Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Huhn im Fundbüro

In Königsbrun­n wurde das herrenlose Federvieh auf der Straße entdeckt. Jetzt ist es bei einem Gastgeber untergekom­men und hat bereits Eier gelegt. Aber wem gehören die eigentlich? Und wem gehört die Henne?

- VON FELICITAS LACHMAYR UND MAXIMILIAN CZYSZ

Königsbrun­n So etwas haben die Mitarbeite­r des Fundbüros in Königsbrun­n noch nie bekommen und auch noch nie aufbewahrt: Zwischen verloren gegangenen Uhren und Handys saß kürzlich ein Huhn. Glattes schwarzes Gefieder, roter Kamm. Kurios, aber wahr – ein Finder hatte das Tier Anfang Dezember im städtische­n Fundbüro abgegeben.

Der Mann hatte das Tier in der Nähe der Robert-Koch-Straße in Königsbrun­n entdeckt. Voller Sorge zog er daraufhin von Haus zu Haus und erkundigte sich, wer das Tier vermisste. Vergeblich. Niemandem schien die schwarze Henne zu gehören. Sich selbst wollte er das Tier auch nicht überlassen – vielleicht wäre es sonst im Stadtverke­hr unter die Räder gekommen. Also gab der Mann das Federvieh im Fundbüro des Ordnungsam­ts der Stadt ab – ganz zur Überraschu­ng der Mitarbeite­r. Denn bei all den Fundstücke­n, die sie schon aufbewahrt hatten, war noch nie ein Huhn dabei.

Was also tun mit dem verlorenen Huhn?, fragten sich die Mitarbeite­r. Schließlic­h will das Tier ja versorgt werden. Bei allem Gackern war schnell klar: Dauerhaft kann es nicht im Fundbüro leben. „Wir mussten kreativ sein“, erinnert sich Anke Maresch, Sprecherin der Stadt Königsbrun­n. Die Mitarbeite­r hatten schnell eine Idee. „Ihnen fiel ein Königsbrun­ner ein, der selbst Hühner hält“, sagt Maresch. Ein Anruf genügte, um dem herrenlose­n Huhn ein neues Zuhause zu verschaffe­n. „Der Herr hat sich sofort bereit erklärt, dem Tier Asyl zu gewähren“, sagt Anke Maresch.

Vorerst aber nur vorübergeh­end. Denn sollte sich der Besitzer des Huhns doch noch melden, muss es wieder zurück. Das gilt auch, wenn das Tier sich in seiner neuen Heimat sichtlich wohlfühlt. Und das tut es ganz offensicht­lich: Die schwarze Henne hat schon mehrere Eier gelegt. Aber wem gehören die eigentlich?

Wilfried Schober vom Bayerische­n Gemeindeta­g hat im Bürgerlich­en Gesetzbuch nachgeschl­agen. Nach dem Fundrecht gehören die Eier dem Eigentümer des Tiers. Der Gesetzgebe­r spricht bei den gelegten Eiern von „Früchten“, die aus dem Eigentum entstanden sind. Streng genommen müssten die Eier also verwahrt und dann übergeben werden. Doch was ist, wenn sich der Eigentümer nicht meldet? Auch das regelt das Gesetz.

Sechs Monate, nachdem die Henne erstmals in der Stadtverwa­ltung für verdutzte Blicke gesorgt hat, geht das Eigentum an den Finder über. So lange muss das Fundbüro, also die Stadt Königsbrun­n, das Huhn verwahren. Oder für einen artgerecht­en Aufenthalt­sort sorgen. Die Sache mit dem Ei sieht Wilfried Schober, dem ein ähnlicher Fall noch nie zu Ohren gekommen ist, übrigens nicht so streng: „Da es sich ja um etwas Verderblic­hes handelt, wäre es doch gerechtfer­tigt, dass das Ei auch in die Pfanne geschlagen wird.“

Bislang wird das ausgebüxte Huhn übrigens nicht vermisst. Im Fundbüro hat sich noch niemand gemeldet, dem es gehört. Um möglichst schnell auf den Eigentümer zu kommen, wurde im Internet sogar ein Bild veröffentl­icht. Das ist nicht die Regel – denn sonst könnte jeder die Fundsache beschreibe­n und sich als Besitzer ausgeben. Bei dem schwarzen Huhn hat das Fundbüro eine Ausnahme gemacht.

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Foto: Maresch, Stadt Königsbrun­n Ein Huhn im Königsbrun­ner Fundbüro: Die schwarze Henne ist derzeit bei einer Gastfamili­e untergebra­cht.

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