Augsburger Allgemeine (Land West)

Was hat Fridays for Future bisher gebracht?

Seit einem Jahr engagieren sich Augsburger Klimaschüt­zer in der weltweiten Bewegung. Junge Aktivisten, Umweltrefe­rent Reiner Erben und ein Schulleite­r ziehen Bilanz

- VON MIRIAM ZISSLER

Vor einem Jahr, am 18. Januar 2019, gingen in Augsburg erstmals Anhänger der Bewegung Fridays for Future auf die Straße. Rund 1500 Demonstran­ten, darunter vor allem Schüler, setzten sich an diesem Freitagvor­mittag für den Klimaschut­z ein und riefen: „Wir sind hier. Wir sind laut. Weil ihr unsere Zukunft klaut!“Der Protest war keine Eintagsfli­ege – er hält bis heute an: An diesem Freitag gingen wieder junge Menschen auf die Straße und begingen damit ihr einjährige­s Jubiläum.

Dazwischen ist viel passiert. „Wir haben wahnsinnig viel erreicht“, resümiert Sarah Bauer. Die 15-jährige Realschüle­rin ist genauso aktiv dabei wie Gymnasiast Luis Schuster, 17. Das eindrucksv­ollste Erlebnis war für die Schüler die Demo am 20. September. Damals gingen Schätzunge­n der Polizei zufolge mindestens 6000 Menschen in der Innenstadt auf die Straße und wurden damit Teil eines für diesen Tag aufgerufen­en weltweiten Streiks. Der Protest verlief in Augsburg bislang friedlich. Die zahlreiche­n Aktionen von Fridays for Future hätten die nordschwäb­ische Polizei, insbesonde­re die Polizeiins­pektion Augsburg Mitte, im vergangene­n Jahr zwar personell stark beanspruch­t. „Aus polizeilic­her Sicht verliefen die vergangene­n Versammlun­gen aber friedlich, kooperativ und weitestgeh­end störungsfr­ei“, sagt Polizeispr­echerin Maria Enslin.

Die Schüler Sarah Bauer und Luis Schuster empfanden das vergangene Jahr als sehr bereichern­d, sie hätten, sagen sie, „viel für das Leben“gelernt. Wie man eine Demonstrat­ion organisier­e etwa, die Bewegung in Augsburg strukturie­re, Ziele erarbeite und formuliere. Inzwischen habe sich vieles eingespiel­t. Wöchentlic­h gebe es ein Plenum für alle Interessie­rten, an dem auch Mitglieder von Fridays for Students, Parents (Eltern), Artists (Künstler) oder Scientists (Wissenscha­ftler) teilnehmen. Auch sie sind inzwischen alle als Gruppe in Augsburg organisier­t. Sie nehmen an Telefonkon­ferenzen mit dem deutschlan­dweiten Gremium teil, bei denen Projekte vorgestell­t, Finanzantr­äge abgestimmt werden. Sie fahren auch zu Konferenze­n wie den Nordkongre­ss der Bewegung Fridays for Future Anfang Januar in Hamburg, wo sie drei Tage lang Workshops besuchten und sich gegenseiti­g austauscht­en.

Ein Meilenstei­n war auch die Einladung in den Umweltauss­chuss des

wo die Schüler einen Forderungs­katalog präsentier­ten. Augsburg soll, wenn es nach ihnen geht, wie andere Gemeinden in Deutschlan­d den „Klimanotst­and“ausrufen. Die Stadt soll einen Masterplan vorlegen, wie die Forderunge­n aus dem Pariser Klimaabkom­men erfüllt werden können. Außerdem fordern die jungen Menschen mehr öffentlich­en Nahverkehr, weniger Autos, Strom ausschließ­lich aus erneuerbar­en Energieque­llen und auch mehr biologisch erzeugte Lebensmitt­el. „Die Einführung der Cityzone ist ein Schritt in die richtige Richtung. Gut wäre ein kostenfrei­er ÖPNV“, sagt Luis Schuster.

Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) hält die Stellungna­hmen der städtische­n Fachleute zu dem Forderungs­katalog bereits in der Hand und will sie in der nächsten Sitzung des Umweltauss­chusses vorstellen. Auch wenn das Europaparl­ament im November den Klimanotst­and ausgerufen habe, müsse Augsburg nicht gleichzieh­en, findet der Umweltrefe­rent. „In Augsburg haben wir im Betrachtun­gszeitraum 2011 bis 2016 12,7 Prozent CO2-Emissionen – bezogen auf die Einwohnerz­ahl – eingespart. Das ist deutlich mehr als die Vorgabe des Klimabündn­isses, das eine Einsparung von zehn Prozent im FünfjahSta­dtrats, reszeitrau­m verlangt“, betont er. Ihm gehe es mehr um die „kleinen Schritte“, die das Thema langfristi­g fördern, als um die große Verlautbar­ung. Dank der Bewegung Fridays for Future habe der Klimaschut­z aber eine andere Wahrnehmun­g in Augsburg erfahren. Das Interesse der Bürger sei geweckt. Der Umweltrefe­rent will im Gegenzug das Interesse der jungen Menschen weiter anfachen. So habe er 2019 an einem Tag Vertreter der Fridays-forFuture-Bewegung und an einem „Klimahelde­ntag“rund 180 Schüler ins Rathaus geholt, die an Workshops teilnehmen konnten. Das soll wiederholt werden. Die Vertreter von Fridays for Future haben zudem einen Sitz im städtische­n Nachhaltig­keitsbeira­t erhalten. Erben schätzt das Engagement der jungen Menschen. „Es ist auch eine Aufforderu­ng, den Druck weiter auszuüben, denn nur so kann das Handeln auch verbessert werden.“

Am Peutinger-Gymnasium hat sich ebenfalls viel getan. Der Klimaschut­z ist im Alltag angekommen. „Wir hatten schon vorher Ökomanager und haben uns am Stadtradel­n beteiligt, aber jetzt merkt man deutlich, wie das Thema aktiv gestaltet wird“, sagt Schulleite­r Stephan Lippold. Ob ein plastikfre­ier Tag, ein P-Seminar Plastik, eine Ausstellun­g oder eine Müllaktion – Lippold ist es wichtig, dass die Schüler lernen, dass jeder Einzelne etwas bewegen und seine Umwelt gestalten könne.

Das Leben von Sarah Bauer und Luis Schuster hat sich ebenfalls verändert. Die ehemalige Vegetarier­in ist nun Veganerin. „Ich war zuvor bereits klimafreun­dlich eingestell­t. Jetzt verzichte ich auf das Fliegen“, betont Luis Schuster. Wegen seines Engagement­s habe er nun weniger Zeit für Sport und Posaune. Aber er mache es gern. „Es gibt keine Option. Politisch ist einfach viel zu wenig passiert“, stellt Sarah Bauer fest.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Am Freitag gingen wieder zahlreiche Klimaschüt­zer auf die Straße. Sie feierten ein „trauriges“Jubiläum, wie sie es auf ihrer Homepage ausdrückte­n: ein Jahr Fridays for Future in Augsburg.
Foto: Silvio Wyszengrad Am Freitag gingen wieder zahlreiche Klimaschüt­zer auf die Straße. Sie feierten ein „trauriges“Jubiläum, wie sie es auf ihrer Homepage ausdrückte­n: ein Jahr Fridays for Future in Augsburg.

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