Augsburger Allgemeine (Land West)
Der beste Freund wird zum Geist
Soziale Medien Wenn jemand einfach so aus dem Leben verschwindet, heißt das „Ghosting“
Landkreis Augsburg Vor ein paar Tagen noch gemeinsame Pläne gemacht und dann plötzlich ignoriert – so schnell kann es zum sogenannten „Ghosting“kommen. Doch was bedeutet Ghosting überhaupt? Geht es wirklich um einen Geist? Beinahe – gemeint ist ein Mensch, der zum Geist wird.
Der Begriff beschreibt den vollständigen Kontaktabbruch, den manche Menschen nutzen, um eine Beziehung oder Freundschaft zu beenden. Oft passiert dies bei Personen, die nur online kommunizieren und sich nicht persönlich kennen.
Aber auch nach jahrelangen Beziehungen entscheiden sich Partner teilweise für diese unfaire Art, Schluss zu machen: Anrufe und Nachrichten werden ignoriert, als hätte es die Person nie gegeben. Der einst so vertraute Mensch wird praktisch ein Geist, auf Englisch „Ghost“.
Neu ist dieses Phänomen nicht. Früher blieben Briefe unbeantwortet und Festnetzanrufe wurden „weggedrückt“. Doch Dating-Apps und die vermehrte Kommunikation über soziale Medien haben Ghosting in den vergangenen Jahren einfacher gemacht. Nutzer können ihre Kontakte mit wenigen Klicks entfreunden, stummschalten oder blockieren.
Laut einer Studie von Elite Partner aus dem Jahr 2018 wenden Frauen Ghosting häufiger an. Es heißt, während bei den weiblichen Singles unter 29 Jahren etwa 36 Prozent schon einmal jemanden geghostet haben, verschwindet nur knapp jeder fünfte Mann auf diese Art nach dem Kennenlernen. Doch warum entscheiden sich Menschen überhaupt, ihre Beziehung so zu beenden?
In vielen Fällen handelt der Ghost aus eigener Unsicherheit heraus. Er hat Angst vor einem Konflikt, einer peinlichen Situation oder vielleicht auch davor, mitzuerleben, wie verletzt die andere Person ist. Dass das Ghosting dem Opfer besonders wehtut, spielt dabei keine Rolle, denn das merkt der Ghost schließlich nicht mehr. Manchmal ist auch ein Mangel an Empathie der Grund. Oder es liegt einfach an der Bequemlichkeit und dem fehlenden Interesse daran, sich mit dem Partner auseinanderzusetzen. Jedoch rechtfertigt nichts davon einen derartigen Kontaktabbruch.
Die Opfer suchen oft verzweifelt nach Anhaltspunkten und fälschlicherweise nach eigenen Fehlern. Das schadet nicht nur dem Selbstwertgefühl, sondern macht sie auch anderen Menschen gegenüber misstrauischer. Hinzu kommt natürlich die Trauer über die verlorene Liebe oder Freundschaft.
Doch auch für den Verantwortlichen hat Ghosting negative Auswirkungen. Ohne eine Aussprache ist das Problem im Kopf nie ganz abgeschlossen und das dauerhafte schlechte Gewissen wird zur Belastung. Womöglich trifft der Ghost sein Opfer später einmal noch zufällig, was besonders unangenehm für ihn ist.
Trotzdem ziehen manche Menschen Ghosting einem persönlichen Gespräch oder einer erklärenden Nachricht vor. In diesem Fall gibt es einige Tipps, die dem Opfer zumindest etwas helfen können. Am wichtigsten ist es, dem Ghost nicht hinterherzurennen. Das zieht die Hoffnungen und die anschließende Enttäuschung nur unnötig in die Länge und gibt am Ende zusätzlich das Gefühl, sich blamiert zu haben.
Um für sich selbst mit dem Thema abzuschließen, kann es helfen, eine Abschiedsnachricht zu schreiben. Darauf wird der Partner nicht reagieren, aber es geht dabei auch nur darum, für sich selbst einen Schlusspunkt zu setzen. Wer nur für sich selbst eine Art Abschiedsbrief schreiben möchte, um das Geschehene zu verarbeiten, kann diesen auch einfach für sich selbst behalten und verwahren. Oft hilft schon alleine das Niederschreiben der Gedanken und Gefühle – selbst ohne darauf eine Antwort vom Gegenüber zu bekommen. Die Trauer über das Ereignis muss niemand verdrängen. Es ist vollkommen normal und in Ordnung, über einen Verlust traurig zu sein. Trotzdem sollte der Geghostete dann auch wieder nach vorne blicken und sich nicht verunsichern lassen. Schließlich zeigen bestimmte Verhaltensweisen auch oft den wahren Charakter eines Menschen.