Augsburger Allgemeine (Land West)
Wer hat künftig im Rathaus die Mehrheit?
Kommunalpolitik Für die Stadtpolitik ist entscheidend, wer die Oberbürgermeister-Stichwahl am Sonntag für sich entscheiden kann, aber im Hintergrund laufen die Überlegungen, wie das künftige Regierungsbündnis aussehen wird
Eine halbe Woche vor der Oberbürgermeister-Stichwahl hat die CSU als stärkste Fraktion ihren Machtanspruch bei der Bildung der neuen Stadtregierung angemeldet. Aus dem Ergebnis leite man „den Auftrag ab, auch künftig für Augsburg politische Verantwortung und Gestaltung zu übernehmen“, erklärte Parteichef Volker Ullrich am Dienstag. Wünschenswert seien „klare Verhältnisse und eine verantwortungsvolle Mehrheitsbildung“im Stadtrat, nicht zuletzt im Hinblick auf die Corona-Krise und deren Folgenbewältigung. Sollte sich Eva Weber (CSU; 43 Prozent im ersten Wahlgang) in der Stichwahl gegen Dirk Wurm (SPD; 18,8 Prozent) durchsetzen, müsse sie sich auf eine starke Fraktion und eine breite Mehrheit im Stadtrat stützen können. Knappe Mehrheiten mit vielen Partnern würden „den großen Aufgaben nicht gerecht“, so Ullrich.
Wie berichtet hatte die V-Partei ein Bündnis unter grün-roter Führung ins Gespräch gebracht, das aber nicht zuletzt wegen der hauchdünnen Mehrheit momentan von niemandem ernsthaft verfolgt wird. Ein konservativ-liberales Bündnis unter Führung der CSU als Gegenmodell würde rechnerisch gar keine Mehrheit zusammenbringen.
Was das künftige Verhältnis der drei größten Fraktionen CSU (20 Sitze), Grüne (14) und SPD (9) betrifft, äußert sich momentan niemand – erst müsse man einmal die Stichwahl abwarten. Ab Montag soll es telefonische Sondierungen in alle Richtungen geben.
Nachdem Linkspartei und V-Partei Wahlempfehlungen für SPD-Mann Wurm abgegeben haben, versucht die SPD aktuell noch, weitere Parteien zu gewinnen. Der Abstand zwischen Weber und Wurm im ersten Wahlgang war zwar beträchtlich, die SPD will aber vermutlich möglichst viele Prozente für Wurm holen, um auch im Fall einer Niederlage gestärkt in etwaige Verhandlungen gehen zu können. Unter anderem ist die SPD mit den Freien Wählern in Gesprächen wegen einer Wahlempfehlung, bestätigen beide Seiten – das sei aber weder entschieden, noch gehe es um mehr.
Seit einigen Tagen wabert in politischen Kreisen neben anderen nebulösen Vermutungen das Gerücht herum, dass die SPD an einer Zusammenarbeit mit den Freien Wählern interessiert sei. Das würde der SPD womöglich dazu verhelfen, in Gemeinschaft mit den Freien Wählern zusammen auf zwölf Sitze (neun SPD, drei FW) zu kommen. Hintergrund: Ab zehn Sitzen stehen Fraktionen mehr Mitarbeiter zu. Und es gibt eine Folgeüberlegung: Zwölf Sitze von SPD und Freien Wählern würden zusammen mit den 20 CSUSitzen und der OB-Stimme (egal, ob von Weber oder Wurm) 33 Sitze ergeben – eine Mehrheit. In dieser Konstellation könnte es der SPD womöglich gelingen, zwei Referentenposten zu halten. Von einer stabilen Mehrheit, wie sie die CSU will, ist man aber entfernt. SPD-Fraktionschef Florian Freund winkt bei diesen Gedankenspielen ab. „Wir konzentrieren uns auf die Stichwahl. Um nichts anderes geht es gerade.“
Rechnerisch läge nach wie vor ein Zweierbündnis aus CSU und Grünen mit 34 Sitzen zuzüglich der OBStimme nahe. Für eine breite Mehrheit könnte ein weiterer Partner, etwa SPD oder FW, dazugenommen werden. Es ist offensichtlich, dass Eva Weber und Grünen-Fraktionschefin Martina Wild gut miteinander können. Ob an den Basen beider Parteien eine Koalition, die über die bisherige Kooperation hinausgeht, Beifall finden würde, ist eine andere Frage. Inhaltlich gibt es Andockstellen, aber auch viele Differenzen, wobei dies auch für die SPD gilt. Letztlich, sagt Grünen-Fraktionschefin Martina Wild, entschieden am Ende die inhaltlichen Schnittmengen über eine Zusammenarbeit.