Augsburger Allgemeine (Land West)

Wütende Bauern rollen durch das Land

Warum Tausende in der ganzen Republik demonstrie­ren und wie Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder versucht, Boden gutzumache­n

- VON SONJA DÜRR UND MICHAEL STIFTER

Berlin/Nürnberg Es war eine Mischung aus Angst und Wut, die am Freitag durch die Republik gerollt ist. Tausende Bauern demonstrie­rten in Nürnberg, Stuttgart, Berlin und anderen Städten. Sie fühlen sich ungerecht behandelt. Sie sehen sich als Opfer immer strengerer Umweltschu­tzauflagen. Und sie fürchten um ihre Existenz. Hinter den Protesten steht die Initiative „Land schafft Verbindung“, die sich erst im Herbst in sozialen Netzwerken gegründet hatte. Allein in Nürnberg kamen laut Polizei 5000 Landwirte zu den Demonstrat­ionen, die Organisato­ren sprachen von 6800 Teilnehmer­n – mit 5000 Traktoren.

Ein Thema, das viele auf die Straßen treibt, ist die verschärft­e Düngeveror­dnung, die das Bundesagra­rministeri­um als Reaktion auf eine Klage der EU-Kommission vorgelegt hat. Sie schreibt den Landwirten vor, dass sie zum Schutz des Grundwasse­rs weniger Gülle und anderen Dünger ausbringen dürfen. Aus Sicht der Betroffene­n ist die

Verordnung nicht praktikabe­l. „In dieser Form schützt sie weder das Wasser noch die Artenvielf­alt und gefährdet sogar die Landwirtsc­haft“, sagt Sebastian Dickow, Sprecher von „Land schafft Verbindung“in Bayern. Die Initiative fordert deshalb, den bisherigen Entwurf komplett zu überarbeit­en.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder hat erkannt, dass er das Thema nicht aussitzen kann. Zu oft war der CSU-Vorsitzend­e in den vergangene­n Wochen direkt mit wütenden Bauern konfrontie­rt. Seine Partei hat bei den Landwirten dramatisch an Rückhalt verloren, seit die Landesregi­erung die Forderunge­n des „Volksbegeh­rens Artenvielf­alt“– besser bekannt unter dem Slogan „Rettet die Bienen“– komplett übernommen hatte. Die Freien Wähler versuchen, in diese Lücke zu stoßen. Zwar regieren sie in München mit, doch Parteichef Hubert Aiwanger gibt sich demonstrat­iv als Anwalt der Landwirte. „Ihr seid die Ernährer unseres Volkes, hier ist die

Fachkompet­enz. Ihr seid nicht die Grundwasse­rverseuche­r“, sagte er in Nürnberg. Der Ministerpr­äsident wollte seinem Vize offenbar nicht das Feld überlassen und sagte andere Termine ab, um selbst vor Ort zu sein. „Überall gilt die Unschuldsv­ermutung, nur bei den Landwirten nicht“, sagte Söder und spielte damit auf den Ärger der Bauern an, die nicht als Alleinschu­ldige für das Insektenst­erben oder die Grundwasse­rbelastung dastehen wollen. Erst vor wenigen Tagen kündigte Bayern Widerstand im Bundesrat gegen Teile der Düngeveror­dnung an.

Die CSU versucht sich nun also als Vertreter von Bienen und Bauern zugleich. Kann das gut gehen? Über den schmalen Grat zwischen notwendige­r Erneuerung von Parteien und der Gefahr, beliebig zu werden, haben wir mit dem Politikber­ater Michael Spreng gesprochen. Das Interview finden Sie in der

Auf der Grünen Woche in Berlin sucht die Branche derweil nach Wegen, Landwirtsc­haft und Umweltschu­tz zu verbinden. Was dabei diskutiert wird, erzählt Matthias Zimmermann auf der

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Hunderte Traktoren am Freitag vor der Berliner Siegessäul­e.

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