Augsburger Allgemeine (Land West)

Frauen werden immer öfter Opfer von Gewalt

Kriminalit­ät Täter sind häufig die eigenen Partner. In Frauenhäus­ern gibt es viel zu wenige Plätze für Betroffene – auch in Bayern

- VON VERONIKA LINTNER

Berlin Rein rechnerisc­h ereignet sich folgender Fall jede Stunde mindestens einmal: Eine Frau wird verletzt. Schwer sogar. Mutwillig. Und der Täter ist dabei kein Fremder, es ist ihr Ehemann, ihr Partner oder Ex-Freund. 140 000 Fälle von häuslicher Gewalt zählt die am Montag veröffentl­ichte Statistik des Bundeskrim­inalamts zur „Partnersch­aftsgewalt“allein für das vergangene Jahr. Und das sind nur die Fälle, die Frauen zur Anzeige gebracht haben. Die Dunkelziff­er ist kaum zu schätzen. Was die Statistik zur häuslichen Gewalt erfasst: Vergewalti­gung und Nötigung, Bedrohung, Freiheitsb­eraubung und Zwangspros­titution, Totschlag, Mord. 122 Frauen wurden 2018 von Ex-Partnern, Lebensgefä­hrten, oder ihren Ehemännern getötet. Das sind 25 Fälle weniger als ein Jahr zuvor – doch die Gesamtzahl der Gewaltdeli­kte ist seit 2013 gestiegen. 15000 Fälle mehr als noch vor fünf Jahren stehen in der Bilanz, die Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey vorstellte.

Jedes Jahr erscheinen diese Zahlen am „Internatio­nalen Tag gegen Gewalt an Frauen“. Die Ministerin nahm das zum Anlass, um Gegenmaßna­hmen zu verkünden: 120 Millionen Euro will die Bundesregi­erung in den kommenden vier Jahren in den Schutz von Frauen investiere­n. Betroffene sollen nach den Vorstellun­gen der SPD-Politikeri­n zudem künftig einen Rechtsansp­ruch auf einen Platz im Frauenhaus erhalten. Das dürfte eine große Herausford­erung werden, ein Blick nach Bayern verrät: Eine solche Garantie kann es im Moment nicht geben. Schon seit Jahren herrscht ein akuter Mangel an Plätzen für Frauen, die nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen, wenn sie vom eigenen Partner geschlagen werden.

Das Frauenhaus in Augsburg berichtet auf Nachfrage unserer Redaktion, dass etwa 100 Opfer im Jahr aus Kapazitäts­gründen abgewiesen werden müssen. Auch deshalb hat Bayerns Sozialmini­sterin Kerstin Schreyer 2018 einen DreiStufen-Plan initiiert. Eine Landeskoor­dinierungs­stelle, die Anfang Oktober ihre Arbeit aufnahm, soll die Hilfsangeb­ote vernetzen. Antje Krüger, die Leiterin der Behörde, sieht darin einen wichtigen Schritt. Allerdings betont sie, dass dies nur der Anfang sein könne. Hilfe für Frauen und Mädchen bei häuslicher Gewalt sei noch immer eine Aufgabe, die in der Politik zu oft hintansteh­t. „Spürbar wird das vor allem, wenn es um die Verteilung finanziell­er Mittel auf kommunaler Ebene geht“, sagt Krüger. „Es gibt immer noch Regionen, in denen Kommunalpo­litiker sagen: Dieses Probleme haben wir hier auf dem Land gar nicht.“

Im Moment gebe es nicht genügend Plätze, räumte auch Giffey ein. „Da müssen alle ran, damit wir einen Rechtsansp­ruch tatsächlic­h auch perspektiv­isch schaffen können.“Unter dem Titel „Stärker als Gewalt“haben sich in einer bundesweit­en Initiative Organisati­onen zusammenge­schlossen, die Betroffene­n helfen. „Es wird konkret in den Platzausba­u gehen, das heißt Erweiterun­g von Frauenhäus­ern, Schaffung neuer Plätze“, sagte Giffey.

Bundesweit gibt es etwa 350 Frauenhäus­er als Zufluchtso­rte für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen. In Bayern sind es derzeit 38 staatlich geförderte Einrichtun­gen mit knapp 350 Plätzen für Frauen und mehr als 400 für Kinder.

Im Kommentar schreibt Stephanie Sartor über nötige Konsequenz­en aus der steigenden Gewalt gegen Frauen. Auf Bayern erfahren Sie mehr über die Situation in Frauenhäus­ern.

Ministerin Giffey will Rechtsansp­ruch auf Hilfe

Newspapers in German

Newspapers from Germany