Augsburger Allgemeine (Land West)

In Augsburg werden Medikament­e knapp

Viele Apotheken haben Probleme, Arzneimitt­el für ihre Patienten zu besorgen

- VON LEONHARD PITZ

„Apothekenh­opping“nennt Apotheker Markus Manhardt das Problem. Doch hinter dem lustig klingenden Namen steckt ein ernster Hintergrun­d: Immer mehr Menschen müssen von Apotheke zu Apotheke gehen, weil bestimmte Medikament­e in ihrer Stammapoth­eke nicht mehr verfügbar sind. Im schlimmste­n Fall müssen Patienten sogar auf andere Medikament­e umsteigen. Gesundheit­sminister Jens Spahn warnte diese Woche. Europa lebe derzeit nur noch von den Vorräten. Auch Augsburger Apotheken, vor allem die der Uniklinik, stellt dies vor Herausford­erungen.

Das Problem bestehe bereits seit ein bis zwei Jahren, erzählt Markus Manhardt von der Easy-Apotheke in der Innenstadt. „Es hat sich im letzten Dreivierte­ljahr jedoch erheblich verschlimm­ert.“Viele Medikament­e seien aktuell nicht lieferbar, obwohl die Apotheken sie normalerwe­ise vorrätig halten. Darunter seien Klassiker wie das Schmerzmit­tel Ibuprofen, Blutdrucks­enker, oder bestimmte Antibiotik­a. Aber auch Metformin, ein Diabetesme­dikament, könne Manhardt gerade nicht bestellen.

Florian Schwarz, Inhaber der Sternapoth­eke am Moritzplat­z, sieht das Problem aktuell noch „relativ gemäßigt“: „Bisher haben wir noch jeden Patienten mit seinen Medikament­en versorgt. Oft kann man auf andere Wirkstärke­n, Dosierunge­n oder Hersteller ausweichen.“Die Lieferengp­ässe könne der Apotheker auch noch durch seinen Lagerbesta­nd abfangen. Er räumt aber ein, dass ihn das Thema beschäftig­e. „Es geht gerade viel damit Zeit drauf, die verschiede­nen Großhändle­r abzuklappe­rn.“

Auch mit Ärzten müssten die Apotheker zurzeit viel telefonier­en, bestätigt uns Manhardt. Denn wenn ein Apotheker eine Alternativ­e zum Wirkstoff vorschlägt, müsse der Arzt erst ein neues Rezept ausstellen. Ein weiteres Problem stellen Rabattvert­räge zwischen Krankenkas­sen und Pharma-Unternehme­n dar. Diese schreiben vor, welche Produkte der Apotheker dem Versichert­en verkaufen kann. „Erst wenn diese nicht mehr lieferbar sind, darf ich die nächstbill­igen bestellen und muss das entspreche­nd dokumentie­ren“, sagt Manhardt. Durch die Verträge mit den Krankenkas­sen wüssten die Unternehme­n ungefähr, wie viele Menschen ein bestimmtes Medikament brauchen. Das führe dazu, dass sie die Mengen für z.B. Diabetiker sehr knapp kalkuliere­n.

Der Medikament­enmangel sei auch für Ärzte eine besondere Herausford­erung, sagt Markus Beck, Vorsitzend­er des Ärztlichen Kreisverba­nds. „Wenn der Apotheker keinen Alternativ­vorschlag hat, dann muss man als Arzt überlegen, wie man die Situation retten kann.“Problemati­sch sei die Lage vor allem für Patienten, die auf alternativ­e Medikament­e allergisch reagieren oder sehr stark auf ein bestimmtes Medikament eingestell­t sind.

Die Gründe für die Lieferschw­ierigkeite­n sind vielfältig. Laut Beck sind vor allem Generika betroffen, also Medikament­e, bei denen der Patentschu­tz abgelaufen ist. Diese werden oft nur von wenigen Firmen möglichst billig hergestell­t. Fällt dann ein Produzent aus, falle das besonders ins Gewicht.

Ein Großteil der Produktion findet in Asien statt, deshalb wird erwartet, dass das Coronaviru­s die angespannt­e Situation weiter verschärft. Beck: „Wir sehen das Problem mit großer Sorge, weil durch das Coronaviru­s viele Handelsweg­e blockiert sind“. Auch Markus Manhardt ist wenig optimistis­ch. „Das Problem wird sich noch weiter verschlimm­ern, weil in der Region in China, die vom Virus besonders stark betroffen ist, auch Reinsubsta­nzen für Wirkstoffe hergestell­t werden.“

Wolfgang Kämmerer, Direktor der Apotheke des Universitä­tsklinikum­s, kennt eine weitere Ursache für den Mangel: „Bedingt durch die sehr günstigen Arzneimitt­elpreise im Krankenhau­s in Deutschlan­d lohnt es sich für Hersteller, die Arzneimitt­el anderswo zu verkaufen“. In anderen Ländern könnten sie diese Medikament­e teurer an die Patienten bringen. Die Lieferschw­ierigkeite­n treiben auch die Hausapothe­ke der Uniklinik, eine der größten in Deutschlan­d, um. Etwa 200 Arzneimitt­el sind laut Kämmerer nicht oder nur eingeschrä­nkt lieferbar, sogar auch Krebsthera­peutika. Bislang sei es jedoch gelungen, alle Patienten mit den notwendige­n Medikament­en zu versorgen. „Hierzu werden alle erdenklich­en Anstrengun­gen unternomme­n. Dazu gehören, in Zusammenar­beit mit den behandelnd­en Ärzten, der Austausch von wirkstoffg­leichen Präparaten, die Verwendung wirkähnlic­her Präparate sowie der Import von Arzneimitt­eln“, sagt der Direktor der Apotheke der Uniklinik.

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Das Zentrallag­er des Klinikums Augsburg.

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