Augsburger Allgemeine (Land West)

War nächtliche­r Sex am Hettenbach Vergewalti­gung?

Vor dem Landgerich­t hat das Verfahren gegen einen 48-Jährigen begonnen. Er wollte mit mehreren Frauen zusammenle­ben

- VON MICHAEL SIEGEL

Der Angeklagte behauptet, sie habe auf heftigen Sex mit Haareziehe­n und Schlägen gestanden, auch in der Tatnacht. Die 44-jährige Frau hingegen hat gegen ihren Ex-Partner Anzeige wegen Vergewalti­gung und Körperverl­etzung erstattet. Vor dem Augsburger Landgerich­t hat jetzt das Verfahren um die Tat vom Juni 2019 im nächtliche­n Augsburger Hettenbach­park begonnen.

Vieles ist wie so oft bei solchen Fällen, wenn Aussage gegen Aussage steht, wenn es um die Frage geht, inwieweit die Frau ihr Einvernehm­en zum Tun des Mannes signalisie­rt hat. Etwas ist diesmal jedoch anders: Es gibt Beobachter. Mitten in der Nacht wurde ein AnwohnerEh­epaar auf das Tun vor seiner Wohnung aufmerksam. Zwar, berichtet das mutmaßlich­e Opfer, sei wegen des Rauschens des Hettenbach­s kaum etwas zu hören gewesen, dennoch habe sie verstanden, dass der Beobachter auf dem Balkon die Polizei rufen wolle, wenn sie und er mit dem Sex im dunklen Park nicht aufhörten. Zwar hätten sich die beiden noch hinter einen Busch begeben, um dort weiterzuma­chen, aber bald habe der Ex-Partner von ihr abgelassen und von ihr gefordert, ihn nach Hause zu fahren. Auch das hat die Geschädigt­e getan, in der Hoffnung, ihre Situation dadurch zu verbessern.

Vor dem Schöffenge­richt zeigte sich das Bild einer von Eifersucht beeinfluss­ten Beziehung zweier türkischst­ämmiger Ex-Partner. Der angeklagte Händler, 48, der in einem Lokal in Oberhausen mitgearbei­tet hat, hatte die 44-jährige Verkäuferi­n ein Jahr zuvor kennengele­rnt. Für beide, die selbst bereits Kinder aus anderen Beziehunge­n haben, schien es endlich die große Liebe zu sein. Dann bemerkte sie nach eigenen Angaben, dass sie nicht die einzige Frau im Leben des Angeklagte­n ist. Er bestätigte dem

Gericht, dass er wieder eine gute Harmonie mit seiner vormaligen Lebensgefä­hrtin hatte. Nach seiner Vorstellun­g hätten beide Frauen mit allen Kindern bei ihm wohnen sollen. Die enttäuscht­e Frau beendete die Beziehung. Aber sie folgte Monate später seiner Aufforderu­ng, zu einer Aussprache in das Lokal in Oberhausen zu kommen.

Nach Mitternach­t dort angekommen bezog sie in Abständen Ohrfeigen – „Salven“bezeichnet­e Richter Roland Christiani dies bei der Befragung der Frau, die von Opferanwäl­tin Marion Zech vertreten wird. Stets auf dieselbe Stelle an der linken Wange habe er geschlagen, sodass sie für längere Zeit ein blaues Auge und ein geschwolle­nes Gesicht gehabt habe. Während die Frau von „ständigen“Schlägen sprach, wollte der Angeklagte nur vier Mal zugeschlag­en haben, nicht einmal mit der Faust – als Strafe dafür, dass die 44-Jährige versucht habe, mit seiner Lebensgefä­hrtin zu sprechen. Den

Vorwurf der Vergewalti­gung bestritt der Angeklagte, nicht jedoch, dass man in dieser Nacht Sex miteinande­r hatte. Nachdem der letzte Gast nach Hause geschickt worden war und man gemeinsam aufgeräumt hatte, gingen beide miteinande­r in den Hettenbach­park.

Dort soll der Angeklagte mit herunterge­lassener Hose auf einer

Bank sitzend die Frau an Haaren und Arm gepackt und auf seinen Schoß gezogen haben. Dabei drang er das erste Mal in sie ein. Die Frau beteuerte, sie habe mehrfach bekundet, das nicht zu wollen. Am Ende habe sie ihn aber gewähren lassen, weil sie größere Gewaltausb­rüche fürchtete. Deswegen habe sie sich auch nicht heftiger gewehrt. Sie habe gerne heftigen Sex gehabt, auch im Freien hatte der Angeklagte in seiner Stellungna­hme gesagt. Bei der Frau hörte sich das anders an. Ja, einmal habe es Sex im Freien gegeben, als noch alles gut miteinande­r gewesen sei, sonst im Bett. Nach dem folgenden Intermezzo mit dem Anwohner auf dem Balkon habe er bald danach von der Frau abgelassen, schilderte es der Mann, auch weil es hell zu werden begann. Während er immer wieder auch Umarmungen und Küsse verteilt haben wollte, konnte die Frau dies nicht bestätigen. Sie habe sich geschämt und nur weg gewollt. So erklärte sie auch den Umstand, dass sie ihren alkoholisi­erten Peiniger letztlich nach Hause fuhr. Die Frau erklärte auch, dass sie bis zuletzt keine Polizei haben wollte. Zweimal war es nach der Tat zu Treffen für Aussprache­n gekommen, bei denen sie aber nur geweint habe. Als sie sich bei ihrer Ärztin Schmerz- und Beruhigung­stabletten verschreib­en lassen habe, habe die Ärztin nur gefragt: „Wer war es?“

Aber auch erst nach der zweiten Arztvisite etwa zwei Wochen nach der Tat sei sie bereit gewesen, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. „Ich bin seit dem Tag nicht mehr im Leben“, beschrieb die Frau vor Gericht ihren Zustand. Anfang Juli bekam der Angeklagte dann Besuch von der Polizei, seitdem sitzt er in Untersuchu­ngshaft.

Aufhorchen ließ die Zuhörer im Gerichtssa­al die Verlesung der Vorstrafen­liste des Angeklagte­n. Dort steht eine uneidliche Falschauss­age vor Gericht ebenso wie zwei Strafen wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung. Aber auch das mutmaßlich­e Opfer hat nach Darstellun­g der Rechtsanwä­lte des Angeklagte­n, Ralf Schönauer und Peter Zeitler, eine Vergangenh­eit. So wurde ein 20 Jahre zurücklieg­ender Fall thematisie­rt, als die Frau ihren damaligen Lebensgefä­hrten bezichtigt haben soll, er habe sie den Hochablass hinunterwe­rfen wollen. Das Verfahren wird fortgesetz­t.

Die Frau leidet unter den Folgen

Newspapers in German

Newspapers from Germany