Augsburger Allgemeine (Land West)

„Wildes Leben“trotz Behinderun­g

Kulturtage Franziska Ottlik, Johann Acher und Marina Löschert präsentier­en eine Kombinatio­n aus Malerei und Poesie

- VON TOBIAS KARRER

Diedorf Der wilde Blick des Mannes auf dem Bild lässt einen an Freiheit denken, sein gelocktes Haar scheint im Wind zu fliegen, das bärtige Gesicht ist wettergege­rbt, seine Augen leuchten. Das Gemälde strahlt regelrecht vor Farben, wirkt dynamisch und inspiriert zu eigenen Freiheitsg­edanken.

Es ist kein Wunder, dass „Wildes Leben“eines der Werke des Malers Johann Acher ist, das Franziska Ottlik am besten gefallen hat. Sie sieht in dem Bild ein „Loblied auf Mutter Natur“. Schon seit ihrer Geburt hat die junge Frau eine Behinderun­g und spricht nur einzelne Laute. Was sie aber kann, ist Schreiben, vor allem Gedichte, die zeigen, dass hinter der Fassade eine Poetin und Autorin steckt. Kürzlich hat sie ihr erstes Buch „Überraschu­ngsei – Reise einer Seele in einem behinderte­n Körper“veröffentl­icht.

Für die Kulturtage in Diedorf hat sich Franziska Ottlik mit Acher zusammenge­tan. Der Anstoß kam von Bürgermeis­ter Peter Högg, der die Autorin schon länger kennt und ihre Kunst in die Kulturtage integriere­n wollte.

Den Kunstmaler hat „Franzi“– wie sie von allen genannt wird – über seine Frau Martina Acher kennengele­rnt. Sie arbeitet seit über neun Jahren als ihre Assistenti­n. Die Idee der Poetin: Sie wollte Gedichte zu Johann Achers Bildern schreiben. Nur drei Stichworte sollte Acher ihr geben. Das Ergebnis begeistert einen voll besetzten Theatersaa­l im Diedorfer Eukitea.

Franziska Ottlik kann ihre Gedichte nicht selbst vortragen, deshalb leiht ihr die Schauspiel­erin Marina Lötschert die Stimme. Die beiden kennen sich seit etwa eineinhalb Jahren. Eine Lesung aus dem Buch der jungen Frau im Märchenzel­t Augsburg hat sie zusammenge­bracht. Spontan entschied Lötschert, einen von Franzis Texten vorzutrage­n – die Chemie habe sofort gestimmt. „Sie schreibt sehr direkt und das passt gut zu mir. Die Gedichte machen mir eine unglaublic­he Freude“, sagt Lötschert. Während der Veranstalt­ung spürt das auch das Publikum. Ihre Stimme verleiht Ottliks Gedichten die Lebendigke­it, die sie verdienen.

Zu insgesamt 16 Bildern hat Franziska Ottlik Gedichte geschriebe­n. Alle Werke haben eines gemeinsam: Sie strotzen vor Farbe und sind nie statisch. „Ich brauche eine gewisse Energie in meiner Malerei“, erklärt Kunstmaler Acher. Außerdem liebe er Farbe, auch das wird bei der Veranstalt­ung deutlich: Egal welches Szene er malt, die Bilder leuchten bunt. Besonders gern male er Augen, betont Acher: „Sie sind unsere Verbindung zur Außenwelt, ein Fenster zur Seele.“

Die Themen des Abends sind breit gefächert. Es gibt Bilder und Gedichte mit Titeln wie „Worte eines weißen Indianers“oder „Black Panther“, aber auch Augsburg und New York kommen vor, ebenso wie ein Breakdance­r und ein verliebtes Tanzpaar.

Eines ist am Ende des Abends klar: Die Kombinatio­n aus Wort und Bild funktionie­rt und berührt. Als die Veranstalt­ung vorbei ist, haben die Zuschauer die Möglichkei­t, der jungen Poetin Fragen zu stellen. Mithilfe ihrer Assistenti­n und einer Buchstaben­tafel antwortet Franziska Ottlik ohne Probleme. Auch nach der Veranstalt­ung kommen noch Besucher zu ihr. „Ich wollte nur sagen, wie fantastisc­h das war“, sagt ein Mann. Andere sprechen voller Lob mit Johann Acher oder Marina Lötschert.

Franziska Ottlik ist sichtlich glücklich über die Resonanz. Auf die Frage, wie es für sie sei, ihre Texte in Diedorf zu präsentier­en, antwortet sie: „Das hier ist meine Heimat, ich kann sagen, ich fühle mich geehrt von so vielen Gästen.“

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Foto: Tobias Karrer Ausstellun­g mit dem Bild „Wildes Leben“(links), daneben Johann Acher, Franziska Ottlik und Marina Lötschert, die ihr die Stimme leiht.

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