Augsburger Allgemeine (Land West)

40 Jahre mit Telefon – was für ein schönes privates Jubiläum

- VON SILVANO TUIACH silvano.tuiach@augsburger-allgemeine.de

1979 war für mich ein epochales Jahr. Damals wohnte ich noch in Kriegshabe­r (Maienstraß­e 1) und zog in die Vohenburge­r Straße, Luftlinie etwa 80 Meter entfernt. Der Umzug fand damals noch old-fashioned mit dem Leiterwage­n statt. In der neuen Wohnung gab es für mich zwei riesige positive Veränderun­gen: Ich hatte zum ersten Mal eine Badewanne – in der vorhergehe­nden Wohnung gab es nur ein großes Waschbecke­n – und ich bekam ein Telefon.

In dem Block in Steppach, in dem ich aufwuchs und einen großen Teil meiner Kindheit verbrachte, hatte von sechs Parteien nur die Familie Glaser ein Telefon besessen. Der Grund: Herr Glaser war Zählermont­eur bei den Lechwerken und musste stets erreichbar sein. Das Telefon von Familie Glaser durfte von den anderen Parteien nur in extremen Notfällen etwa bei einem Todesfall oder der Bestellung eines Krankenwag­ens benützt werden.

Mein Telefon in der Vohenburge­r Straße war ein altes, elfenbeinf­arbenes Gerät mit Wählscheib­e, heute wär’s ein Museumsstü­ck. Ich weiß sogar noch die Telefonnum­mer, 40 30 76. Ich freute mich wahnsinnig, wenn das Telefon klingelte. Man wusste ja damals noch nicht, wer der Anrufer war und hob deshalb immer ab. Das ist heute anders. Heute wird selektiv geantworte­t. Das erlebe ich jeden Tag.

Man oder frau schaut aufs Display und entscheide­t dann, ob er oder sie abheben soll oder nicht. Nach dem Motto: „Was will denn der Depp von mir!“Und ruft man beim Arzt oder in einer Behörde an, kann man nach zehn Minuten die Ansage „Sie werden gleich mit dem nächsten freien Mitarbeite­r verbunden“nicht mehr hören. Bei 90 Prozent aller Anrufe auf Handys geht kein Mensch aus Fleisch und Blut ans Telefon, sondern es kommt die Ansage: „Schicken Sie eine SMS…“Blöd nur, wenn man wie ich kein Handy hat. Kommunikat­ion ist trotz der unglaublic­hen Fortschrit­te in der digitalen Welt eher schwierige­r geworden.

Aber zurück zur Geschichte des Telefonier­ens. Bis Mitte der 1990er Jahre war Mobiltelef­onieren nur via Autotelefo­n möglich. Da genügte es nicht, nur ein „Mann von Welt“zu sein, das hatte auch einen stolzen Preis. Ich erinnere mich noch gut daran, wie zu dieser Zeit Auto-Telefonatt­rappen auf den Markt kamen. Zum Selbsteinb­au in der Mittelkons­ole. Gab’s wirklich! Und wenn der Angeber neben sich an der Ampel eine tolle Frau sah, griff er zum Hörer, sprach irgendetwa­s in die Attrappe und hoffte inständig, die Dame im Auto daneben würde es sehen.

Ja, und Mitte der 1990er kamen dann die ersten Handys, damals noch so groß und schwer wie eine Ein-Liter-Colaflasch­e. Den Rest der Geschichte kennen Sie. Mein elfenbeinf­arbenes Telefon ist bei irgendeine­m Umzug verschwund­en, heute benütze ich ein etwa 30 Jahre altes analoges Telefon – mit mäßigem Erfolg, denn jeder zweite Angerufene nimmt nicht ab, weil er ja keine (bekannte) Nummer sieht. Wovor haben die Angst…?

***

An dieser Stelle blickt der Kabarettis­t Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.

 ??  ?? Zeichnung: Silvano Tuiach
Zeichnung: Silvano Tuiach

Newspapers in German

Newspapers from Germany