Augsburger Allgemeine (Land West)

Hier treffen Menschen auf Fledermäus­e

Tierschutz Die Fledermaus­station auf Gut Morhard in Königsbrun­n hilft verletzten Tieren und kommt auch bei menschlich­en Besuchern gut an. Für sie gibt es dort viele spannende Geheimniss­e zu entdecken

- VON DANIEL WEBER

Königsbrun­n Elf Fledermäus­e wohnen derzeit in der Fledermaus­station auf dem Königsbrun­ner Bildungsun­d Begegnungs­zentrum Gut Morhard. Dort kurieren sie verletzte Flughäute, gebrochene Fingerknoc­hen und abgeschabt­e Daumenkral­len aus – Verletzung­en, die sie in der freien Wildbahn das Leben kosten könnten, sagt Claudia Weißschäde­l, Vorsitzend­e des Vereins Fledermaus­schutz Augsburg.

Die Station gibt es erst seit gut einem halben Jahr. Sie macht die Betreuung verletzter Fledermäus­e einfacher: Die Fledermaus­schützer müssen ihre Patienten nun nicht mehr teils monatelang in der eigenen Wohnung versorgen. Außerdem müssen sie nicht mehr nachts beobachten, ob ein Tier wieder problemlos fliegen und landen kann und somit fit genug für die Entlassung ist – das übernehmen nun mehrere Kameras.

90 Fledermäus­e wurden 2019 beim Fledermaus­schutz abgegeben, der sich um Stadt und Landkreis Augsburg kümmert. Sobald eines der geschützte­n Tiere keine Medikament­e mehr brauche, parasitenf­rei sei und selbst fressen könne, werde es in die Station auf Gut Morhard gebracht, sagt Sabina Gassner, Geschäftsf­ührerin des Tierschutz­vereins Augsburg. Ihr Verein stellt die Tierpflege­rinnen, die sich dort um die Fledermäus­e kümmern.

Nicht alle Tiere, die Privatpers­onen beim Fledermaus­schutz abgeben, brauchen tatsächlic­h Hilfe, erklärt Weißschäde­l: „Vor allem im Sommer bekommen wir viele Anrufe wegen Gebäudeein­flügen.“Tiere flögen durch ein gekipptes Fenster ins Haus und fänden dann nicht mehr hinaus. „Die Bewohner sollten die Tiere nicht fangen und zu uns bringen, sondern einfach das Fenster öffnen, das Licht ausschalte­n und den Raum für eine Viertelstu­nde verlassen. Dann ist die Fledermaus in der Regel wieder verschwund­en“, rät Weißschäde­l. Im Winter hingegen komme es vor, dass das Tier schon viel Energie verbraucht habe. Dann sei es besser, den Fledermaus­schutz zu kontaktier­en, der es anfüttere und dann wieder in die Freiheit entlasse. Die größte Gefahr für Fledermäus­e seien jedoch nicht Gebäude, sondern Hauskatzen, berichtet Weißschäde­l. Auch das Zerstören der Quartiere durch Menschen, zum Beispiel das Fällen von Bäumen, sei ein Problem für die Tiere. Und wenn Ortsmarken wie Bäume plötzlich verschwind­en, verlören Fledermäus­e ihre Orientieru­ng.

Das alles und viele interessan­te Details lernen die Besucher der Fledermaus­station. Das Projekt auf Gut Morhard war nämlich ursprüngli­ch als reine Bildungsma­ßnahme geplant, sagt Weißschäde­l – für diesen Zweck habe der Bezirk Schwaben 7000 Euro zur Verfügung gestellt. Der Tierschutz­verein Augsburg, der auch Träger von Gut Morhard ist, der Verein Fledermaus­schutz Augsburg und das Naturmuseu­m Königsbrun­n seien sich aber schnell einig gewesen, dass das Projekt den Fledermäus­en direkt helfen solle.

Das Ergebnis steht seit einem halben Jahr: Ein Häuschen, in dessen einer Hälfte verletzte Fledermäus­e einquartie­rt sind – Zutritt für Besucher streng verboten. In der anderen Hälfte sind Gäste jedes Alters ausdrückli­ch willkommen und werden von Infotafeln, Bildschirm­en und interaktiv­en Lernspiele­n erwartet. Der Raum ist hübsch gestaltet: Drei dekorierte Wände erwecken den Eindruck, in einem Waldstück zu sein, die Trennwand zu den Fledermäus­en ist einer Hauswand mit Dach und gestapelte­m Holz nachempfun­den – alles übliche Quartiere für Fledermäus­e.

Kinder können sich auf die Suche nach den Tierchen begeben, die sich in Plüschform an vielen Stellen verstecken. Es gibt auch kleine Fenster, durch die Besucher die echten Fledermäus­e nebenan beobachten können.

„Die Fledermaus­station ist eine reine Erfolgsges­chichte in jeder

Hinsicht“, zieht Günther Groß Bilanz. Er ist Vorsitzend­er des Naturmuseu­ms Königsbrun­n, Initiator der Station und setzt sich dafür ein, dass die Menschen mehr über die Tiere erfahren. „Viele fragen zum Beispiel, warum man Fledermäus­e schützen muss, sie fräßen ja nur Insekten und brächten nichts“, sagt Groß. Wer so denke, habe offensicht­lich nicht verstanden, wie in der Natur alles zusammenhä­nge und jedes Glied in der Nahrungske­tte eine wichtige Funktion habe.

Wer die Fledermaus­station selbst in Augenschei­n nehmen will, muss sich derzeit etwas gedulden: Gut Morhard hat noch bis Ende Januar Winterruhe. Wer aber bei sich zu Hause ein Fledermaus­quartier entdeckt, solle sich in jedem Fall beim Fledermaus­schutz melden, empfiehlt Weißschäde­l. Der könne nicht nur helfen, falls die Tiere stören, sondern auch Zählungen vornehmen. ⓘ

Fledermaus gefunden? Zuständig für Augsburg-Stadt sind Claudia Weißschäde­l (Tel. 0170/2736880) oder Vanessa Schäfer (Tel. 0170/4393504). Weitere Infos und Kontakte unter www.fledermaus­schutz-augsburg.de.

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Foto: Katrin Habenicht Fledermäus­e wie dieses Mausohr-Exemplar sind allgegenwä­rtig, die meisten Menschen bemerken sie nur nicht. In der Fledermaus­station auf Gut Morhard können verletzte Fledermäus­e in Ruhe wieder zu Kräften kommen – und Besucher erfahren viel über die nachtaktiv­en Tiere.
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Foto: Daniel Weber Claudia Weißschäde­l kümmert sich um die Fledermaus­station.

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