Augsburger Allgemeine (Land West)
Wilde Siedlung: Stadt findet kein Alternativgrundstück
Wohnen In weniger als einem halben Jahr müssen die zehn Bewohner des Hüttendorfs in Lechhausen das Areal räumen. Woran die Suche nach einem Ersatzgrundstück bisher scheiterte
Die Tage der „Wilden Siedlung“am Ostrand von Lechhausen neigen sich dem Ende zu. Wie berichtet müssen die Bewohner des alternativen Projekts, die seit 15 Jahren in selbst gebauten Hütten und Häuschen leben, kommenden November das Gelände räumen. Und auch die Suche nach einem Alternativgrundstück, so die Stadt auf Anfrage, sei ergebnislos verlaufen.
Hintergrund der anstehenden Räumung ist, dass das Privatgrundstück an der Derchinger Straße, auf dem die Siedler – großteils Leute zwischen 30 und 40 Jahren – mit Zustimmung des Eigentümers leben, baurechtlich von der Stadt nie zur Wohnbebauung freigegeben wurde. Rechtlich handelt es sich bei den Behausungen um Schwarzbauten. Um keinen Präzedenzfall zu schaffen, beschloss der Bauausschuss des Stadtrats im vergangenen November, dass das Areal, das auch nicht ans Abwassernetz angeschlossen ist, geräumt werden muss. Eine entsprechende Verfügung wurde schon verschickt. SPD und Grüne stellten immerhin den Antrag, dass die Stadt versuchen solle, alternative Flächen bereitzustellen, auch die anderen Fraktionen ließen Sympathien für das Projekt erkennen.
Allerdings ist die Suche im Sand verlaufen. Städtische Alternativflächen seien nicht vorhanden, so die Stadt. Der von SPD und Grünen vorgeschlagene Bereich am Autobahnsee sei Privatgrund. Städtische Gewerbegrundstücke, so das Liegenschaftsreferat, beispielsweise direkt neben dem Flughafen oder im Lechhauser Gewerbegebiet, kämen schon baurechtlich nicht infrage. „Gesunde Wohnverhältnisse“, wie sie das Baurecht fordert, seien dort nicht gegeben. „Städtische Wohnbaugrundstücke, welche sich derzeit in Planung befinden, sollen im Rahmen von Förderprogrammen vorwiegend an junge Familien vergeben werden, um dort ein ,festes‘ Gebäude zu errichten“, so die Stadt.
Betroffen sind von der Räumung etwa zehn Menschen. Sie arbeiten als Handwerker, Angestellte oder studieren noch. Vor allem, dass man im Hüttendorf Freiheit und Gemeinsamkeit gleichzeitig hat, ist die Motivation fürs Zusammenleben. Trinkwasser kaufen die Siedler im Supermarkt, als Toilette dient ein Dixi-Klo, Strom gibt’s aus der gemeinsamen Photovoltaikanlage. Man sei, so ein Bewohner, dazu gezwungen, sich aufs Wesentliche zu beschränken, aber habe einen Lebensstandard, der über dem eines Großteils der Menschheit liege.
Dass die Stadt nach 15 Jahren die Räumung will, liegt daran, dass das Wohnprojekt bei der Stadt vorher niemandem als Schwarzbau aufgefallen war. Die Bewohner zahlten Grundsteuer, Rundfunkgebühr, Müllgebühren – und auch die Post vom Finanzamt kam an. Doch als ein Bewohner eine offizielle Hausnummer bei der Stadt beantragte, nachdem ein Brief als unzustellbar an den Absender zurückgeschickt worden war, fiel erstmals auf, dass das Areal nicht zur Wohnbebauung zugelassen ist. Das löste eine ämterinterne Lawine aus, an deren Ende der Räumungsbescheid stand.
Noch ist unklar, wo die Bewohner künftig unterkommen werden. Mit der SPD-Stadtratsfraktion gab es zuletzt Gespräche. Man biete weiterhin Unterstützung an, so SPD-Stadträtin Sieglinde Wisniewski. Allerdings ist seitens der Siedler wohl noch nicht abschließend klar, wie das weitere Vorgehen sein soll. Denkbar, so Wiesniewski, sei, die Suche nach einem Alternativgrundstück auf Nachbarkommunen auszudehnen. Die Siedler selbst wollten keine Stellungnahme abgeben. Den großen Zeitdruck sieht die SPD ohnehin nicht mehr, nachdem die geplante Erweiterung des Lechhauser Gewerbegebiets (Umweltpark) zwischen Derchinger und Südtiroler Straße momentan auf Eis liegt. SPD und Grüne hatten Widerspruch geäußert. Das Hüttendorf liegt ganz am Rande des Areals.