Augsburger Allgemeine (Land West)
Wieder muss Vettel gratulieren
Formel 1 Der Ferrari-Pilot wird in Japan hinter Valtteri Bottas Zweiter. Mercedes feiert bereits den Gewinn der Teamwertung. Und Hamilton kann in Mexiko bereits Weltmeister werden
Suzuka Dem Super-Taifun Hagibis, vor dem die Formel 1 am Samstag kapitulieren musste, folgt ein SuperSonntag mit Qualifikation und Rennen innerhalb von vier Stunden. Wie schnell sich beim Großen Preis von Japan auch die sportlichen Wetteraussichten ändern können, muss Sebastian Vettel feststellen: Erst bricht er den Fluch der Qualifikationsniederlagen gegen Charles Leclerc durch seine zweite Pole-Position des Jahres, dann legt er einen Fehlstart hin und macht Mercedes so zum sechsten Mal in Folge zum Konstrukteurs-Weltmeister. Valtteri Bottas verteidigt am Ende seine früh erlangte Spitzenposition, Lewis Hamilton muss sich einer Aufforderung zum Boxenstopp gegen seinen Willen fügen und wird Dritter hinter Vettel. Vier Rennen vor Saisonschluss können aber nur noch die Mercedes-Piloten den Gesamtsieg unter sich ausmachen, in diesem Duell führt der Titelverteidiger mit 338:274 Punkten und kann sich schon in Mexiko zum sechsten Mal zum Champion krönen.
Eine erste Startreihe ganz in Rot, wo doch Mercedes bisher jeden Grand Prix der Hybridära in Suzuka gewinnen konnte – das ist eine Provokation für die Silberpfeile. Ferraris Aufbäumen kommt aus dem Nichts, aber in diesem 17. WMLauf geht es schließlich auch um die Sportgeschichte. Bislang sind die sechs Titel von Michael Schumacher mit der Scuderia zu Anfang des Jahrtausends Formel-1-Rekord, kombiniert mit fünf Einzelerfolgen des Kerpeners. Mercedes wird das jetzt übertreffen. Bei allem schwingt ein bisschen Wehmut mit, was nicht an den internen Diskussionen über die Strategie beim Großen Preis von Japan liegt, sondern an der roten Kappe, die immer noch in der Box hängt und die Teamchef Toto Wolff bei seiner Medienrunde demonstrativ neben sich gelegt hat – als Würdigung der Verdienste des im Mai verstorbenen Teamaufsichtsrates Niki Lauda. „Sie sind sehr nah an der Perfektion“, zollt auch Sebastian Vettel dem dominanten Gegner Tribut.
Vettels Ferrari bockt beim Start, als hätte er ihn abgewürgt, einen Frühstart zeigen die Sensoren aber nicht an. Auch Nebenmann Leclerc baut fast einen Fehlstart – da ist Bottas aus Position drei schon außen vorbei. Von hinten schießt auch Max Verstappen heran und bekommt in der Kurve gleich einen Bodycheck von Leclerc. Der Niedreht sich in die Wiese und dann am Funk fast durch. Leclerc versprüht munter Karbonteilchen, die Verfolger Hamilton um die Ohren fliegen. „Ich mag hartes Rennfahren, aber das war mehr als hartes Rennfahren“, ärgert sich Verstappen, der später aufgeben muss. Leclerc bekommt fünf Strafsekunden aufgebrummt für den Unfall und zehn weitere, weil er mit einem unsicheren Auto weitergefahren ist – er rutscht auf Rang sieben.
Der so oft geschlagene Bottas hingegen muss sich fühlen wie in den Weiten seiner finnischen Heimat, er ist auf und davon. Als Ferrari den im Silberpfeil-Sandwich steckenden Vettel auf eine Zwei-Stopp-Strategie setzt, folgt Mercedes auf dem Fuß – und plötzlich führt Hamilton das Rennen an. Der Brite wittert plötzlich doch wieder eine Chance auf den zehnten Saisonsieg, diskutiert mit den Ingenieuren und Strategen rundenlang, ob er nicht lieber das Risiko eingehen soll, durchzufahren. Auch nach dem Rennen erklärt er frostig: „Ein Doppelerfolg wäre drin gewesen.“Aber die Mercedes-Taktiker hatten dem unsicheren Spitzenreiter Bottas auf Nachfrage schon versichert: „Lewis wird noch mal reinkommen, sicher!“
Tatsächlich fügt sich der Champion der Teamräson und nimmt acht Runden vor Schluss die Verfolgung Vettels auf. Hamilton steckt beinahe im Getriebe des Heppenheimers, kommt aber nicht vorbei. Auch, weil Ferrari Zusatz-Power genehmigt. Eine Frage der Ehre. Teamderländer chef Mattia Binotto weiß, dass solche Tage, solche Zweikämpfe Vettel neuen Mut geben. Es ist eine Masterclass im Verteidigen, die der vierfache Weltmeister gegen den bald sechsfachen abhält, Vettel macht damit seinen frühen Fehler wieder wett. Hamilton bekommt als Trostpreis immerhin noch den BonusPunkt für die schnellste Rennrunde.