Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Raubzug wie im schlechten Film
Kunst Diebe haben Juwelen von unschätzbarem Wert aus dem Grünen Gewölbe gestohlen. Wachleute konnten die Täter von Dresden sogar beobachten. Doch die Polizei kam zu spät
Dresden Bestürzung, Kopfschütteln, ungläubige Gesichter: Vor den Türen des Dresdner Residenzschlosses stehen am Montagmorgen zahlreiche Besucher vor verschlossenen Türen. Ein Schild weist darauf hin, dass das Museum aus „organisatorischen Gründen“geschlossen bleibt. Bei einem der spektakulärsten Einbrüche der vergangenen Jahrzehnte haben in Dresden Unbekannte aus der berühmten Schatzkammer Grünes Gewölbe Kunstschätze von kaum messbarem Wert gestohlen. Vermutlich zwei Täter stiegen über ein Fenster in das Residenzschloss in der Dresdner Altstadt ein. Die Kriminalpolizei veröffentlichte am Abend ein Überwachungsvideo, auf dem zwei Einbrecher zu sehen sind. Sie geht davon aus, dass weitere Täter beteiligt waren.
Bisher gibt es offiziell keine Spur von ihnen. Eine Sonderkommission unter dem Titel „Epaulette“wurde am Nachmittag auf 20 Beamte verdoppelt. Auf dem Schwarz-WeißFilm aus der Überwachungskamera im Juwelenzimmer ist zu sehen, wie zwei Männer mit Taschenlampen den Raum betreten. Einer von ihnen, mit einer Kapuze auf dem Kopf, schlägt mit einer Axt auf die Scheiben der Vitrine ein und versucht, sie aufzubrechen. Die Täter hatten laut Polizei zuvor das Gitter eines Fensters durchtrennt, waren ins Juwelenzimmer gegangen und hatten dort zielsicher die Vitrine mit Brillant- und Diamantschmuck ge„In Gänze dauerte die Tat wenige Minuten“, hieß es am Abend im Polizeibericht. Die Täter seien im Pretiosensaal eingestiegen und durch das Wappenzimmer zum Tatort gegangen. „Sie müssen sich ausgekannt haben“, sagte Museumsdirektor Dirk Syndram. „Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie schockiert wir sind, auch von dieser Brutalität des Einbruchs“, sagt Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). Einige Sicherheitsvorkehrungen hätten gegriffen. „Die Täter konnten nicht alles mitnehmen, weil alle Objekte auch einzeln befestigt waren, sie waren mit Stichen vernäht mit dem Untergrund.“Ackermann spricht von Sachsens Staatsschatz des 18. Jahrhunderts. Es handle sich um einen „unschätzbaren kunsthistorischen und kulturhistorischen Wert“. Die besondere Bedeutung liege darin, dass die Garnituren als Ensembles erhalten blieben. Es gebe nirgendwo in einer Sammlung in Europa eine Juwelengarnitur, die in dieser Form, Qualität und Quantität erhalten blieb.
Normalerweise wird über das Sicherheitskonzept eines Museums schon deshalb Stillschweigen bewahrt, damit Kriminelle nicht an Details herankommen. An diesem Tag müssen die Verantwortlichen sich bohrenden Fragen stellen. Zwei Wachleute, die in der Zentrale Dienst hatten , beobachteten die Täter über Monitore. Nach den Vorgaben dürfen sie nicht selbst eingreifen, sondern müssen die Polizei inplündert. formieren. Die nahm um 4.59 Uhr den Notruf entgegen. Fünf Minuten später war der erste Streifenwagen da, die Täter aber auf und davon – offenkundig wieder durchs Fenster. „Es sind mehrere Alarme ausgelöst worden, beim Einbruch selbst, durch die Bewegungsmelder im Raum, beim Aufbrechen der Vitrine und die Polizei ist beim ersten Alarm informiert worden“, erklärte die Museumschefin. Die Polizei geht davon aus, dass ein Fluchtfahrzeug bereitstand, vermutlich ein Audi A6. Wenig später wurde ein baugleiches Fahrzeug in einer Tiefgarage im Stadtgebiet in Brand gesetzt. Fest steht, dass es zum Zeitpunkt des Raubzugs stockdunkel am Dresdner Schloss war. Kurz zuvor hatte ein Elektroverteiler nahe des Schlosses gebrannt, das Straßenlicht war aus. Die Polizei untersucht, ob es einen Zusammenhang gibt. Fraglich ist, wie viel Insiderwissen die Täter hatten.
Das Juwelenzimmer gilt als der prachtvollste Raum des Grünen Gewölbes. Täfelungen, Spiegel, Türbekrönungen, Pilaster und Marmorfußboden wurden nach historischen Quellen rekonstruiert.
In vier Hightech-Vitrinen liegen verschiedene Kostbarkeiten – darunter der weltgrößte blaue Stein dieser Art. Im Juwelenzimmer befinden sich auch die „Juwelen der Königin“: Diamanten und Brillanten auf tiefdunkelblauer indischer Rohseide.