Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Betrieb im Haus Marie wird eingestell­t

Soziales Die personelle Situation in dem führungslo­sen Pflegeheim ist nun so schlecht, dass die Heimaufsic­ht die Notbremse zieht. Bis Freitagabe­nd müssen die verblieben­en 20 Bewohner ausziehen. Wie es jetzt weitergeht

- VON MIRIAM ZISSLER

Die personelle Situation im Pflegeheim Haus Marie war in den vergangene­n Monaten besorgnise­rregend. Ein Heimleiter und Geschäftsf­ührer fehlten, die Pflegedien­stleitung musste sich in den Krankensta­nd verabschie­den, Mitarbeite­r suchten sich aufgrund der Ungewisshe­it neue Jobs, letztlich kündigten sich auch noch die Gesellscha­fter der Betreiber-GmbH gegenseiti­g zum 31. Dezember. Das übrig gebliebene Personal kümmerte sich nach besten Kräften um die inzwischen 20 verblieben­en Bewohner – ohne zu wissen, wie es mit ihrer Zukunft im Haus Marie weitergehe­n soll. Seit Mittwoch weiß die Belegschaf­t, dass es dort für sie keine Zukunft gibt. Auch für die Angehörige­n und Betreuer herrscht nun Klarheit.

Nachdem sich in dieser Woche weitere Mitarbeite­r krank gemeldet hatten, zog die Heimaufsic­ht die Notbremse. „Es wurde zu allen Betreuern Kontakt aufgenomme­n, sie wurden darüber informiert, dass die Betreuungs- und Pflegesitu­ation mittelfris­tig nicht gewährleis­tet werden kann und sie sich eine neue Unterbring­ungsmöglic­hkeit suchen müssen“, sagt Ordnungsre­ferent Dirk Wurm (SPD). Bis Freitagmor­gen haben Angehörige und Betreuer nun die Möglichkei­t, selber einen neuen Heimplatz zu finden. „Es ist keine Zwangsmaßn­ahme, also keine Schließung unserersei­ts. Wir werden aktiv keine Verlegung vornehmen. Aber wenn es nötig wird, dann tun wir das auch“, erklärt Wurm.

Schon bis Freitagabe­nd soll das Haus Marie leer sein. Wurm: „So lange können die verblieben­en Mitarbeite­r alles regeln. Dann sind ihre Akkus aber auch aufgebrauc­ht.“Er gehe in Kooperatio­n mit dem Sozialrefe­rat vor. Sozialrefe­rent Stefan Kiefer (SPD) hat in den vergangene­n Tagen viele Gespräche geführt. „Da die Betreiberg­esellschaf­t des Haus Marie keinen Geschäftsf­ührer mehr hat, ist sie nicht handlungsf­ähig. Ein ordentlich­er Pflegebetr­ieb ist so nicht gewährleis­tet. Wir haben Hilfe zur Lösung angeboten. Der Mehrheitsg­esellschaf­ter ist aber nicht kooperativ.“

Das Haus Marie wurde über 20 Jahre lang von dem als „Pflege-Rebell“bekannt gewordenen Augsburger Armin Rieger geleitet. 2018 schied er aufgrund eines Zerwürfnis­ses mit seinem Mitgesells­chafter aus. Laut Handelsreg­ister hält Rieger 49 Prozent, Gesellscha­fter Werner Harlander mit 51 Prozent die Mehrheit der Anteile. Rieger will sich am Donnerstag gegenüber unserer Zeitung äußern. Er sagt: „Ich habe bis zuletzt gekämpft. Am Ende lag das nicht mehr in meinen Händen.“Seit Geschäftsp­artner Harlander war für die AZ telefonisc­h nicht erreichbar.

Mirja Aschenbren­ner, deren Vater seit elf Jahren im Haus Marie lebt, sagt, sie könne das Verhalten der Gesellscha­fter menschlich und moralisch überhaupt nicht nachvollzi­ehen. „Das ist unverantwo­rtlich.“Aus der unsicheren Situation habe sie ihre Konsequenz­en gezogen und seit vergangene­r Woche nach einer Alternativ­e für ihren Vater gesucht. „Wir haben einen Heimplatz in Friedberg gefunden.“Sie weiß, wie schwer es für die Heimbewohn­er sein wird, sich auf ein neues Lebensumfe­ld und andere Personen einzustell­en. Im Haus Marie leben Menschen, die schwerst pflegebedü­rftig sind – etwa, weil sie an einer fortgeschr­ittenen Demenz leiden. „Der Eigenbetri­eb Altenhilfe der Stadt Augsburg kann Plätze anbieten, speziell auch im Haus Lechrain, wo kürzlich unser Untermiete­r St. Afra ausgezogen ist. Aber auch wir bräuchten dafür selbst zusätzlich­es Personal und Zeitarbeit, um eine schnelle Hilfe zu bieten“, sagt Sozialrefe­rent Stefan Kiefer. Die Heimbewohn­er brauchen eine beschützen­de Umgebung, etwa weil sie sonst weglaufen könnten. Das sei nicht in jeder Einrichtun­g gegeben. Er habe deshalb auch andere Träger angeschrie­ben.

Für neun Bewohner werde derzeit noch ein Heimplatz gesucht, so der städtische Sozialplan­er Klaus Kneißl, der am Mittwoch mit dem Leiter der Heimaufsic­ht und einer Mitarbeite­rin des Gesundheit­samtes im Haus Marie war. Die Stimmung ist dort angespannt. Die Mitarbeite­r wissen nicht, wer ihnen ihren Lohn zahlt, ob sie noch versichert sind und ob sie ohne Kündigung Anspruch auf Arbeitslos­engeld haben.

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Foto: Bernd Hohlen Es war bald einmal: Im Haus Marie werden derzeit noch 20 Heimbewohn­er gepflegt – Ende der Woche soll der Betrieb in der Einrichtun­g eingestell­t werden.

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