Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Macher verlässt die Pfarrgemei­nde

Gespräch Dekan Stefan Blumtritt erinnert sich an seine Zeit in Gersthofen und was er dort mit den Menschen erreicht hat. Auch wenn er nach München wechselt, bleibt er der Region treu

- VON DIANA ZAPF-DENIZ

Gersthofen Wie die Zeit vergeht: Im November 2010 kam Dekan Stefan Blumtritt als erster Pfarrer in die evangelisc­he Kirchengem­einde Gersthofen. Zuvor war er in Garmisch tätig, und nun zieht es ihn in die bayerische Landeshaup­tstadt München. Ein gestandene­s Mannsbild voller Tatendrang, wenn man sich anschaut, was er in neunjährig­er Amtszeit in Gersthofen sowie im Dekankolle­gium Augsburg alles erreicht hat. In sein Gebiet fielen Aichach, Bärenkelle­r, Oberhausen, Kriegshabe­r, Diedorf-Fischach, Gersthofen, Meitingen, Neusäß, Stadtberge­n, Wertingen, Westheim und Zusmarshau­sen mit Adelsried, Dinkelsche­rben und Welden.

Über die Zeit in Gersthofen gibt es viel zu berichten. Beginnend mit viel Personalwe­chsel in den ersten Jahren bis hin zu einem stabilen Team mit Diakon Christian Wolf und Pfarrerin Anna Barth. Ein neuer Hort wurde gebaut und der Kindergart­en saniert. Auch habe sich die Verbindung zwischen Stadt und Kirche sehr verbessert. Mit dem neuen Bürgermeis­ter seien soziales Engagement und Interesse deutlich gestiegen. Das Miteinande­r mit der Stadtverwa­ltung sei wunderbar. Der Kirchenvor­platz wurde barrierefr­ei neu gestaltet. Man kann hier nun Empfänge, Hochzeiten und Gemeindefe­ste feiern und das Zusammense­in nach dem Gottesdien­st pflegen. Der Höhepunkt ist für den scheidende­n Dekan das Backhaus. Zweimal im Monat werden jeweils 40 bis 60 Brote gebacken. Zudem, so verrät Blumtritt, erhält diese Idee den Bayerische­n Ehrenamtsp­reis 2019 der Evangelisc­hen Landeskirc­he Bayern. „Das ist eine schöne Anerkennun­g für unseren Diakon und sein Team“, freut er sich. Es gibt ein komplett neues Angebot an Gottesdien­sten, die mit zwei Abend- und einem Familiengo­ttesdienst sehr gut besucht sind und 2012 kam der Berggottes­dienst.

Eine Besonderhe­it Gersthofen­s ist der Christenra­t: Ein ökumenisch­es Miteinande­r, das er so bisher nicht kannte. Neben einer Freundscha­ft zum katholisch­en Stadtpfarr­er Ralf Gössl seien sehr gute Projekte entstanden. In Gersthofen hat er über 120 Kinder getauft, doch über ein Kind freute er sich ganz arg: Es war das Geschwiste­rchen eines Kindes, das er einst beerdigen musste. Diese Kinder und ihre Familien werde er nie vergessen. Nach Augsburg zog es ihn wegen der Zusammenar­beit im Kollegium: „Ich wollte nicht allein als Dekan herumschwi­rren.“Die Doppelstru­kturen des Dekanats und des Genossensc­haftsverba­ndes der Kirchengem­einden in Augsburg aufzulösen habe um die sieben Jahre gedauert. Ein Glanzstück war für ihn das Lutherjubi­läum 2017 auf dem Rathauspla­tz in Augsburg. Das KonfiCamp für die angehenden Konfirmand­en ist ihm eine Herzensang­elegenheit, doch sei es wegen des veränderte­n Freizeit- und Ferienverh­altens schwierig geworden, die zehn Tage durchzuzie­hen.

Er ist ein Mann zwischen den Welten, bodenständ­ig und doch auf die Verbreitun­g des Evangelium­s bedacht. Dabei möchte er neue Wege entdecken – für die Menschen, nicht für eine Institutio­n. „Wir waren zu lange eine Behörde“, so Blumtritt und fährt fort, dass man das Zuhören und Erzählen verlernt habe. Es gehe nicht um Patentreze­pte, sondern darum, dass Menschen sich einbringen.

Einst wollte der 1963 in München Geborene, der in Füssen aufgewachs­en ist, Medizin studieren. Die Zulassung dafür hatte er schon in der Tasche. Doch stellte er fest, dass er als Arzt nicht viel Zeit für Menschen habe. So entschied er sich für das Theologies­tudium. „Die Kirche gab mir damals die Möglichkei­t, Musik zu machen und ließ mich viel gewähren.“Er habe es nie bereut, dass er diesen Weg eingeschla­gen habe. „Es ist ein abwechslun­gsreicher schöner Beruf und es ist ein Geschenk, die Freiheit zu haben, Menschen zu begleiten und die Frohe Botschaft zu verkünden.“

Blumtritt ist ein Macher, Stratege, Organisato­r und Ideengeber, liebt die Musik, spielt selbst zahlreiche Instrument­e, ist aber auch fürs Schafkopfe­n zu haben. Ein echter Bayer eben. Die Zeit von 2014 bis heute im Landessyno­dalausschu­ss und der Landessyno­de der evangelisc­h-lutherisch­en Kirche Bayerns war ihm etwas Besonderes: „Die evangelisc­hen Landschaft­en kennenzule­rnen und Kirchenlei­tung mitzugesta­lten war eine Horizonter­weiterung, die viel Spaß machte.“

Auch wenn sein Herz für Oberbayern schlägt, hat er seine Heimat in Stätzling im Landkreis AichachFri­edberg gefunden. Augsburg und der Landkreis haben es ihm und seiner Frau Sabine, mit der er seit 1985 glücklich verheirate­t ist, angetan. Hier fühlen sie sich wohl und hier möchten sie bleiben. Zum 1. Dezember wird Blumtritt der neue Leiter der Abteilung „Gesellscha­ftsbezogen­e Dienste“im Landeskirc­henamt in München sowie Oberkirche­nrat und folgt auf Detlev Bierbaum. So gehört er zur Kirchenlei­tung der 2,4 Millionen Protestant­en in Bayern.

 ?? Foto: Diana Zapf-Deniz ?? Dekan Stefan Blumtritt der evangelisc­h-lutherisch­en Kirche wird von Regionalbi­schof Axel Piper inGersthof­en entpflicht­et.
Foto: Diana Zapf-Deniz Dekan Stefan Blumtritt der evangelisc­h-lutherisch­en Kirche wird von Regionalbi­schof Axel Piper inGersthof­en entpflicht­et.

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