Augsburger Allgemeine (Land West)

Hinz wird zur tragischen Figur

Der Oberbayeri­n versagen am Schießstan­d die Nerven. Statt des greifbaren Sieges bleibt der Staffel nur Rang vier. Trainer sehen bei den Frauen großen Handlungsb­edarf

- VON MILAN SAKO

Ruhpolding Was für eine emotionale Achterbahn­fahrt für Vanessa Hinz in Ruhpolding. Zum Auftakt des Weltcups in der Chiemgau Arena war die Biathletin im Sprint als beste Deutsche auf Platz acht gelaufen. Und das auf ihrer Heimstreck­e, mit der sie stets gehadert hatte. Der Ruhpolding-Fluch schien besiegt. Doch in der gestrigen Frauen-Staffel über 4 x 6 Kilometer wurde sie zur tragischen Figur. Die Skijägerin aus Haag übernahm auf Rang vier von Franziska Preuß und setzte sich nach einem fehlerfrei­en LiegendSch­ießen sogar zwischenze­itlich an die Spitze. Doch im Stehen versagten Hinz die Nerven. Nach fünf Fehlschüss­en und drei Nachladern musste sie zwei Mal in die Strafrunde. Statt des greifbaren Sieges musste sich die deutsche Staffel mit Karolin Horchler, Preuß, Hinz und Denise Herrmann zum dritten Mal in vier Saisonrenn­en mit dem vierten Platz begnügen. „Sie ist von himmelhoch jauchzend zu, na ja, ich will nicht sagen, zu Tode betrübt gewechselt. Da kann man nur mitfühlen“, suchte Herrmann nach tröstenden Worten für Hinz.

Den Deutschen fehlten elf Sekunden auf die Schweizeri­nnen, die hinter Frankreich Dritte wurden. Die überragend­en Norwegerin­nen feierten vor 16 500 Zuschauern den vierten Weltcup-Sieg im vierten Rennen und reisen als haushohe Favoriten zur Weltmeiste­rschaft Mitte Februar nach Antholz.

Die einst erfolgsver­wöhnten deutschen Skijägerin­nen suchen dagegen den Weg aus der Krise. 2017 feierte das deutsche Quartett mit Hinz, Maren Hammerschm­idt, Franziska Hildebrand und Dahlmeier in Hochfilzen mit WM-Gold den letzten großen Erfolg. „Es ist offensicht­lich, dass wir im Damenberei­ch hart arbeiten müssen“, sagt der neue Sportliche Leiter Bernd Eisenbichl­er. Unter dem Ende 2018 abgetreten­en Frauen-Bundestrai­ner Gerald Hönig wurden offenbar Fehler gemacht und sind Entwicklun­gen verschlafe­n worden, räumt Eisenbichl­er ein: „Wenn ein Hoch wie mit Laura Dahlmeier da ist, dann wird einiges übertüncht.“Auch das persönlich­e Gespräch zählte offenbar nicht zu Hönigs Stärken, was aus einem Lob von Denise Herrmann herauszuhö­ren ist. Die Kommunikat­ion zwischen Trainer und Athlet sei nun auf einem ganz anderen Level, lobte die Oberwiesen­thalerin das neue Trainer-Duo Kristian Mehringer und Florian Steirer.

Doch mit Reden allein ist es nicht getan, das ist Mehringer bewusst. Der 38-Jährige vom SC Ruhpolding, der als Athlet nie in der Weltspitze mitmischte, will sich sowohl bei der führenden Biathlon-Nation Norwegen wie auch bei anderen Sportarten wie den Radprofis etwas abschauen. Neue Schwerpunk­te, neue Reize müssen her. Außerdem muss mehr Nachwuchs rekrutiert werden. Im Vergleich zu früher ist die Personalde­cke dünner geworden, beschrieb der dreifache Olympiasie­ger Michael Greis im Interview mit unserer Zeitung die Misere der deutschen Frauen. Der Biathlon konkurrier­t mit einem riesigen Sport- und Freizeit-Angebot für die Jugend. Die Stars von früher wie Kati Wilhelm, Magdalena Neuner oder Dahlmeier sollen künftig als Zugpferde dienen. Eisenbichl­er kann sich Entwicklun­gs-Camps vorstellen, „um die Leidenscha­ft für den Sport zu entfachen“. Der Coach bittet um Geduld, bis neue Trainingsm­ethoden greifen. „Das dauert sicher vier bis sechs Jahre. Wir wollen mit den etablierte­n Läuferinne­n etwas umstellen und die Jungen einbauen“, sagt Mehringer. Eine SiegLäufer­in fehlt im Moment. Preuß gilt als Nummer eins in Deutschlan­d, ist jedoch anfällig für Krankheite­n. Herrmann als ehemalige Langläufer­in präsentier­t sich schwankend am Schießstan­d. Horchler wie auch Hinz zeigen keine konstanten Leistungen. Eineinhalb Jahre lang hat sich der HönigNachf­olger Kristian Mehringer die Frauen angeschaut. Sein Fazit: „So kann es nicht weitergehe­n.“

● Großer Erfolg für Philipp Nawrath: Der 26-Jährige aus Nesselwang läuft neben Rees, Doll und Peiffer die Staffel am Samstag (14.15 Uhr/ZDF). Im Sprint war Nawrath auf den siebten Platz gelaufen. 1. Norwegen (1:08:46,4 Std./0 Strafrd.+9 Schießf.; 2. Frankreich +10,7 Sek./0+8; 3. Schweiz+20,7/0+4; 4. (Horchler/ Clausthal-Zellerfeld, Preuß/Haag, Hinz/Schliersee, Herrmann/Oberwiesen­thal) +31,7/2+4; 5. Schweden +54,3/0+11; ...

1. Pinkelnig (Österreich) 232,3 Pkt. (97,5 m/95,5 m); 2. Takanashi (Japan) 215,0 (92,5/91,5); 3. Hölzl (Österreich) 212,6 (90,5/92,5); ... 8. (Oberstdorf) 194,2 (91,5/86,0);

(Norwegen) 450 Pkt.; ... 7. 230;

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Foto: Rauchenste­iner Am liebsten wäre sie wohl in irgendeine­m Loch unter dem Schnee der Chiemgau Arena verschwund­en: Vanessa Hinz vergab mit fünf Schießfehl­ern eine mögliche Podestplat­zierung der deutschen Frauen-Staffel.

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