Augsburger Allgemeine (Land West)
Sie sind mit dem E-Bike zum Patienten unterwegs
Jubiläum In 50 Jahren hat sich in der Sozialstation Augsburg-West einiges verändert. Über den Wandel eines Berufs voller Herausforderungen
Augsburg-Pfersee Mit ihrem hellgrünen Fahrrad fallen die Pflegekräfte der Evangelischen Sozialstation Augsburg-West auf der Straße auf. Seit einiger Zeit zählen zwei E-Bikes zum Fuhrpark der Einrichtung mit Sitz in Pfersee. Pflegedienstleiterin Heike Lischka macht vier Gründe dafür verantwortlich, dass bei trockenem Wetter sie und ihre Mitarbeiter gerne von Patient zu Patient strampeln – den Umweltaspekt, die Möglichkeit zur Bewegung und den Parkplatzmangel in den teils engen Wohnstraßen und nicht zuletzt die Kosten. Schließlich habe die Stadt in diesem Jahr die Gebühren für die Parkerleichterungsausweise für Sozialdienste drastisch angehoben.
Als die Sozialstation vor 50 Jahren gegründet wurde, waren Stellplätze weniger knapp, der Begriff Klimawandel nahezu ein Fremdwort und ein Großteil des Teams noch gar nicht auf der Welt. Doch auch in den 13 Jahren, in denen die gelernte Krankenschwester und Palliativfachkraft Lischka im ambulanten Pflegedienst tätig ist, stellt sie Veränderungen fest. Die gravierendste sei wohl, dass zahlreiche Patienten ohne Angehörige dastehen mit der Folge, dass auf die Sozialstation mehr Aufgaben zukommen als geplant. „Eigentlich soll der Kunde nur Kompressionsstrümpfe angezogen bekommen. Doch dann klagt er über starke Zahnschmerzen und wir müssen einen Arzttermin organisieren“, schildert Lischka ein nicht seltenes Szenario. Wie hilfreich, wenn dann eine Kollegin, die gut in der Zeit ist, einen nachfolgenden Patienten übernehmen kann. Auch wenn die moderne Kommunikation via Smartphone manches erleichtert, müssen die Pflegekräfte die Uhr im Blick haben. Trotz des Zeitdrucks wolle man als kirchliche Sozialstation den Patienten etwas Ansprache ermöglichen, sagt Lischka.
Aktuell betreuen 15 Pflege- und drei hauswirtschaftliche Mitarbeiter 130 Patienten in Pfersee, Kriegshaber sowie Stadtbergen mit seinen Stadtteilen. Die meisten davon sind Senioren, aber auch Jüngere benötigen aufgrund körperlicher Handicaps Hilfe bei der Körperpflege. Nicht alle Anfragen können erfüllt und Wunschtermine gewährleistet werden, denn auch die Evangelische Sozialstation leidet branchenüblich unter Personalmangel. Lischka – und nicht nur sie – muss so manches freie Wochenende in den Wind schreiben, wenn eine Kollegin krankheitsbedingt ausfällt. Denn die Kunden müssen an 365 Tagen im Jahr versorgt werden. „Obwohl ich als Pflegedienstleiterin sehr viel Organisatorisches zu erledigen habe, bin ich jeden Tag bei den Patienten. Es geht nicht anders.“
Generell stellt die 41-Jährige einen Anstieg der Anforderungen fest. Gleichzeitig gebe es auch viel mehr Möglichkeiten für die Pflege zu Hause, sei es in der Schmerztherapie oder durch Hilfsmittel. Damit könne vielen Patienten der Wunsch nach dem Verbleib in den eigenen vier Wänden möglichst lange erfüllt werden. Eines ist Lischka dabei wichtig: „Wenn wir merken, es geht nicht mehr zu Hause, dann sprechen wir die Patienten oder die Angehörigen auf das Thema Heimplatz an.“
Der 2017 im neuen Pflegestärkungsgesetz eingeführte Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro monatlich führt laut Lischka zu vielen Anfragen nach Putzkräften. „Das Problem ist, dass nur Sozialstationen diese Gelder abrufen können, nicht aber private Reinigungskräfte. Wir aber können den Bereich Hauswirtschaft personell nur im kleinen Rahmen abdecken.“Einen positiven Effekt des Entlastungsbetrags sieht die Pflegechefin dennoch. Aus diesem Topf könne Ehrenamtlichen eine Aufwandsentschädigung gezahlt werden.
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Ihr Jubiläum feiert die Evangelische Sozialstation am Sonntag, 13. Oktober, um 10 Uhr mit einem Gottesdienst in St. Paul, Fröbelstraße 1.