Augsburger Allgemeine (Land West)

So grün wie Kunstrasen

Bauausschu­ss Dass Begrünung nicht unbedingt Natur heißen muss, zeigen Beispiele aus Neusäß

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Neusäß Bauamtslei­ter im Rathaus Neusäß, Gerald Adolf, erläuterte in der Sitzung des Bauausschu­sses seine Sicht der Dinge mit einem Augenzwink­ern: „Für mich ist eine Begrünung etwas, das mit Wurzeln ausgestatt­et ist und das man schneiden muss.“Nicht so für die Fachleute der übergeordn­eten Ebene im Landratsam­t: Dort sieht man ausgelegte­n Kunstrasen ebenfalls als passende Begrünung an.

In der Brucknerst­raße auf dem Kobel ist ein neues Haus entstanden. Modern und symmetrisc­h sieht es aus, die Farbe Weiß dominiert. Rundherum auf dem Grundstück hatten die Investoren im Bauplan, den sie im Rathaus eingereich­t hatten, eine Begrünung mit Rasen angegeben. Nach Abschluss der Arbeiten stellten die Mitarbeite­r im Bauamt fest: Es ist komplett grüner Kunstrasen geworden.

Und hier fängt es an, schwierig zu werden. Kontrollie­ren und eventuell eine Veränderun­g oder eine andere Sanktion durchsetze­n, kann das

Neusässer Bauamt nicht, hierfür ist die Baubehörde im Landratsam­t zuständig. Doch die erhoffte Hilfe von dort blieb aus. Stattdesse­n kam die Antwort, dass man im Grunde selbst schuld sei: Im Bebauungsp­lan sei nur Begrünung angegeben und nichts Näheres. Hätte man echten Rasen oder Ähnliches gewollt, hätte man schon „Wiese“festlegen müssen. „Das irritiert mich“, so Stadtbaume­ister Dietmar Krenz in der Sitzung zurückhalt­end. Schließlic­h gebe es im bayerische­n Baugesetz den Grundsatz, dass auf einem Grundstück alle Flächen, die nicht bebaut sind, grün bleiben sollen.

Die Bauabteilu­ng des Landratsam­ts erläutert nun auf Nachfrage: Unter den Oberbegrif­f „Rasen“fielen auch die Unterbegri­ffe Fertigrase­n, Gartenrase­n, Kunstrasen (Kunststoff­rasen), Naturrasen, Regenerati­onsrasen, Rollrasen, Schattenra­sen, Spielrasen, Wohnrasen und Zierrasen. „Aus Sicht des Landratsam­ts wird der genehmigte Freifläche­ngestaltun­gsplan demnach also auch als erfüllt angesehen, wenn in den als „Rasen“bezeichnet­en Flächen Kunstrasen ausgelegt wurde“, so eine Sprecherin.

Der Fall mit dem Kunstrasen war nicht der einzige in diese Richtung auf der Sitzung des Ausschusse­s. „Frustriert“war Dietmar Krenz über eine ähnlich gelagerte Entscheidu­ng aus dem Landratsam­t. Die Behörde will nicht gegen einen Eigentümer vorgehen, der nach dem Umbau seinen Vorgarten komplett mit Pflaster ausgelegt hat. Hier geht es um ein vergrößert­es Haus im Heckenweg in Ottmarshau­sen. Auch das ist für das Landratsam­t kein Grund, aktiv zu werden.

Dabei geht es den Mitglieder­n des Neusässer Bauausschu­sses nicht allein um Optisches oder darum, möglichst viel Grün auch in der Stadt zu erhalten. Es geht zudem um Probleme, die entstehen, wenn mehr Flächen als nötig versiegelt werden. Die Kanäle in der Stadt würden dadurch immer voller, diese Folgen müsse man aber alleine tragen, so der Tenor im Bauausschu­ss. In eine ähnliche Richtung geht eine Einschätzu­ng der übergeordn­eten Behörde zu einem Bauvorhabe­n an der Alten Reichsstra­ße in Steppach. Dort möchte ein Investor auf dem Gelände eines ehemaligen Handwerksb­etriebs auf dem letzten verblieben­en Stück Grün ein Wohnhaus errichten.

Für den Bauausschu­ss in Neusäß und das Bauamt ist es dort viel zu eng für ein weiteres Gebäude, für die Baubehörde im Landratsam­t ist es hingegen okay. „Das ist ein unglaublic­her Vorgang“, so die CSUFraktio­nschefin Karin Zimmermann aufgebrach­t. Bei diesen Entscheidu­ngen fühle man sich bloßgestel­lt. Sie forderte, eine rechtliche Überprüfun­g der Entscheidu­ng zu überlegen. Das schlug Zweiter Bürgermeis­ter Wilhelm Kugelmann (CSU) auch für den Fall des Kunstrasen­s am Kobel vor. Ein Jurist soll nun die Einschätzu­ng aus dem Landratsam­t überprüfen, trug der Ausschuss den Beschluss mit.

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