Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum diese Wahl so wichtig wird

Die Kommunalwa­hl bringt historisch­e Veränderun­gen. Hunderte Bürgermeis­ter hören auf, die CSU wankt, die Frauen kommen. Acht Thesen

- Von Holger Sabinsky-Wolf

1. Die Kommunalwa­hl ist die größte und wichtigste Wahl.

Die mit Abstand größte und umfangreic­hste Wahl ist die Kommunalwa­hl auf jeden Fall, da gibt es gar nichts zu diskutiere­n. Bayern gliedert sich in 2056 Städte und Gemeinden und 71 Landkreise. Die satte Zahl von fast 40 000 Mandaten wird vergeben. Bei der Bedeutung ist es komplizier­ter. Natürlich werden auf Landes- und Bundeseben­e wichtige staatstrag­ende Entscheidu­ngen getroffen, aber aus Sicht der Bürger sind die Kommunalpa­rlamente viel näher dran. Die Gemeinden gestalten ihr unmittelba­res Lebensumfe­ld. Sie kümmern sich um die Ortsentwic­klung, versorgen mit Trinkwasse­r, Strom und Gas, unterhalte­n Straßen und Wege und entsorgen Abwasser. Und wenn genug Geld da ist, bauen sie als freiwillig­e Leistungen Schwimmbäd­er, Sporthalle­n oder Büchereien. Was die Gemeinden nicht allein stemmen können, übernehmen die Landkreise. Sie errichten Schulen und Krankenhäu­ser und bringen den Müll weg. Katharina Schulze, die Fraktionsv­orsitzende der Grünen im Landtag, nennt die Kommunalwa­hl die „Keimzelle der Demokratie“. Der Münchner Politikwis­senschaftl­er Werner Weidenfeld sagt, die kommunalen Mandate sind das „machtpolit­ische Unterfutte­r der Parteien“. Die Spitzenämt­er, also Oberbürger­meister und Landrat, haben laut Weidenfeld außerdem eine hohe Symbolkraf­t: „Den Oberbürger­meister kennen die Leute eher als einen Landesmini­ster oder gar Bundesmini­ster.“ 2. Anfeindung­en und Alter: Es werden so viele Bürgermeis­ter aufhören wie noch nie.

Der Chef des Bayerische­n Gemeindeta­gs, Uwe Brandl, rechnet damit, dass bis zu 50 Prozent der Bürgermeis­ter nicht mehr antreten werden, das wäre wohl die größte Zäsur in der Nachkriegs­zeit. Im Verbreitun­gsgebiet unserer Zeitung sieht es nicht ganz so dramatisch aus. In den 385 Städten und Gemeinden und den fünf kreisfreie­n Städten in Schwaben sowie in den Landkreise­n Landsberg und Neuburg-Schrobenha­usen plus Ingolstadt hören nach Erhebungen unserer Redaktion 133 Bürgermeis­ter auf. Das ist fast exakt ein Drittel. Es gibt allerdings Gegenden, wo die Zahl auffallend deutlich darüber liegt. So zum Beispiel im Landkreis Günzburg, wo die Hälfte der Amtsinhabe­r hinschmeiß­t, ebenso wie im Landkreis DonauRies, wo fast dieselbe Quote erreicht wird.

Die Gründe für diese Entwicklun­g sind vielfältig. Das Alter spielt eine Rolle und die zunehmende Bürokratie. Doch eine der Hauptursac­hen ist, dass Bürgermeis­ter immer mehr beschimpft, angefeinde­t und bedroht werden. Das hat eine bundesweit­e Umfrage des Magazins Kommunal im vergangene­n Jahr belegt. Von den mehr als 1000 Bürgermeis­tern, die sich beteiligt hatten, gaben über 40 Prozent an, dass ihre Rathäuser schon mit Hass-Mails und Einschücht­erungsvers­uchungen zu tun hatten. In Bayern liegen die Zahlen zwar zum Glück deutlich niedriger, aber auch hier nehmen verbale und körperlich­e Angriffe zu. 3. Es wird historisch­e Verschiebu­ngen in der Parteienla­ndschaft geben.

Schauen Sie sich mal das Ergebnis der Kommunalwa­hl 2014 an (Grafik unten): Bayernpart­ei 0,6 Prozent, AfD 0,3 Prozent. Viel deutlicher kann man nicht zeigen, wie sehr sich die politische Landschaft verändert hat. Die CSU hat zwar schon beim letzten Mal ihr schlechtes­tes Ergebnis seit 1960 eingefahre­n, doch jüngste Umfragen zeigen, dass es am 15. März nicht unbedingt besser werden muss. Der zweitstärk­sten Kraft, der SPD, deren große Stärke bislang in der breiten Verwurzelu­ng lag, droht auch auf kommunaler Ebene eine historisch­e Schlappe. Die AfD wird voraussich­tlich in viele Stadt- und Gemeinderä­te einziehen. Doch die großen Gewinner – dafür braucht man keine Kristallku­gel, nicht einmal Umfragen – werden die Grünen sein. Stimmung und Themenlage sprechen für sie. Und nach ihren Erfolgen bei der Bundestags-, Landtags- und Europawahl hat die Partei die Gunst der Stunde genutzt und zum einen massiv Mitglieder zugewonnen und ist zum anderen stark in der Fläche gewachsen. Mitte Januar hatten die Grünen in Bayern nach Angaben von Fraktionsc­hefin Katharina Schulze 16004 Mitglieder, vor zwei Jahren waren es noch 9000. Seit der Landtagswa­hl 2018 seien 127 neue Ortsverbän­de entstanden. 700 neue Mandate wollen die Grünen holen, in Schwaben treten sie nun in allen Orten über 10000 Einwohner an. Bei der neuesten Sonntagsfr­age kommen die Grünen auf 25 Prozent. 4. Für die CSU wird es eine entscheide­nde Richtungsw­ahl werden.

CSU-Chef Markus Söder strampelt, ackert, verspricht, lenkt ab, verbiegt sich – aber es dient bisher nur seinen eigenen Beliebthei­tswerten. Seine Partei kommt nicht vom Fleck. Die jüngste Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des Bayerische­n Rundfunks weist für die CSU 36 Prozent aus, würde jetzt in Bayern der Landtag gewählt. Das wäre dann nochmals weniger als bei der Landtagswa­hl 2018. Nun ist Söder im Moment zwar unangefoch­ten der starke Mann in der CSU, aber hinter vorgehalte­ner Hand wird schon gemeckert, dass die „Stammkunds­chaft“der Partei derzeit schlechter bedient werde als die „Laufkundsc­haft“, der Modernisie­rer Söder also treue CSU-Wähler vor den Kopf stoßen könnte. Ein ordentlich­es Ergebnis bei der Kommunalwa­hl wäre also für Söder selbst und für die CSU schon sehr wichtig. So ist es wohl auch zu verstehen, wenn CSU-Generalsek­retär Markus

Blume trotz schlechter Umfragewer­te Zuversicht verbreiten will: „Unser Ziel ist es, in allen Städten stärkste Kraft zu sein, wir wollen zeigen, dass die CSU die gestaltend­e Kraft in Bayern ist.“Nach Blumes Angaben geht die CSU mit rund 40000 Bewerberin­nen und Bewerbern an den Start.

5. Es werden so viele Frauen wie nie zuvor in die Kommunalpa­rlamente einziehen.

Seit der Kommunalwa­hl 2014 gibt es in Bayern laut Bayerische­m Gemeindeta­g etwa 185 Bürgermeis­terinnen – bei insgesamt 2031 Städten, Märkten und Gemeinden. Das sind gerade einmal neun Prozent aller Bürgermeis­terposten im Freistaat. In den kreisfreie­n Städten gibt es drei Oberbürger­meisterinn­en. In den 71 Landkreise­n sind es fünf Landrätinn­en. Diese Zahlen sind unterirdis­ch. Doch es wird besser. Nachdem meisten Parteien schon Frauenquot­en hab hat sich die größte Partei in Bayern, die CS auch auf so eine Art Quote geeinigt. Es zwar ein rechtes Gewürge im Herbst, und Frauenquot­e liegt nur bei 40 Prozent, nicht auf Ortsverban­dsebene und ist ke verpflicht­ende, sondern eine Soll-Besti mung. Aber mehr war in der Männerpa noch nicht drin, und auch dieser Minim kompromiss wird Wirkung zeigen. CS Chef Markus Söder hat zudem das Ziel „m derner, jünger, weiblicher“ausgegeben. schlägt sich zum Beispiel darin nieder, d die CSU mit Frauen antritt, um die so wi tigen Großstädte Augsburg, München u Regensburg zu halten und zu erobern.

Trinkwasse­r und Müllabfuhr sind den Bürgern halt sehr nah

6. Der Kampf in Großstädte­n wird extr spannend und knapp. Bleiben wir bei Großstädte­n. Es ist e Ausnahme, dass Kurt Gribl in Augsb und Ulrich Maly Nürnberg gleich z erfolgreic­he Amtsin ber aus freien Stücken aufhören. Die W der Nachfolger wird äußerst spannend. Augsburg hat die CSU-Favoritin Eva We derzeit 13 Gegenkandi­daten. In Nürnb will der 35-jährige bisherige Vize-Fraktio chef der SPD Maly-Nachfolger werd Auch in München kann es eng werden. Amtsinhabe­r Dieter Reiter muss darauf h fen, dass der negative Trend der SPD nicht ins Verderben reißt. Zumal er mit trin Habenschad­en (Grüne) und Krist Frank (CSU) zwei starke Gegenkandi­dat nen hat. CSU-Generalsek­retär Blume sa „In den großen Städten sind die Grünen ser Hauptgegne­r.“

7. Es muss mehr Berufsbürg­ermeister geben Wenn man von den vielen Anfeindun hört, ist es kaum zu glauben, doch Komm

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