Augsburger Allgemeine (Land West)
Hermann Hesse versteht nichts von Fußball
Hermann Hesse musste nie im Abstiegskampf die Ärmel hochkrempeln, Gras fressen, ans Limit und darüber hinaus gehen oder was auch sonst immer einer der Labbadiaslomkas verlangt. Andernfalls wäre es nicht zu erklären, wie der verehrte Herr Nobelpreisträger sich auf das Verschen versteifen konnte, wonach jedem Anfang ein Zauber innewohnt.
In Köln beispielsweise wohnen dem Anfang von Markus Gisdol allenfalls Frust und Sorgen inne. Der 1:4-Niederlage gegen Leipzig etwas Gutes abzugewinnen, gelänge allenfalls Siddhartha. Der gute Mann mag vielleicht zur Erleuchtung gelangt sein, um die Rheinländer vor dem Abstieg zu bewahren, braucht es allerdings ein wenig mehr.
Dichtung und Fußball haben eben nicht viel gemein. Auf der einen Seite die hohe Kunst, vielschichtige Charaktere, Geschichten über Leben, Tod und alles dazwischen – auf der anderen Seite: schnöde Buchstaben.
Andererseits hat Hesse ja auch nicht ganz unrecht. Der Start von Achim Beierlorzer in Mainz: durchaus zauberhaft. Der Franke hat zudem die prophetischen Zeilen des Dichters bestätigt:
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen
Noch ehe Beierlorzer in Köln wirklich heimisch geworden ist, hat er sich gen Mainz aufgemacht. Ganz im Sinne Hesses.
Ante Covic wiederum wohnt seit Jahrzehnten in Berlin. Er gehört bislang noch nicht zum fahrenden Volke der Fußball-Handlungsreisenden. Das freilich könnte sich in den kommenden Tagen ändern. Unwahrscheinlich, dass die Verantwortlichen der Hertha noch lange auf den Zauber warten, den sie sich vom Trainer erhofft hatten. Wem aber dann das Amt antragen? Jürgen Klinsmann, dem Siddhartha der Trainer, der jeden Tag jeden ein bisschen besser machen will. Oder eher einem handfesten Übungsleiter? Innere Zerrissenheit der Funktionäre, die so ähnlich wie Harry Haller fühlen dürften. Nein, kein Anverwandter der Augsburger Stürmer-Legende, sondern Hauptfigur des Steppenwolf. Mit Hesse lässt sich viel erklären. Nicht aber das Mysterium Fußball.