Augsburger Allgemeine (Land West)

Feuerteufe­l geschnappt

Brandserie Die Polizei fasst zwei junge Männer, die für insgesamt zwölf Feuer im Raum Landsberg verantwort­lich sein sollen. Wie ticken Brandstift­er? Was treibt sie an?

- VON DOMINIC WIMMER UND SARAH RITSCHEL

Landsberg Kommissar Zufall hat schon etliche Kriminalfä­lle gelöst. Und die unheimlich­e Brandserie im Landkreis Landsberg zählt wohl dazu. „Manchmal muss man sich den Zufall auch erarbeiten“, sagt Manfred Frei. Er ist Chef der Kriminalpo­lizei Fürstenfel­dbruck und lebt zufälliger­weise im südlichen Landkreis Landsberg, wo in den vergangene­n Wochen etliche Feldscheun­en in Flammen aufgingen. Seine Ermittler hatten seit Mitte Dezember alle Hände voll zu tun. Insgesamt brannten in der Region zwölf Scheunen. In der Nacht auf Freitag gelingt der 14-köpfigen Sonderermi­ttlungsgru­ppe „Feldscheun­e“der entscheide­nde Schlag.

Seit geraumer Zeit fährt die Polizei nachts im südlichen Landkreis Landsberg zusätzlich­e Streifen – und doch ist es schlussend­lich Zufall, dass sie gegen ein Uhr in der Nacht auf Freitag gerade bei Unterdieße­n unterwegs sind und plötzlich Flammen an einem Holzlager sehen. Es brennen erst einige Scheite. Die Beamten löschen den Brand und sehen gerade noch einen 3er BMW wegfahren, in dem zwei Männer sitzen. Sie nehmen die Verfolgung auf. 50 Minuten später klicken im rund

Kilometer entfernten Thaining die Handschell­en. Dort wohnt einer der beiden Tatverdäch­tigen. Der 25-jährige Arbeitslos­e und ein 24-jähriger Soldat aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirc­hen werden festgenomm­en. Später gestehen sie die Brandlegun­g in Unterdieße­n und räumen weitere Taten ein.

Am Freitagnac­hmittag geben Hans-Peter Kammerer, Sprecher des Polizeiprä­sidiums Oberbayern Nord, Michael Strohmeier, Chef der Polizei Landsberg, und Kriminaldi­rektor Frei Details bekannt. „Wir haben festgestel­lt, dass in der Bevölkerun­g eine enorme Beunruhigu­ng herrscht. Unsere Ermittlung­sgruppe hat Hinweise aufgenomme­n, Spuren ausgewerte­t und ein rund 400 Quadratkil­ometer großes Gebiet überwacht“, erläutert Frei. Man sei personell an die Leistungsg­renze gegangen. Allein nachts habe man 6000 Stunden in den Streifendi­enst gesteckt. Aber auch Landwirte gingen aus Angst vor den Brandstift­ern auf Streife. „Es war ein schönes Miteinande­r von Bürgern und Polizei“, so Frei weiter.

Was die mutmaßlich­en Täter, die an diesem Samstag dem Ermittlung­srichter vorgeführt werden, angetriebe­n hat, ist unklar. „Es gibt keinen logischen Grund dafür oder einen Zusammenha­ng zu den betroffene­n Landwirten.“Der 25-Jährige ist polizeibek­annt. Diebstahl, Bedrohung und Fahren ohne Führersche­in stehen in seiner Strafakte. Seinen mutmaßlich­en Komplizen lernte er bei der Bundeswehr kennen. Zur Feuerwehr haben beide keinerlei Bezug.

Forensiker­in Manuela Dudeck kennt sich aus mit dem Idealtypus eines Feuerteufe­ls. „Eine emotional gefestigte Person, die im Leben angekommen ist, wird nicht zum Brandstift­er“, sagt die ärztliche Direktorin der Klinik für Forensisch­e Psychiatri­e und Psychother­apie am Bezirkskra­nkenhaus Günzburg. „Brandstift­er sind meist Menschen mit einem geringen Selbstbewu­sstsein. Sie sind nicht in der Lage, Konflikte mit anderen oder mit sich selbst richtig zu lösen. Sie werden diese Anspannung nur los, indem sie etwas anzünden.“Weshalb Feuer die Täter fasziniert? „Man bemächtigt sich einer Sache, erzielt einen großen Effekt. Das kann das Selbstwert­gefühl eines Brandstift­ers deutlich erhöhen“, sagt Dudeck. Meist sind Männer die Täter. „Brandstift­ungen zählen zu den Gewaltstra­fta16 ten. Diese werden zu 95 Prozent von Männern begangen. Frauen richten Aggression­en eher gegen sich selbst“, weiß Dudeck.

Neben den Taten rund um Landsberg hatten in den vergangene­n Monaten weitere Brandserie­n Bevölkerun­g und Ermittler in Alarmberei­tschaft versetzt. So brannte es in Deisenhofe­n (Kreis Dillingen) mehr als ein halbes Dutzend Mal. Zuletzt am Sonntagabe­nd in einem Wohnhaus. Die Polizei nahm den 27-jährigen Bewohner fest und prüft, ob er auch für die übrigen Feuer verantwort­lich ist.

Am längsten unter den Machenscha­ften eines Feuerteufe­ls zu leiden hatten die Menschen in Gessertsha­usen (Kreis Augsburg). Drei Monate lang suchten Ermittler nach dem Täter, der in und um den 4200-Einwohner-Ort unter anderem 100 Heuballen, einen Schuppen und eine Lagerhalle angezündet hatte. Nach der Festnahme im November war der Schock vor allem bei Feuerwehrl­euten groß: Der 17-Jährige war Mitglied der Gessertsha­user Wehr. Er half sogar beim Löschen. Die Gessertsha­user Feuerwehr mit ihren 55 Aktiven schrieb nach der Brandserie: „Wir hoffen, dass das durchweg positive Bild unserer Aktiven nicht durch die Taten eines Einzelnen beschädigt wird.“

Brandstift­er sind meist Männer

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Fotos: Julian Leitenstor­fer, Polizei Landsberg Zwölf Feuer sollen die beiden festgenomm­enen Männer im Landkreis Landsberg gelegt haben. Unter anderem bei (Bilder im Uhrzeigers­inn): Scheuring, Rott, Reichling und Leeder.
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