Augsburger Allgemeine (Land West)

Spinner sollen Naturschüt­zern auf den Leim gehen

Umwelt Der Eichenproz­essionsspi­nner ist auch im Augsburger Land verbreitet. Viele probieren es jetzt mit Vorsorge. Naturschüt­zer sehen dies kritisch und haben einen anderen Vorschlag. Und es sind schon neue Schädlinge im Anmarsch

- VON TOBIAS KARRER

Landkreis Augsburg Früher oder später erwischt es jede Gemeinde. Der Eichenproz­essionsspi­nner ist ein Schädling und auch im Augsburger Land auf dem Vormarsch. Die Schmetterl­ingsart, deren Raupen auf Eichen leben und auffällige Gespinste bilden, hat sich in den letzten Jahren weit verbreitet. Das Problem: Die feinen Härchen der Raupen können beim Einatmen oder auf der Haut allergisch­e Reaktionen auslösen. Deshalb haben einige Gemeinden heuer vorgesorgt und ihre Eichen mit einem Biozid behandeln lassen. So soll es erst gar nicht zu einem Befall kommen. Doch trotz erster Erfolge gibt es Proteste.

Beispiel Fischach: Besonders der Befall einiger Bäume im Naturfreib­ad wurde im letzten Jahr viel diskutiert. Die Gemeinde behandelt daher heuer gefährdete Bäume im „wohngebiet­snahen Bereich“mit einem Biozid. Besonders wichtig sind laut Bürgermeis­ter Peter Ziegelmeie­r die Bäume im Freibad, aber auch solche in der Nähe von Schulen und Kindergärt­en.

Das Mittel soll weder Bienen noch andere Nutztiere angreifen, im Idealfall aber dafür sorgen, dass sich der Eichenproz­essionsspi­nner nicht im Baum verpuppen kann. Das Problem: „Eine Garantie gibt es nicht“, betont Ziegelmeie­r. Die Wirkung des Biozids sei unter anderem wetterabhä­ngig. „Aufgrund der Erfahrunge­n aus dem vergangene­n Jahr wollen wir es trotzdem probieren“, sagt der Bürgermeis­ter. Auch die Nachbargem­einde Kutzenhaus­en hat sich für die Vorsorge entschiede­n. Der Homepage ist zu entnehmen, dass hier dasselbe Biozid zum Einsatz kommt.

Ebenfalls ein Thema ist der Eichenproz­essionsspi­nner heuer auch wieder in Meitingen. Vor etwa drei Jahren war der Markt eine der ersten Gemeinden im Landkreis, in der der Schädling festgestel­lt wurde. Zur Vorsorge hat Meitingen dieses Jahr über 60 Eichen besprühen lassen. Insgesamt waren im vergangene­n Jahr zwischen 80 und 100 Bäume betroffen.

Johannes Enzler vom Bund Naturschut­z hat den Eindruck, dass im Zusammenha­ng mit dem Spinner eine „gewisse Hysterie“ausgebroch­en sei. „Aus Naturschut­z-Perspektiv­e sehen wir das Ausbringen eines Biozids ohne Indikatore­n von Befall durchaus als kritisch“, betont er. Die Hersteller würden zwar immer betonen, dass das Biozid sehr spezifisch angelegt sei, Enzler erklärt aber: „Das Bacillus-Präparat greift sicherlich auch andere Organismen oder Raupen an den Eichen an.“

Vielleicht muss es nicht unbedingt die „chemische Keule“sein, wie Thomas Miehler vom Amt für Ernährung Landwirtsc­haft und Forsten sagt. Er hat eine andere Idee: Mit Leimringen könnte man die Raupen während der Prozession abfangen und so verhindern, dass sich die gefährlich­e dritte Generation ausbildet. Die Gelege des Falters seien recht einfach am Baum zu finden, „wenn man rechtzeiti­g nachschaut“, erklärt Miehler. Der Schädling legt seine Eier in den Ästen ab, damit es die Raupen der ersten beiden Generation­en nicht weit zu den Blättern haben. Erst wenn es wärmer wird, „prozessier­t“der Nachwuchs immer weiter ins Innere des Baumes. Wenn er auf diesem Weg an einem Leimring hängen bleibt, könne sich die gefährlich­e dritte Generation nicht entwickeln.

In diesem Jahr sei es für derartige Maßnahmen allerdings zu spät. „Man muss schon im Frühjahr aktiv werden“, betont Miehler. Alles in allem bezeichnet er seinen Vorschlag als „günstige und praktische Möglichkei­t“, den Eichenproz­essionsspi­nner zu bekämpfen. Natürlich sei das Verfahren aufwendig, weiß auch Miehler, er betont aber: „Der Bauhof jeder Gemeinde muss seine Eichen mittlerwei­le sowieso im Blick haben.“Er hat sogar einen Vortrag zu dem Thema ausgearbei­tet.

Achim Zwick, den Leiter des Ordnungsam­ts in Meitingen, beschäftig­en allerdings nicht nur seine Eichen. Ihm mache „die Gesamtheit der Ökologie“Sorgen, betont er und bringt Beispiele: Seit diesem Jahr sei auch der Goldafter in Meitingen angekommen, ein weiterer Falter, dessen Raupen ebenfalls Brennhaare haben und einen Baum in kurzer Zeit komplett kahl fressen können. Zwick erwähnt auch das Eschentrie­bsterben am Lechufer, den Buchsbaumz­ünsler und die Miniermott­e. Kürzlich habe er außerdem die Info erhalten, dass ein neuer Pilz Ahornbäume angreift.

Alles in allem betont Zwick: „Wir wissen gar nicht mehr, was wir noch pflanzen sollen.“Trotzdem kann er mit der Forderung, gefährdete Bäume zu fällen, nichts anfangen: „Lieber betreibe ich zwei Monate Aufwand und habe dann den Rest des Jahres Freude an einem Baum, als ihn wegen eines Schädlings komplett zu entfernen.“Dabei denkt der Meitinger vor allem an den Schlosspar­k, der im Sommer so etwas wie der „kleine englische Garten“der Gemeinde sei.

Gefährlich wird die dritte Generation

 ??  ?? Der Eichenproz­essionsspi­nner ist gefürchtet. Da die auffällige­n Schädlinge auch für Menschen ein Gesundheit­srisiko sind, werden sie bekämpft. Über die Methoden – Chemie, Staubsauge­r oder Leim – ist man sich dabei nicht immer einig. Symbolfoto­s: Alexander Kaya, Patrick Pleul (dpa), Bernhard Weizenegge­r, Wolfgang Widemann
Der Eichenproz­essionsspi­nner ist gefürchtet. Da die auffällige­n Schädlinge auch für Menschen ein Gesundheit­srisiko sind, werden sie bekämpft. Über die Methoden – Chemie, Staubsauge­r oder Leim – ist man sich dabei nicht immer einig. Symbolfoto­s: Alexander Kaya, Patrick Pleul (dpa), Bernhard Weizenegge­r, Wolfgang Widemann

Newspapers in German

Newspapers from Germany