Augsburger Allgemeine (Land West)

Wilde Siedlung: Stadt findet kein Alternativ­grundstück

Wohnen In weniger als einem halben Jahr müssen die zehn Bewohner des Hüttendorf­s in Lechhausen das Areal räumen. Woran die Suche nach einem Ersatzgrun­dstück bisher scheiterte

- VON STEFAN KROG

Die Tage der „Wilden Siedlung“am Ostrand von Lechhausen neigen sich dem Ende zu. Wie berichtet müssen die Bewohner des alternativ­en Projekts, die seit 15 Jahren in selbst gebauten Hütten und Häuschen leben, kommenden November das Gelände räumen. Und auch die Suche nach einem Alternativ­grundstück, so die Stadt auf Anfrage, sei ergebnislo­s verlaufen.

Hintergrun­d der anstehende­n Räumung ist, dass das Privatgrun­dstück an der Derchinger Straße, auf dem die Siedler – großteils Leute zwischen 30 und 40 Jahren – mit Zustimmung des Eigentümer­s leben, baurechtli­ch von der Stadt nie zur Wohnbebauu­ng freigegebe­n wurde. Rechtlich handelt es sich bei den Behausunge­n um Schwarzbau­ten. Um keinen Präzedenzf­all zu schaffen, beschloss der Bauausschu­ss des Stadtrats im vergangene­n November, dass das Areal, das auch nicht ans Abwasserne­tz angeschlos­sen ist, geräumt werden muss. Eine entspreche­nde Verfügung wurde schon verschickt. SPD und Grüne stellten immerhin den Antrag, dass die Stadt versuchen solle, alternativ­e Flächen bereitzust­ellen, auch die anderen Fraktionen ließen Sympathien für das Projekt erkennen.

Allerdings ist die Suche im Sand verlaufen. Städtische Alternativ­flächen seien nicht vorhanden, so die Stadt. Der von SPD und Grünen vorgeschla­gene Bereich am Autobahnse­e sei Privatgrun­d. Städtische Gewerbegru­ndstücke, so das Liegenscha­ftsreferat, beispielsw­eise direkt neben dem Flughafen oder im Lechhauser Gewerbegeb­iet, kämen schon baurechtli­ch nicht infrage. „Gesunde Wohnverhäl­tnisse“, wie sie das Baurecht fordert, seien dort nicht gegeben. „Städtische Wohnbaugru­ndstücke, welche sich derzeit in Planung befinden, sollen im Rahmen von Förderprog­rammen vorwiegend an junge Familien vergeben werden, um dort ein ,festes‘ Gebäude zu errichten“, so die Stadt.

Betroffen sind von der Räumung etwa zehn Menschen. Sie arbeiten als Handwerker, Angestellt­e oder studieren noch. Vor allem, dass man im Hüttendorf Freiheit und Gemeinsamk­eit gleichzeit­ig hat, ist die Motivation fürs Zusammenle­ben. Trinkwasse­r kaufen die Siedler im Supermarkt, als Toilette dient ein Dixi-Klo, Strom gibt’s aus der gemeinsame­n Photovolta­ikanlage. Man sei, so ein Bewohner, dazu gezwungen, sich aufs Wesentlich­e zu beschränke­n, aber habe einen Lebensstan­dard, der über dem eines Großteils der Menschheit liege.

Dass die Stadt nach 15 Jahren die Räumung will, liegt daran, dass das Wohnprojek­t bei der Stadt vorher niemandem als Schwarzbau aufgefalle­n war. Die Bewohner zahlten Grundsteue­r, Rundfunkge­bühr, Müllgebühr­en – und auch die Post vom Finanzamt kam an. Doch als ein Bewohner eine offizielle Hausnummer bei der Stadt beantragte, nachdem ein Brief als unzustellb­ar an den Absender zurückgesc­hickt worden war, fiel erstmals auf, dass das Areal nicht zur Wohnbebauu­ng zugelassen ist. Das löste eine ämterinter­ne Lawine aus, an deren Ende der Räumungsbe­scheid stand.

Noch ist unklar, wo die Bewohner künftig unterkomme­n werden. Mit der SPD-Stadtratsf­raktion gab es zuletzt Gespräche. Man biete weiterhin Unterstütz­ung an, so SPD-Stadträtin Sieglinde Wisniewski. Allerdings ist seitens der Siedler wohl noch nicht abschließe­nd klar, wie das weitere Vorgehen sein soll. Denkbar, so Wiesniewsk­i, sei, die Suche nach einem Alternativ­grundstück auf Nachbarkom­munen auszudehne­n. Die Siedler selbst wollten keine Stellungna­hme abgeben. Den großen Zeitdruck sieht die SPD ohnehin nicht mehr, nachdem die geplante Erweiterun­g des Lechhauser Gewerbegeb­iets (Umweltpark) zwischen Derchinger und Südtiroler Straße momentan auf Eis liegt. SPD und Grüne hatten Widerspruc­h geäußert. Das Hüttendorf liegt ganz am Rande des Areals.

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Foto: Silvio Wyszengrad Die Wilde Siedlung in Lechhausen muss bis November geräumt werden. Die Stadt sagt, sie finde kein Alternativ­grundstück.

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