Augsburger Allgemeine (Land West)
Es geht nichts über Neurosen
Kultur Die Kabarettistin Rose Neu steht in Wörleschwang auf der Bühne. Selbstironisch singt sie tiefgründig über Beziehungen
Zusmarshausen-Wörleschwang Sie ist frech, sie ist charmant, sie ist komisch, spitzzüngig und vor allem sehr stimmgewaltig. Trotzdem hat es schon ein bisserl gedauert, bis das Publikum im Kultur-Stadl aufgetaut ist. Das spürte auch die Künstlerin Rose Neu alias Andrea Greis. Und so fragte sie gleich mal zwei Besucherinnen, wie denn die Stimmung sei. Ein „Gut“reichte ihr nicht, „Wörleschwang tobt“rief sie und damit war das Eis gebrochen.
Sie stamme noch aus der Zeit, als es im Auto hinten noch Aschenbecher für Kinder gab. Die Neurosen, die jeder hat und auch für alle da sind, haben nicht nur Autofahrer, wenn sie zu langsam unterwegs sind.
„Sie werden nicht geblitzt, sie werden gemalt.“Die Künstlerin sinnierte über Partnerschaften und kam zur Überzeugung, dass sie bei den zehn Stunden Schlaf, die sie täglich braucht, durchaus eine Traumfrau sei. Sie glaube noch daran, dass jeder Topf seinen Deckel bekommt, doch „ich bin scheinbar ein Wok.“Ihre Mutter hätte einmal behauptet: „Wer sich heute noch bindet, ist die Bratensauce.“
Selbstironisch und augenzwinkernd nahm sie jedes Klischee auf die Schippe. Wenn die quirlige Musikkabarettistin über Plagen der Wechseljahre und den hoffnungslosen Kampf der Frauenwelt gegen Falten, Cellulitis und Fettdepots im
Lied „Wir wollen nie mehr auseinander geh’n“singt, dann hat es absolut nichts mit der großen Liebe, sondern mit dem „knackigen“Alter zu tun. Ja, man nehme gerne zu, um die Haut zu straffen, sagte sie. Dass man mit „eingezogenem Bauch nicht gut reden kann“, das sollte doch jedem klar sein. Den Kummer über die nicht mehr so knackige Figur kommentierte sie mit einem: „Meine Form fällt aus der Norm.“
Bei diesem kurzweiligen Abend dürfen ihre „Schlooocher“nicht fehlen, wie die gebürtige Unterfränkin, sie dann auch gleich in umgewandelter Form zum Besten gibt. So wurde aus Wencke Myhres Liebeserklärung für ihren Liebsten im Tor (und sie dahinter) ein Thema für einen Seitensprung: „Er geht in Chor und ich zu Günther“. Und spätestens bei Edith Piafs „Non, je ne regrette rien“(Nein, ich bereue nichts) lag ihr das Publikum zu Füßen. Sie kann eben auch ernsthaft.
Rose Neu ist wandelbar und hat eine atemberaubende Bandbreite in ihrer Wahnsinnsstimme. Das wurde im Opernduett von Verdi bei einem Streit zwischen Sopran und Tenor ganz besonders deutlich. Gitarre und Akkordeon begleiteten sie den ganzen Abend bei ihren tiefgründigen bis hin zu sarkastischen Liedern und sie hat bewiesen, dass auch das Nicht-Normale ganz normal sein kann.