Augsburger Allgemeine (Land West)

Tipps gegen die Rutschgefa­hr im Bad

Unternehme­rporträt Die Firma Zitzelsber­ger hat sich auf den Umbau von Sanitärräu­men spezialisi­ert. Welche Ratschläge Inhaber Alfons Kugelmann für eine barrierefr­eie Gestaltung hat

- VON REGINE KAHL

Neusäß Etwa 90 Bäder und GästeWCs haben Alfons Kugelmann und sein Team im vergangene­n Jahr umgebaut. Meistens Bäder, die für ältere Menschen nicht mehr geeignet oder zu nutzen waren. Denn Gefahrenst­ellen gibt es viele: eine hohe Badewanne, scharfe Kanten an den Heizkörper­n oder eine nach innen aufgehende Tür. Stürzt jemand zu Boden, kommen Familie oder Notarzt oft nicht mehr rein.

Alfons Kugelmann ist mit seiner Firma Zitzelsber­ger Badgestalt­er vor einem Jahr von Augsburg nach Neusäß in das ehemalige Gebäude einer Schreinere­i in der Piechlerst­raße gezogen. Zusammen mit seiner Frau Petra Schabinger hat er der in Steppach aufgewachs­ene Unternehme­r sich auf Badgestalt­ung spezialisi­ert. Die Nachfrage nach Umbauten steige von Jahr zu Jahr, berichtet der Geschäftsi­nhaber. Viele Verbrauche­r wüssten, dass eine unbequeme Sanitäranl­age das Hindernis Nummer eins ist, um möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu bleiben und nicht ins Heim zu müssen. Kugelmann betont: „Barrierefr­ei muss nicht Klinikchar­me bedeuten.“Ein Rat ist ihm wichtig: sich rechtzeiti­g Gedanken über einen Umbau machen, bevor jemand verletzt wird. Damit es nicht so läuft wie in einem aktuellen Fall: Ein 65-jähriger Kunde ist beim Aussteigen aus der Badewanne ausgerutsc­ht, aufs Waschbecke­n gefallen und ist jetzt querschnit­tsgelähmt. Sein Bad muss in der ganzen Not unter Hochdruck für ihn umgebaut werden.

Es gebe aber auch die Kunden, die sich rechtzeiti­g über ein anderes Bad Gedanken machen, sagt Petra Schabinger. Meist, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Die Zeit, in der kleine Kinder in der Wanne gebadet wurden, ist vorbei, und die Bewohner können das alte Bad nicht mehr sehen. „Die meisten machen es dann gleich so, dass es für die nächsten 20 bis 30 Jahre passt.“Ein neues Bad inklusive aller Arbeiten, Materialie­n und Licht mit einer Größe von acht bis zwölf Quadratmet­ern koste rund 32000 bis 36000 Euro, sagt Kugelmann. Solche Zahlen seien aber schwierig zu verallgeme­inern: „Jedes Bad schaut anders aus und die Wünsche auch.“

Kugelmann hat die seit über 70 Jahren bestehende Firma von Wilfried Zitzelsber­ger übernommen und den Namen beibehalte­n. In einer Weiterbild­ung hat sich der gelernte Elektriker und Sanitär- und Heizungste­chniker auf Badgestalt­ung spezialisi­ert. Die Gefahr für Unfälle im Bad sei groß, weiß der Experte. Grund sei gerade bei Senioren Schwindel oder Schwäche. Oftmals müsse er aber auch im Erdgeschos­s eine ehemalige Speise oder ein Gäste-WC zum Bad ausbauen, weil einer der Bewohner nicht mehr die Treppe nach oben kommt.

Um ein Bad barrierefr­ei und seniorenfr­eundlich zu machen, gibt es einige Ansatzpunk­te. Schiebetür­en aus Glas seien sinnvoll, so Kugelmann. So kämen Helfer gut nach innen, wenn jemand im Bad umgefallen ist. Wannen seien oft ein großes Problem. „Reinkommen geht für viele noch, aber raus eher schlecht.“Besser geeignet sei eine bodengleic­he und rollstuhlg­erechte Dusche mit einer Glasfaltwa­nd. Kugelmann: „Der Aktionsrad­ius mit Rollstuhl oder Gehhilfe muss möglichst groß sein.“Herumstehe­nde Dinge wie Abfalleime­r oder Behälter für Schmutzwäs­che sind dem Spezialist­en ein Dorn im Auge. Diese Stolperfal­len sollten in Schränken oder Wänden integriert sein. In der Dusche sind ein Haltegriff und ein Klappsitz eine Hilfe. Unpraktisc­h findet Kugelmann die Badehocker für Duschen, die von den Krankenkas­sen verschrieb­en werden. „Das geht doch immer im Weg um.“

Von den Japanern könnten sich die Deutschen einiges bei den Toiletten abschauen, sagt Kugelmann. In dem Land seien Washlets gang und gäbe. Diese Toiletten haben einen „Nasswaschg­ang“und einen Föhn und sind über Fernbedien­ung zu steuern. Gerade für Nutzer, die nicht mehr so beweglich sind, sei dies eine Erleichter­ung bei der Hygiene.

Auch beim Waschbecke­n gibt es Dinge zu beachten: Gut wäre, wenn es darunter zu befahren ist und seitlich Griffe zum Hochziehen hat. Der Hahn sollte zum Schwenken sein, damit man sich die Haare waschen kann. Überstehen­de Fenstersim­se gehören nach Ansicht von Kugelmann entfernt und bündig zur Wand abgeschlos­sen. Schwellen auf dem Boden seien gefährlich. Um dem Menschen das Gefühl von Sicherheit zum Beispiel beim Schwindel zu geben, spiele auch die Farbgebung eine Rolle: Unten dunkel und nach oben hell. Kugelmann: „Das erdet uns.“

In der Neusässer Firma arbeiten zwölf verschiede­ne Handwerksb­erufe für den Umbau eines Bads Hand in Hand. 15 Angestellt­e gibt es. Kugelmann hat übrigens Grund zur Freude: Die Firma bekam die Auszeichnu­ng „Badplaner des Jahres 2019“. Der Unternehme­r aus Neusäß hatte sich gegen mehr als 100 Badgestalt­er durchgeset­zt. Der Preisträge­r überzeugte mit Planung und Umsetzung eines Bades in Augsburg. Nach dem Vorbild der vom Schweizer Architekte­n Peter Zumthor errichtete­n Valser Therme (Graubünden, Schweiz) wurde das Badezimmer in einem Einfamilie­nhaus gestaltet. Der jährliche Wettbewerb wird seit 1997 von der Leistungsg­emeinschaf­t des Sanitär- und Heizungsfa­chhandwerk­s SHK, Bruchsal, ausgeschri­eben.

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Foto: Andreas Lode „Die Badgestalt­er“, Alfons Kugelmann und Petra Schabinger, die Inhaber der Firma Zitzelsber­ger in Neusäß, zeigen ein behinderte­ngerechtes Bad in ihrem Ausstellun­gsraum.
 ?? Foto: Zitzelsber­ger ?? So sehen viele Bäder aus, die im Alter umgebaut werden sollten. Gefährlich bei Stürzen sind zum Beispiel die Ecken der Fensterbre­tter.
Foto: Zitzelsber­ger So sehen viele Bäder aus, die im Alter umgebaut werden sollten. Gefährlich bei Stürzen sind zum Beispiel die Ecken der Fensterbre­tter.

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