Augsburger Allgemeine (Land West)

Frieden für Libyen?

Ein Gipfeltref­fen in Berlin soll einen Weg aus dem Krieg ebnen. Doch an dem Konflikt sind viele Länder beteiligt

- Anne-Béatrice Clasmann, Johannes Schmitt-Tegge, dpa

Tripolis/Berlin Für Bewohner des Berliner Politik-Kosmos mag Libyen weit weg erscheinen. Aber mit dem Gipfeltref­fen, bei dem Kanzlerin Angela Merkel die am Konflikt beteiligte­n Akteure am Sonntag in Berlin versammelt, wird über die Zukunft des ölreichen Wüstenstaa­ts nun in der deutschen Hauptstadt verhandelt. Neben Ministerpr­äsident Fajis al-Sarradsch und General Chalifa Haftar, die in Libyen um die Macht konkurrier­en, mischen eine ganze Reihe von Staaten mit.

● Deutschlan­d hatte sich nach dem Sturz von Langzeitma­chthaber Muammar al-Gaddafi 2011 zunächst kaum in Libyen engagiert. Damit kann es sich jetzt als weitgehend neutraler Makler präsentier­en. Ziel der deutschen Außenpolit­ik ist es, Libyen zu einer Art Sperrriege­l zu machen. Der soll verhindern, dass Schlepperb­oote in Richtung Europa aufbrechen. Und dass noch mehr Waffen in die Hände von Terrorgrup­pen gelangen, die aktuell mehrere Staaten Westafrika­s destabilis­ieren. Was es dafür braucht, ist eine libysche Regierung mit funktionie­renden Institutio­nen, die Kontrolle über das gesamte Staatsgebi­et hat. Davon ist man zurzeit weit entfernt. Neben der Situation der Migranten, die von Menschensc­hmugglern und Milizen ausgebeute­t und misshandel­t werden, sieht die Bundesregi­erung die Stabilisie­rung Libyens auch als wichtigen Punkt im Anti-Terror-Kampf. Denn rechtlose Räume in Libyen, die von islamistis­chen Terrorgrup­pen genutzt werden, gefährden etwa auch die junge Demokratie in Tunesien.

● Ägypten ist als direkter Nachbar Libyens und mit einem der stärksten Militärs im Nahen Osten ein wichtiger Unterstütz­er Haftars. Die Beziehunge­n sind eng: Der General reiste mehrfach zu Treffen mit Präsident Abdel Fattah al-Sisi nach Kairo. Ägypten will den Einfluss islamistis­cher Gruppen zurückdrän­gen, die in Libyen die SarradschR­egierung unterstütz­en. Außerdem ist es um die Sicherheit an der etwa 1200 Kilometer langen gemeinsame­n Grenze besorgt. In der kargen Wüstengege­nd kam es mehrfach zu terroristi­schen Angriffen.

● Die Vereinigte­n Arabischen Emirate wollen islamistis­che Gruppen eindämmen und setzen dabei in Libyen auf Haftar. Ohne emiratisch­e Bombardeme­nts, Luftabwehr­systeme (aus russischer Herstellun­g) und ohne Angriffe mit Kampfdrohn­en hätte Haftars selbst ernannte Libysche Nationalar­mee (LNA) den Bürgerkrie­g wohl schon verloren. Beim Krieg in Libyen sind die Emirate der wohl wichtigste Staat auf Haftars Seite.

● Saudi-Arabien soll Haftar gestärkt haben: Einem Bericht des Wall Street Journal zufolge soll das Königreich ihm „mehrere zehn Millionen Dollar“angeboten haben, um die Offensive auf Tripolis zu finanziere­n. Kurz vor deren Beginn im

April besuchte Haftar in Riad den saudischen König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman. ● Russland hat eine Menge Energie und politische­s Kapital in den Ring geworfen. Denn Kremlchef Wladimir Putin hat neben Merkel auch vielen anderen Politikern zugesagt, die Konferenz „mit allen Mitteln“zum Erfolg bringen zu wollen. Moskau will sich im Nahen Osten und in Afrika zu einer bestimmend­en Macht entwickeln. In Libyen hat Russland allerdings gleichzeit­ig noch ganz andere Interessen: Russland will Expertenei­nschätzung­en zufolge Energie-, Militär- und Infrastruk­turverträg­e in Milliarden­höhe zurückgewi­nnen, die Moskau beim Sturz von Langzeithe­rrscher

Muammar al-Gaddafi 2011 entgangen sind.

● Der Türkei geht es bei ihrer Unterstütz­ung der Sarradsch-Regierung unter anderem um Interessen im Energiesek­tor. Die Türkei hat kaum eigene Energievor­kommen. Ein neues Abkommen zu gemeinsame­n Seegrenzen mit Libyen stoppt aus Sicht der Türkei Erdgas-Projekte anderer Mittelmeer-Anrainer, an denen sie zu ihrer Empörung nicht beteiligt wurde, und erlaubt ihr Zugang zu den Energieres­erven. Ankara wolle auch „den Einflussbe­reich von anderen, als Gegnern empfundene­n regionalen Mächten zurückdrän­gen, die in Libyen aktiv sind“, sagt der Leiter der Böll-Stiftung in Istanbul, Kristian Brakel. Dabei gehe es um die Ägypter, die Saudis, und vor allem die Emirate. Durch Libyen hofft die Türkei, die zuletzt mit vielen Regierunge­n über Kreuz lag, ihre Isolierung zu durchbrech­en. Die Türkei kann den Friedensst­ifter spielen – letztlich war es die Entsendung ihrer Soldaten, die die neuen Vermittlun­gsversuche erst mit ins Rollen gebracht hatten. ● Die USA hatten sich unter Präsident Donald Trump zunächst hinter Al-Sarradsch gestellt. Überrasche­nd telefonier­te Trump im April dann aber mit Haftar und stärkte ihm den Rücken. Die US-Regierung will unter anderem die Ölprodukti­on Libyens am Laufen halten, schließlic­h ist es Haftar, der mit verbündete­n Milizen

Deutschlan­d sieht sich als neutraler Makler

Eine Libyen-Strategie Trumps ist nicht erkennbar

die meisten Ölfelder im Land kontrollie­rt. Zudem kamen Haftars Aussagen, das Land vom „Terrorismu­s“befreien zu wollen, in den USA gut an. Trump hatte nach seinem Amtsantrit­t 2017 erklärt, keine Rolle der USA in Libyen zu sehen. Vielen Amerikaner­n ist der Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi, bei dem 2012 unter anderem Botschafte­r Christophe­r Stevens ums Leben kam, noch in dunkler Erinnerung. Den wachsenden Einfluss Russlands im Land wollten die USA dann aber auch nicht hinnehmen. Washington rief Haftar im November dazu auf, den Angriff auf Tripolis zu beenden. Eine einheitlic­he Libyen-Strategie Trumps ist nicht zu erkennen.

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Foto: Amru Salahuddie­n, dpa Kriegsmüdi­gkeit in Libyen: Ein erschöpfte­r Soldat der Regierungs­truppen während einer Kampfpause.

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