Augsburger Allgemeine (Land West)
Das Huhn im Fundbüro
In Königsbrunn wurde das herrenlose Federvieh auf der Straße entdeckt. Jetzt ist es bei einem Gastgeber untergekommen und hat bereits Eier gelegt. Aber wem gehören die eigentlich? Und wem gehört die Henne?
Königsbrunn So etwas haben die Mitarbeiter des Fundbüros in Königsbrunn noch nie bekommen und auch noch nie aufbewahrt: Zwischen verloren gegangenen Uhren und Handys saß kürzlich ein Huhn. Glattes schwarzes Gefieder, roter Kamm. Kurios, aber wahr – ein Finder hatte das Tier Anfang Dezember im städtischen Fundbüro abgegeben.
Der Mann hatte das Tier in der Nähe der Robert-Koch-Straße in Königsbrunn entdeckt. Voller Sorge zog er daraufhin von Haus zu Haus und erkundigte sich, wer das Tier vermisste. Vergeblich. Niemandem schien die schwarze Henne zu gehören. Sich selbst wollte er das Tier auch nicht überlassen – vielleicht wäre es sonst im Stadtverkehr unter die Räder gekommen. Also gab der Mann das Federvieh im Fundbüro des Ordnungsamts der Stadt ab – ganz zur Überraschung der Mitarbeiter. Denn bei all den Fundstücken, die sie schon aufbewahrt hatten, war noch nie ein Huhn dabei.
Was also tun mit dem verlorenen Huhn?, fragten sich die Mitarbeiter. Schließlich will das Tier ja versorgt werden. Bei allem Gackern war schnell klar: Dauerhaft kann es nicht im Fundbüro leben. „Wir mussten kreativ sein“, erinnert sich Anke Maresch, Sprecherin der Stadt Königsbrunn. Die Mitarbeiter hatten schnell eine Idee. „Ihnen fiel ein Königsbrunner ein, der selbst Hühner hält“, sagt Maresch. Ein Anruf genügte, um dem herrenlosen Huhn ein neues Zuhause zu verschaffen. „Der Herr hat sich sofort bereit erklärt, dem Tier Asyl zu gewähren“, sagt Anke Maresch.
Vorerst aber nur vorübergehend. Denn sollte sich der Besitzer des Huhns doch noch melden, muss es wieder zurück. Das gilt auch, wenn das Tier sich in seiner neuen Heimat sichtlich wohlfühlt. Und das tut es ganz offensichtlich: Die schwarze Henne hat schon mehrere Eier gelegt. Aber wem gehören die eigentlich?
Wilfried Schober vom Bayerischen Gemeindetag hat im Bürgerlichen Gesetzbuch nachgeschlagen. Nach dem Fundrecht gehören die Eier dem Eigentümer des Tiers. Der Gesetzgeber spricht bei den gelegten Eiern von „Früchten“, die aus dem Eigentum entstanden sind. Streng genommen müssten die Eier also verwahrt und dann übergeben werden. Doch was ist, wenn sich der Eigentümer nicht meldet? Auch das regelt das Gesetz.
Sechs Monate, nachdem die Henne erstmals in der Stadtverwaltung für verdutzte Blicke gesorgt hat, geht das Eigentum an den Finder über. So lange muss das Fundbüro, also die Stadt Königsbrunn, das Huhn verwahren. Oder für einen artgerechten Aufenthaltsort sorgen. Die Sache mit dem Ei sieht Wilfried Schober, dem ein ähnlicher Fall noch nie zu Ohren gekommen ist, übrigens nicht so streng: „Da es sich ja um etwas Verderbliches handelt, wäre es doch gerechtfertigt, dass das Ei auch in die Pfanne geschlagen wird.“
Bislang wird das ausgebüxte Huhn übrigens nicht vermisst. Im Fundbüro hat sich noch niemand gemeldet, dem es gehört. Um möglichst schnell auf den Eigentümer zu kommen, wurde im Internet sogar ein Bild veröffentlicht. Das ist nicht die Regel – denn sonst könnte jeder die Fundsache beschreiben und sich als Besitzer ausgeben. Bei dem schwarzen Huhn hat das Fundbüro eine Ausnahme gemacht.