Augsburger Allgemeine (Land West)

Was bringen Söders „Geschenke“für Augsburg?

Eine neue Behörde und 600 zusätzlich­e Studienplä­tze sollen die Stadt aufwerten. Doch diese Veränderun­gen allein können nicht den notwendige­n Strukturwa­ndel bewirken

- VON NICOLE PRESTLE

Enip@augsburger-allgemeine.de

s gab Zeiten, und die sind nicht lange her, da wurde Augsburg von München mit reichlich Geschenken bedacht: Es bekam eine Uniklinik und ein Staatsthea­ter, das mit einem Zuschuss im höheren dreistelli­gen Millionenb­ereich vom Freistaat Bayern saniert werden kann. Obendrauf flossen weitere Millionen für die maroden Schulen dieser Stadt. Als Kurt Gribl vergangene­s Jahr seinen Rückzug aus dem Amt bekannt gab, fürchteten Politik-Kenner, diese Zeit könnte vorbei sein: Gribl galt als enger Vertrauter von Ex-Ministerpr­äsident Horst Seehofer, die CSU-Politiker hatten Uniklinik und Staatsthea­ter eingefädel­t. Zu Seehofers Nachfolger Söder war Gribls Draht nicht so gut – und wer weiß, wie es nach Gribl werden würde …

Diese Woche nun zeigte: Auch der „neue“Ministerpr­äsident hat Augsburg auf dem Schirm. Die Stadt bekommt 600 neue Studienplä­tze und eine Zweigstell­e des bayerische­n Bau- und Verkehrsmi­nisteriums mit rund 200 Mitarbeite­rn. Auch wenn Schwaben damit nicht so gut bedacht wird wie andere Regierungs­bezirke, sind beide Entscheidu­ngen zu begrüßen.

Söders Umstruktur­ierungen mitten in der heißen Phase des Kommunalwa­hlkampfs sind nicht schwer zu interpreti­eren: Mit der CSU an der Spitze, so darf man es übersetzen, geht es auch den struktursc­hwächeren Regionen Bayerns gut. Beim Neujahrsem­pfang der Augsburger CSU vergangene­s Wochenende hatte Söder die Lage ebenfalls deutlich gemacht: Sollte die Augsburger CSU-OB-Kandidatin Eva Weber gewinnen, könnte die politische Freundscha­ft zwischen München und Augsburg nahtlos so weitergehe­n, wie sie zu Zeiten Gribls und Seehofers bestand. Kommunalwa­hlkampf also auf höchster bayerische­r Ebene.

Doch was bringen Söders aktuellste Entscheidu­ngen für Augsburg? Noch ist das schwer zu sagen, weil man weder weiß, wo die Mitarbeite­r des Bauministe­riums einmal ihre Büros haben werden, noch – und das ist viel interessan­ter – wo sie leben werden. Bekommt Augsburg neue Bürger oder eine Reihe neue Pendler?

Auch Jahrzehnte nach dem Niedergang der Textilindu­strie ist Augsburg stark von dieser Zeit geprägt. Dass in der Branche vor allem Menschen mit geringeren Einkommen beschäftig­t waren, wirkt sich bis heute auf die Sozialstru­ktur der Stadtgesel­lschaft aus: Das Durchschni­ttseinkomm­en je Einwohner ist in Augsburg geringer als andernorts im Freistaat, die Renten ebenso. Diese und andere Fakten haben der Stadt in Studien schon öfter den Beinamen „Armenhaus Bayerns“eingebrach­t.

Ändern könnte sich das, würden sich in Augsburg bald mehr Menschen mit gut dotierten Arbeitsplä­tzen niederlass­en. Arbeitsplä­tze, die bestenfall­s in der eigenen Stadt angeboten werden. Insofern ist die Verlagerun­g eines Teils des Bauministe­riums ein guter Ansatz. Doch eine Behörde mit 200 Mitarbeite­rn genügt nicht, um die Struktur einer Gesellscha­ft zu verändern.

Hier kommen die 600 neuen Studienplä­tze ins Spiel, die Augsburgs Hochschule­n seit Langem gefordert hatten: Sie entstehen in neuen Fakultäten und Studienfäc­hern und machen die Stadt als Studienort attraktive­r. Auch das seit Herbst angelaufen­e Medizinstu­dium wurde sehr gut angenommen. Die Frage wird jedoch sein, ob Augsburg den Studenten nach ihrem Abschluss gut bezahlte und inhaltlich anspruchsv­olle Arbeitsplä­tze bieten kann. Ist dies nicht der Fall, werden die jungen Akademiker in andere Städte abwandern. Augsburg hätte nur kurze Zeit von ihnen profitiert.

Der Freistaat kann den Strukturwa­ndel in der Stadt durch (finanziell­e) Förderunge­n und Behördenve­rlagerunge­n allenfalls unterstütz­en. Wandeln muss sich Augsburg aus eigener Kraft und mit guten Ideen für drängende Probleme wie beispielsw­eise den Wohnungsma­rkt mit seinen überteuert­en Mieten.

Wahlkampfh­ilfe auf höchster bayerische­r Ebene

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Foto: Hohlen Augsburg erhält 600 neue Studienplä­tze. Auch eine Behörde soll von München nach Augsburg umziehen.
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