Augsburger Allgemeine (Land West)
Bayerische Logistiker stemmen sich gegen die Krise
Hintergrund Kemptener Dachser-Konzern ist breit aufgestellt und sieht sich als finanziell stabil. Die Neu-Ulmer Firma Honold hält an Investitionen fest
Kempten/Neu-Ulm Führende Logistikunternehmen mit Sitz in Bayern sind Leidtragende, aber teilweise auch Profiteure der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Dabei zeigt sich, dass von unserer Redaktion befragte Firmen-Lenker dank der zurückliegenden Boom-Jahre für die Branche finanziell gut ausgestattet sind und planen, an großen Investitionsvorhaben festzuhalten.
Das größte Logistikunternehmen mit Sitz in unserer Region ist der Kemptener Dachser-Konzern, ein weltweit aktives Unternehmen mit inzwischen rund 31000 Mitarbeitern, knapp 400 mehr als ein Jahr zuvor. Am Dienstag informierte Unternehmenschef Bernhard Simon über das Geschäftsjahr 2019. Die Bilanz zeigt, dass es Dachser gelungen ist, trotz der sich Ende des vergangenen Jahres eintrübenden Konjunktur einen Rekordumsatz von 5,66 Milliarden Euro vorzulegen, ein Plus von 1,6 Prozent.
Angesichts der sich nun im Zuge der Corona-Pandemie weltweit verschärfenden Wirtschaftskrise ist eine andere ökonomische DachserKennziffer besonders aussagekräftig: So betrug die Eigenkapitalquote des in den vergangenen Jahrzehnten stark gewachsenen Unternehmens zuletzt 57,5 Prozent – wiederum ein historischer Höchststand. Der Dachser-Chef ist überzeugt: „Das belegt unsere sehr hohe finanzielle Stabilität.“Dabei nennt das Unternehmen traditionell nicht den am Ende übrig gebliebenen Jahresüberschuss. Doch wie gut es Dachser gehen muss, lässt sich allein daraus schließen, dass der Logistiker mit den gelb-blauen Lkws im vergangenen Jahr 151 Millionen Euro investiert hat, ein überdurchschnittlich hoher Wert, wenn man die Zahlen der letzten Jahre betrachtet.
Dabei entpuppte sich die Dachser Food Logistik, also der Lebensmittelbereich, 2019 als Wachstumschampion für den Allgäuer Konzern. Mit dem Transport und der Lagerung von Lebensmitteln erzielte die Firma einen Umsatz von 964
Millionen Euro, was einem Zuwachs von 5,1 Prozent gleichkommt. In der Sparte müsste das Familienunternehmen eigentlich auch jetzt in Corona-Zeiten eine starke Nachfrage verspüren, decken sich viele Bürger doch nach wie vor reichlich mit Waren ein. Simon bestätigte das: „Wir profitieren von der stärkeren Nachfrage.“Dabei haben die Dachser-Spezialisten beobachtet, dass sich die Konsumgewohnheiten vieler Verbraucher ändern. Hätten sie sich vor einigen Wochen noch vor allem mit Grundprodukten wie Reis, Mehl und Zucker eingedeckt, seien nun auch höherwertige und frischere Waren wie etwa Milchprodukte stärker gefragt. Weil Gaststätten im Zuge der Corona-Krise schließen mussten und allenfalls
Mahlzeiten außer Haus verkaufen, versuchen Logistiker, die hier für sie eingebrochenen Umsätze mit der Belieferung von Supermärkten auszugleichen. Dabei sind Lkw-Fahrer unter erschwerten Bedingungen besonders herausgefordert. Bekanntermaßen sind die Fachkräfte heiß begehrt. Logistiker haben Probleme, ausreichend Fahrer zu finden. Simon versicherte deshalb: „Wir sprechen ihnen Mut und Durchhaltevermögen zu.“Schließlich gelte es, die Fahrer auch für die Zeit nach der Krise zu halten. Dabei zog der Dachser-Chef einen historischen Vergleich zur Zeit der Finanzmarktkrise in den Jahren 2008 und 2009. Damals sei es dem Familienunternehmen „als Anker für Stabilität und Sicherheit“gelungen, die
Herausforderung mit Mitarbeitern und Kunden zu meistern. Hier kann sich Simon darauf stützen, „dass sich die Mengen im deutschen Netzwerk für Dachser recht stabil entwickeln“. Doch im Ausland sehe er einen Rückgang von 20 Prozent. In Südeuropa ist die Lage für Logistiker schwierig. Trotz der Unwägbarkeiten hält Dachser „für den Moment“an den Investitionsplänen über 195 Millionen Euro für 2020 fest. So will das Unternehmen Ende dieses Jahres mit den Bauarbeiten für zwei neue Gebäude in Kempten beginnen. Am Stammsitz arbeiten rund 1100 Beschäftigte, in Memmingen 900, in Kaufbeuren 140, in Langenau unweit von Ulm 580 und in Gersthofen bei Augsburg 330.
Ähnlich zuversichtlich wie Simon zeigt sich Heiner Matthias Honold, geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Neu-Ulmer Logistikers mit rund 1400 Mitarbeitern. Auch er hebt hervor, das Unternehmen sei finanziell gut aufgestellt: „Wir haben ein gutes Jahr hinter uns.“Honold verzeichnet in Corona-Zeiten eine stärkere Nachfrage aus dem Pharmabereich, während die Firma darunter stark leidet, dass Fahrzeughersteller die Produktion runtergefahren haben. Interessant ist aber: In Zeiten, in denen kaum neue Autos, Busse oder Lkws hergestellt werden, sind Ersatzteile umso gefragter. Hier liefert Honold über Nacht und sieht sich als Nummer zwei in Deutschland. Heiner Matthias Honold, der sich eigentlich auf ein ruhigeres Jahr der Konsolidierung eingestellt hatte, meinte deshalb: „Wir sind trotz der Krise guten Mutes, hoffen, mit einem blauen Auge davonzukommen und halten nach dem besten Ergebnis in unserer Firmengeschichte an unseren Investitionsplänen vorerst fest.“Doch der Unternehmer musste schon Kurzarbeit anmelden, etwa in Rumänien und auch für mehrere deutsche Standorte wie Neu-Ulm. Dachser hingegen hat hierzulande noch keine Kurzarbeit beantragt, aber bereits in von der Pandemie besonders gebeutelten Ländern wie Spanien und Frankreich.