Augsburger Allgemeine (Land West)
In Augsburg werden Medikamente knapp
Viele Apotheken haben Probleme, Arzneimittel für ihre Patienten zu besorgen
„Apothekenhopping“nennt Apotheker Markus Manhardt das Problem. Doch hinter dem lustig klingenden Namen steckt ein ernster Hintergrund: Immer mehr Menschen müssen von Apotheke zu Apotheke gehen, weil bestimmte Medikamente in ihrer Stammapotheke nicht mehr verfügbar sind. Im schlimmsten Fall müssen Patienten sogar auf andere Medikamente umsteigen. Gesundheitsminister Jens Spahn warnte diese Woche. Europa lebe derzeit nur noch von den Vorräten. Auch Augsburger Apotheken, vor allem die der Uniklinik, stellt dies vor Herausforderungen.
Das Problem bestehe bereits seit ein bis zwei Jahren, erzählt Markus Manhardt von der Easy-Apotheke in der Innenstadt. „Es hat sich im letzten Dreivierteljahr jedoch erheblich verschlimmert.“Viele Medikamente seien aktuell nicht lieferbar, obwohl die Apotheken sie normalerweise vorrätig halten. Darunter seien Klassiker wie das Schmerzmittel Ibuprofen, Blutdrucksenker, oder bestimmte Antibiotika. Aber auch Metformin, ein Diabetesmedikament, könne Manhardt gerade nicht bestellen.
Florian Schwarz, Inhaber der Sternapotheke am Moritzplatz, sieht das Problem aktuell noch „relativ gemäßigt“: „Bisher haben wir noch jeden Patienten mit seinen Medikamenten versorgt. Oft kann man auf andere Wirkstärken, Dosierungen oder Hersteller ausweichen.“Die Lieferengpässe könne der Apotheker auch noch durch seinen Lagerbestand abfangen. Er räumt aber ein, dass ihn das Thema beschäftige. „Es geht gerade viel damit Zeit drauf, die verschiedenen Großhändler abzuklappern.“
Auch mit Ärzten müssten die Apotheker zurzeit viel telefonieren, bestätigt uns Manhardt. Denn wenn ein Apotheker eine Alternative zum Wirkstoff vorschlägt, müsse der Arzt erst ein neues Rezept ausstellen. Ein weiteres Problem stellen Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Pharma-Unternehmen dar. Diese schreiben vor, welche Produkte der Apotheker dem Versicherten verkaufen kann. „Erst wenn diese nicht mehr lieferbar sind, darf ich die nächstbilligen bestellen und muss das entsprechend dokumentieren“, sagt Manhardt. Durch die Verträge mit den Krankenkassen wüssten die Unternehmen ungefähr, wie viele Menschen ein bestimmtes Medikament brauchen. Das führe dazu, dass sie die Mengen für z.B. Diabetiker sehr knapp kalkulieren.
Der Medikamentenmangel sei auch für Ärzte eine besondere Herausforderung, sagt Markus Beck, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands. „Wenn der Apotheker keinen Alternativvorschlag hat, dann muss man als Arzt überlegen, wie man die Situation retten kann.“Problematisch sei die Lage vor allem für Patienten, die auf alternative Medikamente allergisch reagieren oder sehr stark auf ein bestimmtes Medikament eingestellt sind.
Die Gründe für die Lieferschwierigkeiten sind vielfältig. Laut Beck sind vor allem Generika betroffen, also Medikamente, bei denen der Patentschutz abgelaufen ist. Diese werden oft nur von wenigen Firmen möglichst billig hergestellt. Fällt dann ein Produzent aus, falle das besonders ins Gewicht.
Ein Großteil der Produktion findet in Asien statt, deshalb wird erwartet, dass das Coronavirus die angespannte Situation weiter verschärft. Beck: „Wir sehen das Problem mit großer Sorge, weil durch das Coronavirus viele Handelswege blockiert sind“. Auch Markus Manhardt ist wenig optimistisch. „Das Problem wird sich noch weiter verschlimmern, weil in der Region in China, die vom Virus besonders stark betroffen ist, auch Reinsubstanzen für Wirkstoffe hergestellt werden.“
Wolfgang Kämmerer, Direktor der Apotheke des Universitätsklinikums, kennt eine weitere Ursache für den Mangel: „Bedingt durch die sehr günstigen Arzneimittelpreise im Krankenhaus in Deutschland lohnt es sich für Hersteller, die Arzneimittel anderswo zu verkaufen“. In anderen Ländern könnten sie diese Medikamente teurer an die Patienten bringen. Die Lieferschwierigkeiten treiben auch die Hausapotheke der Uniklinik, eine der größten in Deutschland, um. Etwa 200 Arzneimittel sind laut Kämmerer nicht oder nur eingeschränkt lieferbar, sogar auch Krebstherapeutika. Bislang sei es jedoch gelungen, alle Patienten mit den notwendigen Medikamenten zu versorgen. „Hierzu werden alle erdenklichen Anstrengungen unternommen. Dazu gehören, in Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten, der Austausch von wirkstoffgleichen Präparaten, die Verwendung wirkähnlicher Präparate sowie der Import von Arzneimitteln“, sagt der Direktor der Apotheke der Uniklinik.