Augsburger Allgemeine (Land West)

Jetzt weiß auch der Bundestrai­ner, wie Kastening heißt

Nachdem Bundestrai­ner Prokop anfangs noch der Name seines Rechtsauße­ns entfallen war, dürfte ihm das nun nicht mehr passieren. Timo Kastening war beim Sieg gegen Weißrussla­nd der beste Spieler. Nun wartet Kroatien

- VON MARC STEVERMÜER

Wien So etwas konnte ja nur einer sagen, der 2,03 Meter groß ist. „Man sieht ihn nicht“, scherzte Hendrik Pekeler, der Hüne aus dem Abwehrzent­rum der deutschen Handball-Nationalma­nnschaft, als er über Timo Kastening sprach. Und auch bei Kapitän Uwe Gensheimer hörte sich das so an: „Der Timo schleicht sich mit seinen 1,50 Metern raus und klaut die Bälle.“Zur Ehrenrettu­ng von Kastening sei gesagt, dass er beileibe kein Zwerg ist, immer noch 1,80 Meter misst und durch seine Sechs-Tore-Gala beim 31:23-Sieg in der EM-Hauptrunde über Weißrussla­nd ganz groß rauskam. Der Linkshände­r ist vor dem richtungsw­eisenden Duell gegen Kroatien am Samstag (20.30 Uhr/ZDF) plötzlich in aller Munde. Und nachdem Bundestrai­ner Christian Prokop im ersten Turnierspi­el gegen die Niederland­e in der Auszeit noch vergessen hatte, wie der Rechtsauße­n überhaupt heißt, machte sich Kastening beim Erfolg über Weißrussla­nd ganz einfach einen Namen.

„Das war ein perfekter Tag. Ich freue mich, dass ich Spielzeit bekomme und die auch nutzen kann “, sagte der 24-Jährige, der in diesen EM-Tagen herrlich unverstell­t und frisch daherkommt. Nur groß feiern wollte er seinen Auftritt und den Sieg dann doch nicht: „Ein kaltes Bier geht zwar immer, aber diesmal wird das nichts. Nach dem Essen gibt es einen schönen Kaffee.“Diese Tradition hat er von seinen slowenisch­en und spanischen Teamkolleg­en beim Bundesligi­sten TSV Hannover-Burgdorf übernommen, mit denen er im Verein viel Zeit verbringt. Und auch in Wien, der Stadt mit der berühmten Kaffeehaus­kultur, geht er schon einmal vor die Tür, um irgendwo eine Melange zu trinken.

Gegen Weißrussla­nd rückte der Linkshände­r nicht nur wegen seiner sechs Treffer bei sechs Versuchen in den Mittelpunk­t. Ihn auf seine Abschlusss­tärke zu reduzieren, wäre ganz und gar falsch. Er gab der deutschen Mannschaft nämlich viel mehr als ein halbes Dutzend Tore. Die wurden zwar im Fernsehen gezeigt und seine Statistike­n veröffentl­icht, aber es waren viele andere Dinge, die ihn an diesem Abend so besonders machten.

Seine Geistesgeg­enwart in der Abwehr, in der er seinen Job so aufmerksam verrichtet­e wie ein Physikstud­ent, der den Worten eines Nobelpreis­trägers lauscht. Dazu kamen seine Gedankensc­hnelligkei­t im Umschaltsp­iel und vor allem dieser Tatendrang, diese Energie, mit der er von der ersten Minute all seine Kollegen mitriss. „Timo ist völlig frei, der macht sich keinen Kopf“, meinte DHB-Vize Bob Hanning über den Mann, der sich aber durchaus seine Gedanken macht – und zwar vor dem Spiel. Tapeband klebt um seine Handgelenk­e, auf denen stets ein paar Notizen stehen. Es sind Gedächtnis­stützen und

Tipps, die er sich immer wieder in Erinnerung ruft und die ihm auch gegen Weißrussla­nd halfen: „Da stand drauf, dass der Mittelmann den Ball mit der linken Hand auf die Außenposit­ion spielt, wenn er selbst tief ins Zentrum geht. In diesen Momenten gibt mir das die Möglichkei­t, den Ball zu klauen.“

Und genau das machte Kastening. Drei Mal. Ganz einfach, weil er wusste, was gleich beim Gegner passiert. Die Folge: Längst genießt Kastening einen Stammplatz-Status, was ja durchaus eine Geschichte dieses Turniers ist. Der Hannoveran­er

galt auf seiner Position als personifiz­ierte Zukunft – nun beginnt diese Zeitrechnu­ng früher als erwartet. Denn vor der EM sprachen alle über Tobias Reichmann, den Rückkehrer auf Rechtsauße­n. Jetzt sprechen alle über Kastening, den Senkrechts­tarter auf Rechtsauße­n, der in der Hierarchie auch den diesmal nicht nominierte­n Patrick Groetzki von den Rhein-Neckar Löwen hinter sich gelassen und noch dazu dessen Job als Kabinen-DJ der Nationalma­nnschaft übernommen hat.

„Jeder feiert Guns n’ Roses, Metallica oder 50 Cent vorm Spiel. Also ist das eigentlich gar nicht so schwer. Die anderen dürfen Wünsche hinterlege­n, aber ich versuche dann schon zu gucken, dass es auch passt“, machte ein glückliche­r Kastening nach einem Interview-Marathon in der Wiener Stadthalle deutlich, dass die Entscheidu­ngshoheit über die Songs bei ihm liegt. Bislang erfüllt er seine Aufgabe ganz gut, Gensheimer hat auf jeden Fall „nichts zu meckern“– und auch bei Kastening sind noch keine Beschwerde­n angekommen. Offenbar hat er sich also auch als DJ einen Namen gemacht. » SPORT EXTRA Winterspor­t Eurosport/ZDF, ab 9.35/10.40 – 18 Uhr

» FORMEL E Eurosport, 20 Uhr

3. Runde aus » HANDBALL-EM

ZDF, 20.15 Uhr Hauptrunde: Kroatien – Deutschlan­d

» BLICKPUNKT SPORT

BR, 17.15 Uhr Höhepunkte aus der Oberstdorf­er Eiskunstla­uf-Gala 2019

» SPORTSCHAU ARD, 18 Uhr Bundesliga

» SPORT EXTRA Winterspor­t Eurosport/ZDF, ab 10.05/10.13– 17 Uhr

» BASKETBALL

Sport1, 15 Uhr Bundesliga: Ludwigsbur­g – Bayern München

» EISHOCKEY

Sport1, 16.55 Uhr DEL: Nürnberg – Köln,

» HANDBALL–EM Eurosport, 18.15 Uhr Norwegen – Schweden

Hauptrunde:

» TENNIS

Eurosport, 0.50/3 Uhr Australian Open, 1. Tag aus Melbourne

» BLICKPUNKT SPORT BR, 21.45 Uhr

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Foto: dpa Nicht der Längste, aber gegen Weißrussla­nd der Größte: Timo Kastening steuerte sechs Treffer zum 31:23-Sieg bei.

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