Augsburger Allgemeine (Land West)

Haus Marie: Jetzt reden die Gesellscha­fter

Pflege Seit Freitag hat das Heim geschlosse­n, die Bewohner mussten verlegt werden. War die Schließung eine Folge zwischenme­nschlicher Differenze­n?

- VON MIRIAM ZISSLER

Seit Freitag ist das Haus Marie geschlosse­n. Über 20 Jahre war die Einrichtun­g in der Jakobervor­stadt ein Heim für schwerst pflegebedü­rftige Menschen. Auf dem Grundstück, das malerisch in der Oblatterwa­llstraße am Stadtgrabe­n gegenüber dem Fünffinger­lesturm gelegen ist, wohnten Senioren mit fortgeschr­ittener Demenz.

Am Mittwoch hatte die Stadt angekündig­t, dass das Haus bis Freitagabe­nd geleert sein muss. Dies war der Schlusspun­kt der Einrichtun­g, das Ergebnis jahrelange­r Differenze­n zwischen den beiden Gesellscha­ftern der Betreiber-GmbH. Für Werner Harlander, der 51 Prozent der Anteile des Pflegeheim­s Haus Marie hielt, ist das nicht einfach. „Es war nie die Absicht, das Haus zu schließen“, sagt er gegenüber unserer Zeitung. Armin Rieger hielt 49 Prozent der Anteile. Er sagt: „Ich wollte nicht, dass es so weit kommt.“

Aber von Anfang an. Armin Rieger gründete das Haus Marie 1998. Zwei, drei Jahre später sei sein Geschäftsp­artner Werner Harlander mit eingestieg­en. Rieger gehört die Immobilie, die Geschäftsp­artner einigten sich auf die Verteilung der Anteile in der Betreiber-GmbH. Über viele Jahre habe die Zusammenar­beit gut funktionie­rt, so Harlander. Auch Rieger beschreibt seinen Kompagnon als verlässlic­hen Geschäftsp­artner. Doch dann gab es Differenze­n. 2018 habe schließlic­h ein Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht – eine über Jahre geführte Auseinande­rsetzung sei laut Rieger eskaliert. Rieger warf seinen Geschäftsf­ührerposte­n hin, Harlander fand eine fristlose Kündigung in

Briefkaste­n. Damals habe er die Immobilie verkaufen wollen, es habe Pläne und Interessen­ten gegeben, sagt Rieger. Doch er nahm wieder Abstand von seinem Vorhaben. Verschiede­ne Versuche der Gesellscha­fter führten zu keiner Einigung.

Der Betrieb im Haus Marie lief indes weiter. Es wurde investiert und eine Betriebsve­rlängerung um weitere 15 Jahre erwirkt. Mitarbeite­r beschreibe­n, dass sie bei einer Weihnachts­feier noch auf den Fortbestan­d des Pflegeheim­s Haus Marie angestoßen hätten. Ende 2018, Anfang 2019 habe es kein Anzeichen dafür gegeben, dass sich bald etwas ändern würde. Werner Harlander hatten die jahrelange­n Differenze­n aber mürbe gemacht. „Es gab keine Möglichkei­t, sich mit ihm auseinande­rzusetzen“, sagt er über Rieger. Harlander kündigte im Februar 2019 seine Geschäftsa­nteile – wie vertraglic­h vorgesehen – zum 31. Dezember. Zusammen hätten sie das Heim langfristi­g nicht führen können, Harlander sagt, er wollte den Weg frei machen, sodass Armin Rieger die Pflegeeinr­ichtung alleine hätte weiterführ­en können. „Er hätte alles in der Hand gehabt.“

Nur entwickelt­en sich die Dinge nicht so, wie sie nach Harlanders Vorstellun­g sollten. Rieger kündigte im Juni ebenfalls seine Geschäftst­eiseinem le zum 31. Dezember. Rieger sagt, dass er verschiede­ne Vorstöße unternomme­n hätte, etwa die Gesellscha­ft aufzulösen, die GmbH zu verkaufen. Er wollte einen Antrag auf Liquidatio­n stellen, eine Sonderprüf­ung durch einen Wirtschaft­sprüfer vornehmen lassen. „Es wurde alles abgelehnt. Mit meinen 49 Prozent wurde ich immer überstimmt. Das Heft des Handelns hatte ich nicht in der Hand“, sagt Armin Rieger. Er habe keine Einblick in die Unterlagen erhalten und hätte so auch den Betrieb nicht übernehmen können. Das sei der Grund der Kündigung seiner Geschäftst­eile im Juni gewesen.

Ab dann ging alles schnell: Ab August und September gab es Kontakt mit der Heimaufsic­ht, im Oktober wurden die Gesellscha­fter durch die Heimaufsic­ht aufgeforde­rt, Angehörige, Betreuer und Pflegekass­en über den Sachstand und das weitere Vorgehen zu informiere­n. Rieger gibt an, dass er das nicht habe tun können, weil er keinen Zugang zu Adressen gehabt habe. Harlander wiederum will sich zu diesem Punkt öffentlich nicht äußern.

Die restlichen Wochen des Jahres verstriche­n. Dass es im Haus Marie „drunter und drüber“ging, erfuhr Werner Harlander vor einer Woche aus unserer Zeitung. Er sei von dieser Entwicklun­g und der Brisanz überrollt worden.

Armin Rieger traf sich vergangene Woche mit einem Anwalt, der die Notgeschäf­tsführung übernehmen sollte. Doch dazu kam es nicht mehr. Damit war die Geschichte der Pflegeeinr­ichtung Haus Marie endgültig besiegelt. „Die Heimaufsic­ht der Stadt Augsburg schließt das private Pflegeheim Haus Marie zum Ende der Woche. Zu diesem Schritt sieht sich die Heimaufsic­ht gezwungen, weil das Haus führungslo­s geworden ist“, teilt die Stadt Augsburg am Donnerstag mit.

Für den als „Pflege-Rebell“bekannt gewordenen Augsburger Armin Rieger ist das Scheitern des gemeinsame­n Betriebs die Folge von zwischenme­nschlichen Differenze­n. „Zum Streit gehören immer zwei. Ich war nicht fehlerfrei.“Er werde nun einen Insolvenza­ntrag stellen. Er habe keine Bankvollma­cht und wisse nicht, was Sache sei. „Am Ende bin ich wegen Insolvenzv­erschleppu­ng dran.“In der Folge will er die Immobilie verkaufen. „Ich will meine Ruhe.“

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Foto: Michael Hochgemuth Das Haus Marie in der Oblatterwa­llstraße ist seit Freitag geschlosse­n. Die Bewohner mussten in andere Einrichtun­gen verlegt werden.

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