Augsburger Allgemeine (Land West)
Wer kauft MAN Energy Solutions und Renk?
Hintergrund Volkswagen will sich von beiden Firmen trennen. Noch sind mehrere Interessenten im Rennen. Die Reihen reichen von Industriekonzernen bis hin zu Finanzinvestoren. Doch Betriebsräte und Gewerkschafter reden mit und stellen klare Forderungen
Augsburg Die Nervosität steigt. Hinter den Kulissen versuchen sich die an der Übernahme der früheren Augsburger MAN-Betriebe interessierten Bieter im besten Licht darzustellen. So wollen sie sich Vorteile gegenüber ihren Mitbewerbern verschaffen. Doch noch ist nach Informationen unserer Redaktion das Rennen um zwei traditionsreiche Industrie-Unternehmen – den Getriebehersteller Renk und den Dieselmotorenund Turbomaschinenbauer MAN Energy Solutions – offen. Fest steht nur: VW will sich von beiden Unternehmen trennen.
Die Firmen waren im Zuge der Übernahme des Münchner MANKonzerns durch VW Teil des Automobilbauers geworden. Die damaligen Verantwortlichen in Wolfsburg hatten es vor allem auf die MANNutzfahrzeugsparte mit Hauptsitz in München abgesehen, um so, mit dem ebenfalls geschluckten schwedischen Anbieter Scania, einen Lkw-Riesen zu bauen. Dennoch bekannten sich die einstigen VWGranden Ferdinand Piëch und Martin Winterkorn klar zu Renk und „dem Diesel“, wie MAN Energy Solutions nach wie vor in Augsburg heißt, der einstigen Wirkungsstätte des Motoren-Genies Rudolf Diesel.
Unter dem neuen VW-Management mit Konzern-Chef Herbert Diess an der Spitze zählen derlei Augsburger Treueschwüre nichts mehr. Volkswagen will sich auf sein automobiles Kerngeschäft konzentrieren und sucht für Renk und MAN Energy Solutions eine „industrielle Lösung“. Dabei hat sich Diess für seine schwäbischen VW-Firmen alle Optionen offengehalten: Es ist also möglich, dass sie in Gemeinschaftsunternehmen eingebracht oder teilweise, ja sogar vollständig verkauft werden. Letztere Variante ist für den finanziell schwer durch den Diesel-Skandal gebeutelten VW-Konzern am lukrativsten und wird daher auch intensiv verfolgt.
Dabei zeichnet sich ab, dass die börsennotierte Renk AG, an der Volkswagen 76 Prozent hält, leichter und damit schneller als MAN Energy Solutions versilbert werden kann. Und das, obwohl der Getriebespezialist mit rund 1200 Mitarbeitern allein in Augsburg neben dem zivilen auch über ein starkes militärische Bein verfügt. Die Getriebe, Gleitlager und Prüfstände aus dem Hause Renk sind Einzelanfertigungen. Sie werden in Mega-Jachten, Marinebooten, Öl-Tankern, Windkraftanlagen, Zementmühlen und eben auch Panzern wie den Puma oder den Leopard eingebaut. In vielen Bereichen ist Renk Weltmarktführer. Volkswagen kann die Technologie-Perle nicht einfach an den Höchstbietenden verscherbeln. Wie sich in Berlin und auch in Paris relässt, wollen die Verteidigungsministerien beider Länder gefragt werden, ehe der Zuschlag an einen Interessenten erteilt wird, stecken Renk-Getriebe doch in deutschen wie französischen Panzern.
Somit muss eine europäische Lösung für das Unternehmen gefunden werden. Anders wie im Fall des auch in Augsburg angesiedelten rein zivilen Roboter- und Anlagenbauers Kuka kommen also Chinesen als Käufer nicht infrage. Im Übrigen heißt es in heimischen Industriekreisen auffällig oft: „Wir müssen ein zweites Kuka in Augsburg mit aller Kraft verhindern.“Der schwäbische Schwur gilt für Renk wie MAN Energy Solutions mit der hohen Zahl von rund 4000 Mitarbeitern in der Stadt. Hintergrund: Gerade
Arbeitnehmervertreter wollen dieses Mal ausschließen, dass wie bei Kuka erst seitens der Investoren weitreichende Beschäftigungszusagen gemacht werden und dann doch hunderte Arbeitsplätze wegfallen. Deshalb favorisieren die Mitarbeitervertreter in beiden Fällen einen industriellen und eben nicht einen reinen Finanzinvestor. Wenn Renk unbedingt verkauft werden müsse, dann ist für IG-Metall-Verantwortliche der deutschen Rüstungs- und Automobilzulieferkonzern Rheinmetall aus Düsseldorf erste Wahl.
Im Falle eines Durchmarsches des Rüstungskonzerns erhoffen sich Betriebsräte wie Gewerkschafter, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben und kräftig in Renk-Standorte investiert wird. Zwischenzeitlich war wohl aus Konkurrenz- und Finanzkreisen das Gerücht gestreut worden, Rheinmetall habe das Werben um die Augsburger Braut beendet. Nach Recherchen dieser Redaktion flirten die finanziell gut gerüsteten
Rheinländer aber nach wie vor mit dem Augsburger Getriebespezialisten. So heißt es in gut unterrichteten Kreisen: Wenn Rheinmetall-Chef Armin Papperger die ÜbernahmeSchatulle möglichst weit aufmache, könnten die Volkswagen-Mächtigen sicher nicht widerstehen, zumal sie so Stress mit den bei VW besonders einflussreichen Gewerkschaftern um den obersten Betriebsratschef Bernd Osterloh vermeiden könnten.
Rückt Papperger nicht genug Geld heraus, kommen jedoch nach Informationen unserer Redaktion drei Finanzinvestoren ins Spiel, die noch Interesse an Renk haben. Für den Fall hätte wohl der schwedische Gruppe EQT gute Karten, zumal die Investoren bei Beteiligungen in Deutschland unter Beweis gestellt haben, dass sie den Dialog mit Gewerkschaftsvertreten suchen und sich an Abmachungen halten.
Aber auch eine der größten amerikanischen Private-Equity-Gesellschaften, die Carlyle Group, hat Appetit auf Renk. Der US-Geldgeber dürfte aber bei den Regierungen in Berlin und Paris auf Vorbehalte stoßen. Als dritter im „HeuschreckenBunde“gilt die in Europa engagierte Beteiligungsgesellschaft Triton. Dem Restrukturierer werden eher Außenseiterchancen zugestanden.
Insider bezweifeln ohnehin, dass Renk für Finanzinvestoren geeignet ist. Denn um einen Mehrwert zu erzielen – und erst das steigert den Appetit solcher Geldgeber – müsste das Augsburger Unternehmen mit einem anderem zusammengelegt werden. Hier käme vor allem der zu Siemens gehörende zivile Getriebehersteller Flender infrage. Eine derartige „Verpartnerung“, heißt es unter Branchenkennern, sei jedoch in den nächsten Jahren schwer zu stemmen. Nach der Logik liefe alles auf Rheinmetall hinaus. Vielleicht fällt im Fall „Renk“sogar noch in diesem Jahr eine Entscheidung.
Bei MAN Energy Solutions wercherchieren dem Vernehmen nach erst Anfang 2020 Beschlüsse gefasst. Denn es muss ein Investor gefunden werden, der an allen Sparten des Unternehmens Gefallen findet und damit den Fortbestand sowohl des Dieselmotorenals auch Turbinengeschäfts garantiert. Dabei wandelt sich MAN Energy Solutions rasant zu einem Unternehmen, das mit
CO2-ärmeren Kraftwerken und Speichern für regenerativ erzeugten Strom die Energiewende in Deutschland durch Innovationen mitgestaltet. Gerade wegen letzterer Qualitäten haben Mitarbeiter-Vertreter nicht die Hoffnung aufgegeben, dass die Firma vielleicht doch noch einige Jahre unter dem schützenden Volkswagen-Mantel verden bleiben darf, bis die neuen Technologien weiterentwickelt sind und die Firma dadurch mehr wert ist. Dessen ungeachtet wirken die VWStrippenzieher entschlossen, auch MAN Energy Solutions zu verkaufen. Als Kandidaten sind drei Unternehmen im Gespräch: Hier werden häufig der US Diesel- und Gasmotorenhersteller Cummins wie das japanische Unternehmen Mitsubishi Heavy Industries genannt. Dritter im Bunde ist eine Art industrielles trojanisches Pferd: Denn hinter dem Tiroler Interessenten Innio Jenbacher, einem Hersteller von Gasmotoren, steckt der US-Finanzinvestor Advent International. Nach dem derzeitigen Stand würde MAN Energy Solutions also in japanische oder amerikanische Hände fallen.
Kann VW-Chef Diess das zulassen? Schließlich handelt es sich um eines der ältesten deutschen Unternehmen, das bis auf das Jahr 1758 zurückgeht. Für den Fall, dass der Manager hartleibig bleibt und die Firma abgibt, werden Gewerkschafter Interessenten mit Forderungen nach langjähriger Absicherung der Jobs sowie weitreichenden Standortund Investitionszusagen konfrontieren. In Augsburg will man eben unbedingt ein Kuka II verhindern.
Rheinmetall ist noch interessiert