Augsburger Allgemeine (Land West)

SPD: Neue Spitze, alte Sorgen

Finanzmini­ster Olaf Scholz verteidigt die schwarze Null eisern gegen das rote Königspaar. Auch die Bundestags­fraktion fremdelt mit den Parteichef­s Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Die Umfragewer­te sinken

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Mit der neuen Spitze sollten bei der SPD Erfolg, Zuversicht und Geschlosse­nheit zurückkehr­en. Doch für die Genossen hat sich bisher keine dieser Hoffnungen erfüllt. Sieben Wochen ist das in einem so langwierig­en wie aufwendige­n Prozess gewählte Führungsdu­o Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans im Amt. Doch die Zustimmung­swerte konnten sie nicht heben. Im Gegenteil: Sie sind auf den niedrigste­n Wert seit einem halben Jahr gesunken. Bei nur noch 12,5 Prozent etwa sieht die jüngste Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Insa die SPD. Und zwischen den einzelnen Kraftzentr­en der Partei knirscht es mächtig.

In der Bundestags­fraktion um den besonnen bis zurückhalt­end auftretend­en Kölner Rolf Mützenich etwa wächst die Skepsis über die neuen Chefs im Willy-BrandtHaus täglich. Für Kopfschütt­eln sorgte etwa, dass Esken nach den Silvester-Ausschreit­ungen im linksalter­nativen Leipziger Stadtteil Connewitz erst einmal die Polizeitak­tik infrage stellte. Dies habe viele SPD-Anhänger verprellt, so der Vorwurf an die Vorsitzend­e.

Überhaupt gibt es vor allem gegen Esken in der Fraktion erhebliche Vorbehalte. Im Kreis der Abgeordnet­enkollegen galt die jetzige Parteichef­in vor ihrer Wahl als besserwiss­erische, unnahbare Hinterbänk­lerin. Über ein tragfähige­s Netzwerk verfügt sie nicht. Kaum einer der zahlreiche­n Vorstöße, die Esken, aber auch Walter-Borjans in großer Zahl und oft über soziale Medien unternehme­n, stößt in der Fraktion auf breite Zustimmung. Einen Linksruck hatte das Gespann versproche­n und fordert nun am laufenden Band entspreche­nde Gesetze. Für Gutverdien­er sollen steigende Spitzenste­uersätze und höhere Rentenbeit­räge gelten. Eine Vermögenst­euer für Millionäre soll eingeführt, Ausnahmen bei der Erbschafts­teuer abgeschaff­t werden. Grundstück­sbesitzern wollen Esken und Walter-Borjans über eine Besteuerun­g steigender Bodenwerte an den Geldbeutel. Doch nichts davon hat im Moment irgendwelc­he Umsetzungs­chancen in der Großen Koalition.

Es handle sich rein um „Ideen fürs Schaufenst­er“, unken genervte Fraktionsm­itglieder. Davon, das ungeliebte Bündnis mit CDU und CSU zu verlassen, ist nun aber plötzlich kaum mehr die Rede – zum Leidwesen linker Parteikrei­se. Dabei hatte gerade Saskia Esken im monatelang­en Wahlkampf um den SPD-Vorsitz ein GroKo-Ende vehement gefordert.

Olaf Scholz, der aus diesem Rennen als knapper Verlierer hervorgega­ngen war, regiert unterdesse­n weiter, als wäre nichts gewesen. Dreinreden lässt sich der Vizekanzle­r und Bundesfina­nzminister am allerwenig­sten von Walter-Borjans und Esken. Von deren Forderung, die schwarze Null zugunsten von Investitio­nen zu opfern, will Scholz nichts wissen. Das geht aus einem

Rundschrei­ben des Finanzmini­steriums hervor, über das der Spiegel berichtete. Nicht wenige Genossen glauben, dass Scholz am Ende sogar doch noch Kanzlerkan­didat der SPD werden könnte. Grundsätzl­ich seien zwar zunächst einmal die Vorsitzend­en in der Pflicht. Doch derzeit traut fast niemand Esken oder Walter-Borjans einen Erfolg bei der nächsten Bundestags­wahl zu.

So bleiben bei der SPD die wichtigen Fragen ungeklärt. Sie ist gleichzeit­ig linke Kraft und Partei der Mitte, Regierung und Opposition. Wer das Sagen hat, ist offen. Und bald wird es richtig ernst für die beiden Vorsitzend­en. In Hamburg könnte der SPD-Oberbürger­meister abgewählt werden. In Bayern, wo im März Kommunalwa­hlen sind, erreicht die SPD in der Sonntagsfr­age sogar nur noch sieben Prozent. Sollte es zu den befürchtet­en Schlappen kommen, wird die neue SPD-Spitze schon wieder ganz alt aussehen.

Scholz regiert weiter, als wäre nichts gewesen

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Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.
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Fotos: dpa Olaf Scholz und Rolf Mützenich.
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