Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein ominöser Kauf
Justiz Geschäfte eines Augsburger Autohändlers rücken in den Fokus der Polizei
Früher hat man ein gebrauchtes Auto per Zeitungsinserat in der Region ge- oder verkauft. Oder ist zum Händler seiner Wahl gegangen. Heute, im Zeitalter des Internets, werden Fahrzeuge über Ländergrenzen hinweg weltweit verdealt. Dabei geht es nicht immer mit rechten Dingen zu – wie ein Prozess wegen Hehlerei vor Amtsrichter Baptist Michale vermuten lässt.
Das Corpus Delicti ist ein VW Tiguan, ein SUV, der neu ab rund 30 000 Euro zu haben ist. Das Fahrzeug war von einer Französin aus Orly bei Paris geleast worden. Eigentümer war die französische VWBank. Ein Augsburger Autohändler, der öfter Geschäfte mit Frankreich abwickelte, orderte den neuwertigen Tiguan via Internet im Februar 2019 für 25000 Euro bei einem Händler in der Nähe von Paris. Ein Geldbote brachte die Summe in bar von Augsburg nach Paris, übergab das Geld einem französischen Mittelsmann. Der holte den Wagen samt Papieren – Übergabe vor einem Bürogebäude – von dem französischen Händler ab und überführte ihn mit französischen Kennzeichen
problemlos nach Augsburg. Der Tiguan erhielt ein deutsches Nummernschild. Eine Woche später verkaufte der nun Angeklagte den SUV für 27000 Euro gewinnbringend an einem Marokkaner, der den Wagen nach Nordafrika überführte.
Ein halbes Jahr später, im August 2019, bekam die Polizei die Nachricht vom Kraftfahrtbundesamt, dass der VW Tiguan inzwischen von den französischen Behörden als unterschlagen gemeldet worden war. Die Halterin in Paris hatte nach einigen Monaten die Zahlung der Leasingraten eingestellt. Der schöne SUV war nun wohl auf Nimmerwiedersehen in Marokko verschwunden, Hintergründe ziemlich unklar.
Im Prozess warf Staatsanwalt Stephen Soßna dem Augsburger Autohändler nun Hehlerei vor. Der Angeklagte, 44, (Verteidiger: Ralf Schönauer) wehrte sich. Für ihn sei das Geschäft mit dem französischen Händler ganz normal gelaufen, auch wenn der Tiguan als Leasingfahrzeug eigentlich noch der VW-Bank gehört habe. Legal seiner Ansicht nach, auch wenn in den Fahrzeugpapieren der Verkauf in Frankreich nicht vermerkt gewesen sei. „So etwas kommt durchaus vor“, behauptete der Angeklagte. Nicht ganz astrein erschien es allerdings dem Staatsanwalt, dass die französische Polizei auf Bitten ihrer Augsburger Kollegen den Autohändler in Orly überhaupt nicht ausfindig machen konnte. Der französisch-deutschmarokkanische Autodeal wies also einige Ungereimtheiten auf. Aber, und das war die entscheidende Frage: Konnte man dem Angeklagten nachweisen, dass er wusste, was in Frankreich gelaufen ist? Dass er bewusst ein Auto ankaufte, das unterschlagen worden war? Die Antwort lautete: eher nein. Richter Michale und Staatsanwalt Soßna stimmten schließlich der Anregung von Verteidiger Schönauer zu, das Verfahren wegen „geringer Schuld“einzustellen. Der Angeklagte muss lediglich seine eigenen Anwaltskosten berappen.