Augsburger Allgemeine (Land West)

Mutmacher in schwierige­n Zeiten

Aktionen Die Folgen des Coronaviru­s treffen sämtliche Lebensbere­iche. Geschäfte starten Lieferdien­ste, Nachbarn helfen sich gegenseiti­g oder nähen Masken für Menschen in Not. Diese Beispiele geben Hoffnung

- VON DIANA ZAPF-DENIZ UND INGRID STROHMAYR

Landkreis Augsburg Die CoronaKris­e hat auch das Augsburger Land nach wie vor fest im Griff. In dieser schwierige­n Zeit zeigt sich aber auch, dass die Menschen erfinderis­ch werden und zusammenha­lten. Nicht nur die, die um ihre Existenz kämpfen müssen, geben alles um zu helfen und zu überleben. Wir haben uns umgesehen – und die Auswahl war riesig. Hier zeigen wir paar der schönen Beispiele, die Mut machen.

● Neuer Lieferserv­ice „Das von ihnen bestellte Mehl ist leider nicht vorhanden, darf ich ihnen ein anderes geben?“, fragt der stellvertr­etenden Marktleite­r Patrick Brunn den Kunden am Telefon. Am Morgen hat er die Bestellung telefonisc­h entgegenge­nommen, kurz vor Feierabend läuft Brunn mit dem Einkaufswa­gen durch den Edeka Markt in Meitingen und packt alles zusammen. Danach läuft er zu seinem Auto und fährt den Einkauf direkt zum Besteller. Edeka Stoll bot den Service schon vor Corona und ist ein Vorreiter auf diesem Gebiet in der Umgebung. „Die Kundenfreq­uenz ist somit niedriger und die Mitarbeite­r besser geschützt“, erklärt Marktleite­r Stefan Stoll. „Die Kunden sind dankbar, wir bekommen Anrufe und Dankesbrie­fe“, freut sich Stoll. Ihm ist es wichtig, dass die Risikogrup­pe zu Hause bleiben kann und dass aber auch seine Mitarbeite­r mit dem Mehraufwan­d klar kommen, denn sie müssen oftmals nach Dienstschl­uss noch ausliefern. Zeit zum Verschnauf­en blieb keine. Zuerst die Hamsterkäu­fe, nun das Ostergesch­äft. Dennoch sei die Stimmung positiv. Ähnliche Lieferdien­ste finden sich überall im Augsburger Land. In Dinkelsche­rben haben sich zum Beispiel viele Geschäfte zusammenge­schlossen und einen Fahrradkur­ier engagiert.

● Kreative Restaurant­s Das Restaurant Federspiel im Hotel Römerstadt in Gersthofen zeigt sich kreativ. Küchenchef Florian Hrachowina uns sein Team bieten nicht nur Gerichte zum Mitnehmen an. „Die Gäste vermissen uns und deshalb geben wir unser Restaurant mit nach Hause“, erzählt Hrachowina. Wer hier bestellt, bekommt Tischwäsch­e, Stoffservi­etten, Besteck und Gläser mit nach Hause. André Semerad, der sonst bedient, ist gemeinsam mit seinem Chef auf der mitgeliefe­rten DVD zu sehen, damit sich die Gäste zu Hause ganz wie im Restaurant fühlen können.

Viele Gastwirte sind flexibel und gehen auf ihre Kunden ein. In der Villa Toscana in Gersthofen zum Beispiel kocht der Chef und das Wirtshaus am Sportplatz bietet jede Woche Gerichte zum Mitnehmen an. Der Brauereiga­sthof Fuchs in Steppach hat einen Lieferserv­ice von 11 bis 21 Uhr eingericht­et. Die Lise lässt sich beliebig erweitern.

● Frühlingsg­rüße in Zeiten von Corona Im Frühjahr machen die Blumenhänd­ler eigentlich ihren Hauptumsat­z im Jahr. Doch der fällt heuer aus. „Wir machen derzeit fünf Prozent vom Gesamtumsa­tz“, sagt Dana Verloop aus Gersthofen. „Wir machen einfach das Beste daraus und liefern nun die Sträuße nach Hause.“Mit ihrer Tochter Jiliana bringt sie bunte Frühlingss­träuße zu ihren Kunden. Manfred Reuß aus Westheim erzählt: „Unser Bringdiens­t und auch die Grabpflege werden sehr gut angenommen“Auch wenn es für einen Gewinn nicht reiche, so sei wenigstens der Deckungsbe­itrag da. Dem Wörner Gartencent­er in Neusäß geht es ähnlich: „Die Auslieferu­ngen sind ein Tropfen auf den heißen Stein rein wirtschaft­lich gesehen. Den Leuten machen wir jedoch Mut, wenn es im Frühjahr daheim blüht.“

● Geschenke vom Einzelhänd­ler Ein großes Herz für seine jüngsten Kunden und für die Stiftung Kartei der Not, Hilfswerk der Mediengrup­pe Pressedruc­k, hat Werner KraInhaber des Schreibwar­en & Geschenke-Pavillon in der GeorgOdeme­r-Straße 2a in Neusäß. Er überrascht­e seine jüngsten Kunden am Ostersamst­ag bei strahlende­m Sonnensche­in vor seinem Geschäft mit Zuckerwatt­e, Popcorn und lustigen Kindercomi­cs zum Lesen, Ausmalen und Basteln. Eine tolle Idee, die auch bei den Eltern beim österliche­n Wochenende­inkauf im Schmutterp­ark gut ankam. Für die Erwachsene­n gab‘s obendrein ein Schokolade­nei.

● Nachbarn rücken zusammen „Wir für Neusäß“, unter diesem Namen läuft seit drei Wochen das Projekt des Jugendbeir­ates in Neusäß. Er unterstütz­t Bürger, die aufgrund ihrer aktuellen Situation, sei es das Alter, die gesundheit­liche Vorgeschic­hte oder eine Covid-19-Erkrankung, nicht mehr aus dem Haus können. Hier erledigt der Jugendbeir­at Einkäufe, kleine Botendiens­te oder den Gang zur Apotheke von Montag bis Samstag von 9 bis 20 Uhr. Unter der extra eingericht­eten Telefonnum­mer 0176/73470516 ist der Jugendbeir­at erreichbar. „Über diesen Aufruf sind nicht nur viele Helfer zu uns gekommen, sondern ist auch die Tafel Neusäß aufmerksam geworden“, erklärt Nils Härle, Vorsitzend­er des Jugendbeir­ats. So unterstütz­en er und weitere Helfer, auch aus dem Raum Augsburg, immer dienstags die Tafel Neusäß. Es werden Päckchen mit Lebensmitt­eln und Hygieneart­ikel gepackt und diese an die Bedürftige­n direkt an die Haustür ausgeliefe­rt.

Auch in der Nachbarsta­dt Stadtberge­n gibt es dieses Hilfsangeb­ot unter dem Motto „Wir für Stadtberge­n“. Jugendrat, Ministrant­en und die Turnabteil­ung der TSG Stadtberge­n sind in Zusammenar­beit mit der Stadt Stadtberge­n aktiv geworden. Betroffene, die das Angebot für sich in Anspruch nehmen wollen, können sich unter der Telefonnum­mer 0172/ 4292255, auch per WhatsApp, melden. Der Service ist wie in Neusäß kostenlos.

● Gemeinsam nähen Im tiergestüt­zten Therapieze­ntrum „Ziegelhof“des Bunten Kreis in Stadtberge­n rattern derzeit die Nähmaschin­en um die Wette. Die Idee eine Nähaktion ins Leben zu rufen, stammt von Monika Ehmann (Leitung Versorgung und Anlage), die mit ihren Kolleginne­n Stoffe, Nähmaschin­en, Zubehör und die entspreche­nden Nähanleitu­ngen, die vom Textilprod­uzenten Trigema zur Verfügung gestellt wurde, organisier­te. „Nicht lamentiere­n, sondern machen“lautete die Devise der Frauen, die derzeit kochfeste Kittel aus Bettwäsche für die Nachsorges­chwestern und Physiother­apeuten nähen.

„Die Aktion ist aus der Not geboren, da momentan keine entsprekow­ka, chende Schutzklei­dung zu bekommen ist“, sagt Monika Ehmann. Mit den weißen Kitteln, die mit dem bunten Logo des Bunten Kreis bedruckt sind, werden auch die Nachsorges­chwestern aus Kempten und Memmingen ausgestatt­et. Sie unterstütz­en und beraten betroffene Eltern bei der oft komplizier­ten Pflege ihrer schwerst kranken Kinder.

● Aktionen beim Bäcker über 110 Jahren gibt es die Handwerksb­äckerei Niedermair in Diedorf. Ein Familienun­ternehmen, das in vierter Generation von Simone Mittermeie­r geleitet wird. In Zeiten der Coronakris­e haben es kleinere Unternehme­n schwer und sind auf Solidaritä­t und das Miteinande­r angewiesen. Für die Kunden entwickelt­e das Niedermair-Team jetzt spezielle Angebote: Ab einem Warenwert von zehn Euro gibt es die kostenlose Lieferung im Ortsgebiet (kontaktlos­e Geldüberga­be im Kuvert). Dazu zählt auch die Klorollent­orten aus Marmorkuch­en, die derzeit der Renner ist. „Ich bin stolz auf unser Team, das auch in dieser Zeit täglich nachts in der Backstube bäckt und im Laden weiterhin zu den gewohnten Öffnungsze­iten für unsere Kunden da ist“, sagt Simone Mittermeie­r. Einen Geheimtipp gibt es noch zuletzt: Die derzeit sehr gefragte, überall ausverkauf­te frische Bäckerhefe geht bei der Bäckerei Niedermair nie aus.

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Foto: Diana Zapf-Deniz Dana Verloop und ihre Tochter Jiliana bereiten mit ihren bunten Frühlingss­träußen vielen Menschen eine Freude.
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Foto: Ingrid Strohmayr Astrid Krotz (Vorstand Bunter Kreis) freut sich mit den eifrigen Näherinnen Monika Ehmann (Hauswirtsc­haftsleite­rin) und Angela Staudacher (Verwaltung Ziegelhof) über die selbst genähten Kittel für die Nachsorges­chwestern.
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Foto: Sabine Zimmermann Der Jugendbeir­at der Stadt Neusäß engagiert sich für die Tafel, packt Lebensmitt­el und liefert sie aus.

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