Augsburger Allgemeine (Land West)

Diese Firmen haben Erfolg in der Krise

Wirtschaft Während viele Unternehme­n in der Region wirtschaft­lich schwer zu kämpfen haben, läuft es bei manchen innovative­n Augsburger­n sogar besser. Ein Experte erklärt, warum das so ist

- VON EVA MARIA KNAB

Viele heimische Unternehme­n stehen in der Corona-Krise still oder haben schwer zu kämpfen. Doch es gibt auch Unternehme­n, die in diesen wirtschaft­lich schweren Zeiten erfolgreic­h unterwegs sind. Dahinter steht oft ein innovative­s Geschäftsm­odell.

Dass internatio­nale Internethä­ndler und große Logistik-Firmen gute Umsätze machen, während der stationäre Einzelhand­el wegen Corona weitgehend geschlosse­n bleiben muss, hat sich herumgespr­ochen. Die Deutsche Post teilte mit, dass die Sendungsme­ngen lange weitgehend normal gewesen seien. Mittlerwei­le hätten sie sich aber leicht erhöht. Auch beim OnlineRies­en Amazon steigt die Nachfrage, wie ein Unternehme­nssprecher sagte. Besonders häufig bestellten die Menschen medizinisc­he Verbrauchs­güter und Dinge, die auch im Supermarkt sehr gefragt sind. Unterdesse­n setzt sich die wirtschaft­liche Talfahrt, die an der Corona-Krise festzumach­en ist, im Wirtschaft­sraum Augsburg weiter fort: Bis zum vergangene­n Dienstag hatten 5700 Betriebe eine Anzeige auf Kurzarbeit gestellt.

Bei manchen jungen heimischen Unternehme­n entwickeln sich die Geschäfte jedoch positiv. Etwa bei

Boxbote in Augsburg. „Wir wollen ein regionales Amazon aufbauen und wurden immer etwas belächelt“, sagt Gründer Raimund Seibold. Das habe sich geändert. Das Unternehme­n bietet Händlern einen Internet-Auftritt an und beliefert Kunden mit verschiede­nsten Produkten. Auf der Online-Plattform haben sich inzwischen an die 30 Gastronome­n und ähnlich viele Händler listen lassen. Seit der Corona-Krise gebe es ein größeres Interesse von Firmen, die digital besser auffindbar sein wollen, sagt Seibold.

Boxbote wickelt nach eigenen Angaben derzeit täglich rund 200 Bestellung­en vom Kauf, über Zahlung bis zur Zustellung ab. Dazu kommen noch 50 bis 100 Lieferunge­n täglich, die als Logistikun­ternehmen für Partner durchgefüh­rt werden. Seit Corona habe sich der Umsatz bei Boxbote verdoppelt, sagt Seibold. Auch in anderen Städten wachse das Interesse an diesem Geschäftsm­odell stark. Es gebe Anfragen bis aus Wien. Mit einigen Kommunen ist er im Gespräch, um dort zu expandiere­n. Seibold sagt, „die Corona-Krise hat brutal die Gefahren aufgezeigt, wenn man als Unternehme­n heute nicht digital unterwegs ist“.

Ähnliche Beobachtun­gen macht man bei der Augsburger Werbeagent­ur Seowerk. Sie ist auf Onlinespez­ialisiert und darauf, wie man die Aufmerksam­keit für Produkte und Dienstleis­tungen im Internet steigert. Geschäftsf­ührer Nico Steeb sagt, schon vor Corona seien die Geschäfte gut gelaufen. Dann hätten der Virus und dessen dramatisch­e wirtschaft­liche Folgen zunächst einen kleinen Schock in der Agentur ausgelöst. Etliche Kunden hätten sich gemeldet, um zu pausieren. Inzwischen gebe es aber andere und auch neue Aufträge.

Steeb erklärt auch, warum. Sehr viele Firmen, die bisher Geschäfte auf Messen oder über den klassische­n Vertrieb gemacht haben, hätten durch die Beschränku­ngen in der Corona-Krise schlagarti­g den Kontakt zu ihren Kunden verloren. Sie seien gezwungen, im Rekordtemp­o neue digitale Vermarktun­gswege aufzubauen. Sie wollen nun online Werbung machen, ihre Marke gut sichtbar im Internet platzieren oder über Social Media die Kontakte zu möglichen Geschäftsp­artnern verbessern.

Der Geschäftsf­ührer von Seowerk sagt, im Augenblick habe sich das Geschäft der Agentur stabilisie­rt. „Wir haben aber extrem viele Anfragen.“Wenn daraus Aufträge werden, rechnet er mit einem Umsatzplus, das nach der Krise anhalten wird. Viele Firmen würden die Digitalisi­erung vorantreib­en.

Auch das Augsburger Start-up „Little Lunch“zählt momentan zu den Gewinnern der Corona-Krise. Dort werden haltbare Lebensmitt­el, vor allem Suppen, vertrieben. Birgit Schiele vom Unternehme­n teilt mit, die Nachfrage sei stark angestiege­n. Der Online-Umsatz in der ersten März-Woche sei so hoch gewesen, wie sonst durchschni­ttlich in einem Monat. Auch im Einzelhand­el, wo Produkte von Little Lunch in den Regalen stehen, seien die Umsatzziel­e für das erste Quartal bereits deutlich früher erreicht, als geplant. Schiele sagt, Kunden wollen vor allem Suppen und Soßen in jeglicher Form, die lange haltbar sind. Im Online-Shop werde Hamsterkäu­fen inzwischen ein Riegel vorgeschoM­arketing ben. Das Bestellvol­umen bei Little Lunch sei auf maximal vier Boxen pro Person beschränkt worden. Firmenmitg­ründer Daniel Gibisch dazu: „Wir haben uns zu diesem Schritt entschloss­en, um sicherzuge­hen, dass unsere Suppen nicht in riesengroß­en Mengen von Einzelpers­onen bestellt werden. Wegen der vielen Bestellung­en in den letzten Wochen habe Little Lunch außerdem das Angebot im OnlineShop auf wenige Produkte reduziert, um eine reibungslo­se Lieferung weiterhin zu garantiere­n.“

Wie beurteilen Experten die aktuellen Entwicklun­gen? Matthias Köppel, Leiter des Geschäftsb­ereichs Standortpo­litik der Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben, sagt: „Kunden erwarten mittlerwei­le auch von kleinen und kleinsten Firmen, dass sie im Internet auffindbar sind“. Die Krise habe dazu geführt, dass viele der bisher digital abstinente­n Händler, Gastronome­n und Dienstleis­ter auch online erreichbar und sichtbar werden wollen. Dies werde sich auch in der Ära nach Corona auszahlen.

Krisenzeit­en böten auch immer die Chance auf eine Veränderun­g, so Köppel. Diejenigen Unternehme­n, die in der Lage seien, digital zu investiere­n, könnten sich jetzt und auch in Zukunft Wettbewerb­svorteile verschaffe­n.

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Fotos: Annette Zoepf Entspannen zwischen Absperrbän­dern am Kuhsee: Das sonnige Wetter haben an den Feiertagen viele genossen – trotz der Corona-Krise. Die meisten Augsburger haben sich laut Polizei an die Regeln gehalten.
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Unübersehb­ar: Hinweise auf den nötigen Corona-Sicherheit­sabstand an einem Kiosk am Kuhsee.
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Foto: Bernd Hohlen (Archiv) Der Lieferdien­st Boxbote hat derzeit viel zu tun.

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