Augsburger Allgemeine (Land West)
Glibberschleim am Sessel
Familienkonzert Lustige Geistersuche in „Giselle“für Kinder
Das nahezu ausverkaufte erste Familienkonzert der Spielzeit im Martinipark am Sonntagvormittag lieferte eigentlich einen kleinen Nachschlag zum „GeistZeit“-Spielzeitmotto des Vorjahrs. Denn diesmal leistete Theaterpädagogin Nicoletta Kindermann alias Claudia Neunmalklug von der „Augsburger Generalen“ganze Arbeit als Geisterjägerin. Kein Wunder, wimmelt es doch im aktuellen Ballettklassiker „Giselle“gerade im zweiten Akt nur so von unheimlichen Waldgeistern mit schneeweißem Antlitz, die als „Wilis“in die Ballettgeschichte eingingen und jetzt in der modernen Neufassung von Ballettchef Riccardo Fernando vor nächtlicher Waldkulisse tanzend und wirbelnd ihr Unwesen treiben.
Stolz präsentierte die geistgerecht gepanzerte Jägerin den Kindern ihre Auswahl bereits dingfest gemachter Wein-, Wasser- oder Flaschengeister, darunter auch echte VIP-Geister
wie das „Kleine Gespenst“oder den Geist von Canterbury. Bei ihren Spaziergängen durch die Stadt habe sie auch zahlreiche „Kleingeister“getroffen... Während sich darüber die Eltern amüsierten, die später gemeinsam mit den Sprösslingen unter der Anleitung durch Momoko Tanaka (Giselle) und Samuel Maxted (Albrecht) die fünf Grundpositionen des klassischen Balletts übten, freuten sich die kleinen Staatstheatergäste am grünen Glibberschleim unter den Stühlen, der eindeutige Hinweise auf die überirdischen Vorgänge im Theater gab.
Apropos überirdisch: Mit einer atemberaubend schwerelosen und präsenten Momoko Tanaka und einem wahrlich elegant auftretenden Samuel Maxted, die hier ihr Rollendebüt als unglückliches Liebespaar Giselle und Albrecht gaben, hat Choreograf Fernando eine tänzerische Idealbesetzung gefunden! Wie aber tanzt man einen Geist und einen Mann, der von Geistern umzingelt wird? „Ich versuche“, so Tanaka im kurzen Bühneninterview „so zu tanzen, als würde ich überhaupt nichts wiegen. Das unterstützt natürlich auch ein starker Tanzpartner.“Und Samuel Maxted ist als Albrecht so traurig über den Verlust der geliebten Giselle, dass er seine Furcht vor den Geistern überwindet, um sie nur ja wiederzusehen.
Da Ballettchef Fernando die dreisten Versuche der Geisterjägerin, die Tänzer mitten im Bühnengeschehen einzufangen, gerade noch verhindern konnte, besprach sich die Jägerin mit dem neuen 2. Kapellmeister Justin Pambianchi, dessen starkes Dirigat die Augsburger Philharmoniker zu einer mitreißenden Gestaltung von Adolphe Adams Ballettkomposition motiviert hatte. Geistreich stellte er klar, dass die Geister doch nur tanzen, wenn die Musiker sie spielend auf die Bühne locken. So klang das Familienkonzert mit den signalhaften Stab-Glockenklängen aus, die das Morgengrauen und damit das Finale von „Giselle“verkündeten, die in dieser auf Kinderlänge gekürzten Version durchaus zu begeistern verstand.