Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie Zahnärzte unter der Corona-Krise leiden
Gesundheit Die rund 200 Praxen und Kliniken in Augsburg bekommen reihenweise Absagen von Patienten. Zwei Betroffene erzählen
In Augsburg gibt es rund 200 Zahnarztpraxen und Zahnmedizinische Versorgungszentren. Auch hier hat die Corona-Pandemie den Alltag gehörig umgekrempelt. Das bekommt unter anderem Siegfried Weida zu spüren, der mit seiner Frau Nadja sowie mit Marcus Seebald eine Praxis in der Innenstadt betreibt und dort mit zahlreichen Absagen konfrontiert wird. „Viele Patienten glauben, sie dürften jetzt wegen der Ausgangsbeschränkungen nicht mehr zum Zahnarzt gehen“, sagt der Mediziner. Dabei habe ihm das Gesundheitsministerium klar mitgeteilt, dass Zahnarztbesuche erlaubt seien, auch wenn es sich nicht um eine Notfallbehandlung handle.
Prophylaktische Behandlungen hat Weida aktuell von sich aus gestrichen. Ansonsten aber sei das komplette Programm möglich – mit einem geänderten Prozedere: „In unserer Praxis ist immer nur ein Arzt mit seinen zugeordneten Assistentinnen anwesend. Wir wechseln uns wöchentlich ab.“Bereits am Eingang gebe es Desinfektionsmittel für die Patienten, die im Übrigen nur nach vorheriger telefonischer Anmeldung und ohne Erkältungssymptome die Räume betreten dürften.
Noch ist die Praxis im Weberhaus mit Mundschutz ausgestattet. Wenn Sprühnebel entsteht, etwa beim Bohren, greift Weida auf die speziellen FFP-Masken zurück. Vor Kurzem habe er auch ein Care-Paket der Kassenzahnärztlichen Vereinigung erhalten mit einem Liter Desinfektionsmittel und vier Packungen Mundschutz. „Versprochen wurde uns mehr“, sagt der Mediziner. Geärgert hat er sich, dass die Zahnärzte beim bayerischen Corona-Rettungsschirm zunächst vergessen wurden. Mittlerweile gebe es aber Signale, „dass wir im zweiten Paket dabei sind“.
Das große Loch in der Kasse wird durch die Quartalsabrechnungen erst in ein paar Monaten spürbar sein. Das bestätigt auch Claudia Hartlehnert. Sie führt zusammen mit Ludwig Wex eine Praxis und wendet ebenfalls das Schicht-Modell an. Des Weiteren hat sie die Öffnungszeiten reduziert und für ihre Helferinnen 50 Prozent Kurzarbeit beantragt. Ihre Beobachtung: „Ganz viele Patienten sagen derzeit ihre Termine ab. Vor allem die älteren haben Angst und laufen lieber noch ein paar Wochen länger mit einem Provisorium herum.“
Die Erfahrungen von Weida und Hartlehnert spiegeln den allgemeinen Trend wider. Leo Hofmeier von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) sagt, dass aufgrund der Corona-Pandemie derzeit bundesweit rund 80 Prozent der Behandlungen ausfielen, was sich in den nächsten Monaten auswirke. „Im zweiten Quartal wird die KZVB voraussichtlich sehr hohe Abschlagszahlungen leisten, um die Liquidität der Praxen zu erhöhen und die Existenz zu sichern“, beschreibt Sprecher Hofmeier das Szenario.
Dieser „Vorschuss“werde aber mit den künftigen Honorarzahlungen verrechnet. „Wir stehen deshalb in Gesprächen mit der Politik und den Krankenkassen, wie wir das wirtschaftliche Überleben der Praxen langfristig sichern können. Bayern braucht auch nach Corona ausreichend Zahnärzte, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.“
Laut Hofmeier verfügen die meisten Praxen in Bayern noch über die normale Schutzausrüstung (Mundschutz, Handschuhe, Schutzbrille), die sie auch schon vor Corona verwendet haben. „Von 8000 Praxen mussten nur rund 300 Praxen den Betrieb vorübergehend einstellen.“Ein großes Problem seien aber die speziellen Masken, die für die Versorgung von infizierten oder unter Quarantäne stehenden Patienten benötigt werden.
Aktuell laufen bei der KZVB die Vorbereitungen, damit auch am Covid-19-Virus infizierte Personen eine Zahnbehandlung bekommen können. Eine derartige Praxis, die über die entsprechende Ausrüstung verfügt, werde auch in Augsburg eingerichtet, kündigt Hofmeier an. Wo genau diese sein wird – und wann sie die Arbeit aufnehmen kann – stehe aber noch nicht fest.