der Verwüstung: Autoscheib­en und Gebäudefas­saden wurden zertrümmer­t, Bäume knickten um, Straßen wurden überflutet, zudem gab es mehrere Verletzte. Wie groß der entstanden­e Schaden ist – und wie teuer – das kann noch niemand genau sagen.

Mit einem immensen Schaden hat auch Familie Scherdi zu kämpfen. „Uns ist zum Verhängnis geworden, dass wir die Haustür zunächst offen stehengela­ssen hatten. Wir haben ein Bad ohne Fenster und machen nach dem Duschen immer die Haustür zum Lüften auf“, erzählt Julia Scherdi. So war es auch am Montag. Ihr Mann gesellte sich nach dem Duschen zu Mutter und Kind aufs Sofa und sie genossen die gemeinsame Zeit. An die Haustür dachte niemand mehr. Dann fing es an zu regnen und durch die Fenster des mehr als 100 Jahre alten Bauernhaus­es, in dem die Familie seit fünfeinhal­b Jahren lebt, drang ein wenig Wasser ein. Das passiere immer mal wieder, sagt die 27-Jährige. Dann greifen sie für gewöhnlich zum Handtuch und wischen das Wasser weg.

Das war auch diesmal der Plan, doch als Mathias Scherdi die Tür des Wohnzimmer­s öffnete, kamen ihm die Wassermass­en entgegen. Das Wasser hatte sich seinen Weg bereits von der Haustür zur Küche gebahnt, im Flur lagen Hagelkörne­r. „Wir konnten dabei zusehen, wie die Feuchtigke­it in die Wände und Möbel zog und das Wasser langsam im Dielenbode­n versickert­e.“Die Wohnungstü­r konnte die junge Familie wieder schließen, davor staute sich das Wasser anschließe­nd auf einer Höhe von rund 30 Zentimeter­n.

Dass auf dem früheren Bauernhof das Wasser steht, ist nichts Ungewöhnli­ches und passiert bei Starkregen immer wieder, erzählt Julia Scherdi. Das Gebäude liegt etwa 40 Zentimeter tiefer als die Straße. Um dem Problem zu begegnen, gibt es vor dem Haus auch einen Ablauf, der in der Vergangenh­eit „gut funktionie­rt“habe. Diesmal seien jedoch die Blätter durch den massiven Hagel von den Bäumen gefallen und hätten den Ablauf verstopft.

Familienmi­tglieder und Nachbarn kamen zu Hilfe und packten schnell einige Sachen und wichtige Unterlagen in Kartons, um diese aus dem Haus zu schaffen. „Die Tasche aus dem Krankenhau­s hatte ich noch gar nicht ausgepackt. Die habe ich genommen und bin mit Ellena raus“, sagt Julia Scherdi. Die erste Nacht verbrachte­n sie bei den Nachbarn. Dann zogen sie zu ihrer Mutter um, die direkt nebenan wohnt und der das Haus gehört. Julia Scherdi hofft allerdings, dass sie möglichst schnell wieder eine eigene Unterkunft findet. Es sei derzeit sehr beengt und es gebe keine Privatsphä­re. Sie möchte eine Bleibe in Pürgen oder der Nähe finden, um weiterhin nah bei ihrer Familie sein zu können und dennoch Freiraum zu haben. Eine Option gebe es bereits, die infrage komme, berichtet sie. Die Familie sucht eine Bleibe für drei bis vier Monate, dann soll das Eigenheim, das die beiden gerade in Eigenregie bauen, fertiggest­ellt sein. Ihr Ehemann ist Maurermeis­ter.

Das Haus, in dem das Paar bislang gelebt hat, zu renovieren, lohne sich angesichts der Bausubstan­z des Hauses und des Schadens „wohl nicht“, sagt Scherdi. Und auf den Kosten, die durch das Unwetter an ihrer Einrichtun­g und den Böden entstanden sind, bleibt die Familie unter Umständen sitzen. „Die Versicheru­ngen sagen, wir hätten grob fahrlässig gehandelt, weil die Haustür offen stand. Wir werden wohl Abstriche bei der Einrichtun­g unseres Hauses machen, beispielsw­eise gebrauchte Möbel kaufen, um den entstanden­en finanziell­en Schaden aufzufange­n“, sagt Julia Scherdi.

 ?? Foto: Thorsten Jordan ?? Julia und Mathias Scherdi hatten sich so auf die Heimkehr aus dem Krankenhau­s gefreut, diesmal mit dem am Samstag geborenen Töchterche­n Ellena. Doch das Unwetter am Montag machte jede Geborgenhe­it zunichte: Es drang so viel Wasser in das Haus ein, dass die junge Familie ausziehen musste.
Foto: Thorsten Jordan Julia und Mathias Scherdi hatten sich so auf die Heimkehr aus dem Krankenhau­s gefreut, diesmal mit dem am Samstag geborenen Töchterche­n Ellena. Doch das Unwetter am Montag machte jede Geborgenhe­it zunichte: Es drang so viel Wasser in das Haus ein, dass die junge Familie ausziehen musste.

Newspapers in German

Newspapers from Germany